Am Abend, nachdem wir einen entspannten Tag nach Kristinas langem Flug hatten und aus der Mall zurück kommen (war einkaufstechnisch recht harmlos 😉)  macht sie mit May aus KL und Mervi aus Finnland Bekannschaft, die ich ja schon kenne. Beide lernen wir außerdem die lustige, lebensfrohe Jo aus Schweden kennen. Sie erzählt uns, dass sie zum zweiten Mal auf Borneo ist und unbedingt nochmal hierher kommen musste, um den Kreis zu schließen, einen Abschluss zu finden. Beim letzten Mal ging sie in Kota Kinabalu zum Nachschauen eines wahrgenommenen Knotens in die Klinik, wo ihr gesagt wurde, es sei besser Nachhause zu fliegen, da sie denken, sie habe Krebs, was sich leider auch bewahrheitet hatte. Was für ein Trauma. Drei Jahre später ist sie nun 28 Jahre jung, hat ein Brustimplantat, da sie ihr die Brust abnehmen mussten und macht Späße über ihre neue, in alle Richtungen gewachsene Frisur. Ich habe so einen großen Respekt und bin voller Bewunderung für diesen faszinierenden Menschen und was sie aus ihrem Schicksal gemacht hat, vielleicht das Schicksal auch ein Stück weit aus ihr.
So haben wir einen sehr lustigen Abend und lachen viel. Am nächsten Tag zeige ich Kristina die weniger schöne Stadt und sie nimmt es glücklicherweise auch recht gelassen. Außer beim Gestank, hier kommt auch sie mit ihrer „Cindaric-Nase“ an ihre Grenzen 😄 Zum Kaffee hole ich uns zwei Tartes, eine mit Schokolade, eine mit Durian. Durian ist eine Frucht, die vielerorts in Bars, Hotels und Restaurants verboten ist, da sie so stinkt. Sie soll angeblich jedoch gut schmecken. Ich frage meine Schwester, ob sie probieren möchte und übergebe ihr das gut aussehende Teil. Sie beißt ab und den Gesichtsausdruck werde ich wohl niemals vergessen, auch nicht mein dazugehöriges Lachen. Ich höre nur noch, wie sie was von Zwiebelkuchen murmelt und reiche ihr die Tüte, in der es drin war, damit sie es wieder ausspucken kann. Mir reicht es im Anschluss, nur daran zu riechen und auf einmal erkenne ich den Geruch, der mich schon durch ganz Malaysia begleitet. Diese Tarte ist also eine Art Vanillepudding mit Zwiebel- und Knoblauchgeschmack auf Biskuit 🤢

Irgendwann wechseln wir vom Hostel ins Hotel, in der wir unsere Dschungel-Tour starten und lernen unsere Gruppe und unseren Guide kennen. Wir sind zu elft. Und mir war klar, dass dem Nomaden niemand das Wasser reichen kann, aber das hier, macht mich anfangs echt sprachlos: unser Guide Fab ist ein kleiner Asiate (okay, die gibt es in groß auch nicht 🤣) mit einer äußerst ausgeprägten Stimme. Ich sage mal so, man hört, dass er gerne zur Bundeswehr gegangen wäre… In der Gruppe sind neben uns zwei Schweizerinnen, drei Australier und vier Briten mit dabei, von letzteren verstehe ich allerdings wieder nur eine. Und es scheint nicht an mir zu liegen, denn Kristina und den Schweizer Mädels geht es genauso. Insgesamt finden wir die Mischung schon mal gut und können es kaum abwarten, aus der Stadt in die Natur zu fahren. Das tun wir dann am nächsten Morgen und es dauert gar nicht lange, bis sich das Landschaftsbild grundlegend verändert. Grün, Palmen, Bananenstauden und irgendwann werden auch Berge sichtbar. Oh wie ich sie vermisst habe und wie glücklich ich doch beim Anblick dieser bin. Wir fahren circa drei Stunden, bis wir in einem kleinen Dorf am Fuße des höchsten Berges Südostasiens, dem Mount Kinabalu, ankommen. Direkt an einem glasklaren Fluss, umgeben von Reisfeldern, Schachtelhalmen und Bäumen, wie wir sie nicht haben. Die Landschaft ist wieder einmal so traumhaft, dass wir am liebsten hier bleiben würden. Die Unterkunft ist ein sogenanntes „Homestay“, das in Asien weit verbreitet ist. Einheimische bieten Zimmer an und kochen für die Gäste. Wir teilen uns das Zimmer mit den Schweizerinnen Iris und Nadine und haben zusammen viel Spaß in unserem sehr einfachen Zimmer.
Am Spätmittag laufen wir bei strömendem Regen zu einem anderen Homestay zu einem kleinen Kochkurs mit traditionellen Speisen, vorbei an Sträuchern mit bunten Blüten, unter anderem dem Hibiskus, der Nationalblume Malaysias, Kakaopflanzen, Papaya-Bäumen und wachsenden Ananas. Ananas hatte ich zuvor noch nie wachsen sehen. Die Blätter, ähnlich der Aloe Vera-Pflanze, wachsen aus dem Boden und irgendwo dazwischen die Ananas-Frucht.
Wir bekommen alle eine Art Sarong, der uns als Schürze dienen soll und schauen zunächst zu, wie eine Kokosfrucht geöffnet wird. Ohne Mann im Haushalt würde ich behaupten unmöglich. Mit einer Art Axt wird zunächst die haarige Außenhülle durch viele,  viele Einschläge entfernt, schließlich die Kokosnuss selbst geöffnet. Die Flüssigkeit darin ist der Kokossaft. Und erst nachdem man das Kokosfleisch ausschabt und presst, gewinnt man die Kokosmilch. Wir dürfen uns alle am Ausschaben probieren. Bei mir kommt direkt etwas eigenes Fleisch mit rein 😅
Anschließend wird geschnibbelt, geraspelt und zubereitet und wir sind ganz angetan, von dem, was wir da zubereiten. Zum Einen gibt es Salat aus geraspelten Mangos, Karotten, gerösteten Kokosflocken, Chili, Salz, Zucker. Zum Anderen knusprige, frittierte Puffer aus einer Art Kartoffelwurzel, Kokosraspeln, Wasser und Mehl. Yummie 😋 Natürlich bekommen wir, zu den von uns zubereiteten, diverse andere Spezialitäten, die bereits für uns gezaubert wurden, so zum Beispiel Curry-Kürbis, scharfes Hähnchen, Rind, Tofu für die Vegetarier oder wer es mag, allerlei Gemüse und selbstverständlich Reis. Satt, beseelt von den liebenswerten Einheimischen und bettreif laufen wir im Dunkeln mit unseren Stirnlampen wieder zurück.

Am nächsten Tag wartet eine weit längere Fahrt, die uns in die Tiefen des Dschungels führen soll. Heute macht das Landschaftsbild zwischendurch wieder nachdenklich, denn wir sehen diverse gerodete Palmplantagen. Wie wir später erfahren, wurden insgesamt 47% Dschungel auf Borneo bereits gerodet, vor allem zur Palmölgewinnung und auch zum Bau von Siedlungen. Wie traurig, vor allem wenn man an das außergewöhnliche Wildleben im Dschungel denkt. Nach fünf Stunden erreichen wir unser Ziel, die „Borneo Natural Sukau Bilit Lodge“ an der Ostküste Sabahs. Borneo besteht aus zwei Bundesstaaten, Sabah und Sarawak. In einem großen überdachten, ansonsten offenen Holzbau wird das Essen serviert, gewohnt wird in kleinen Holzlodges auf Stelzen, zu denen man über Holzstege gelangt. Kristina und ich bekommen eine dieser supergenialen Lodges, direkt an einem kleinen See und wir sind völlig perplex, wie schön sie sind. Was sich wirklich gut anfühlt ist, dass sie hierfür keine Bäume gefällt, sondern zwischen sie gebaut haben. Beim Umschauen entdecken wir auch schon die ersten kleinen Äffchen 🐒
Schon bald startet unsere erste Bootstour auf dem 450 km langen Kinabatangan Fluss. Wir sind quasi auf Affenpirsch und entdecken auch unzählige (Makaken, Silberne Haubenlanguren, Nasenaffen), wie sie umherklettern und sich über Lianen von Baum zu Baum schwingen, spielen, sich auch mal ankeifen. Außerdem sehen wir ungewöhnlicherweise eine Zibetkatze. Im schönsten Sonnenuntergang , den man sich vorstellen kann, fahren wir wieder zurück, um nach dem Abendessen eine Nachtwanderung zu machen. Es wird uns empfohlen, Blutegel-Socken zu kaufen und Gummistiefel auszuleihen, auch für die Wanderung am nächsten Tag. Ich denke erst, dass doch die Wanderschuhe reichen müssten plus wenn ich die Hose in die Socken stecke, bin aber mehr als dankbar, dass ich der Empfehlung dann doch folge. Die Socken kann man sich wie einen Weihnachtsstrumpf vorstellen, den man an die Tür oder den Kamin hängt. Bonbon, unser Guide vor Ort, der aussieht wie Mogli aus dem Dschungelbuch, sammelt uns ein und es geht im Dunkeln los, wobei uns die Sterne und der fast volle Mond den Weg leuchten. Wir laufen zunächst auf der geteerten Straße, dann ein wenig durchs Gras und ich finde das mit den ungemütlichen Gummistiefeln etwas übertrieben. Bonbon hat ein faszinierendes Fingerspitzengefühl für die Tierwelt im Dschungel, so dass man meinen könnte, er sei wie Mogli dort groß geworden. Er leuchtet mit der Taschenlampe zielgerichtet auf Bäume oder Sträucher und wir entdecken Frösche, schlafende Vögel, Spinnen, Schlangen, Riesengrashüpfer und –heuschrecken, andere Insekten, Schildkröten, eine Eule. Ich fühle mich fast wie ein Eindringling in der Welt der Tiere. Ein großer Schmetterling ist ganz verschreckt, fliegt wirr umher, bleibt immer wieder auf einem von uns sitzen. Inzwischen haben wir auch die Tiefen des Dschungels erreicht und stehen teils zehn bis fünfzehn Zentimeter tief im Schlamm. Und immer wieder werden wir gewarnt, nichts anzufassen oder uns gar irgendwo festzuhalten. Auch die Stirnlampe sollen wir nicht aufziehen, weil wir damit die Mosquitos direkt ins Gesicht locken würden. Na prima. Gerade bin ich seehehr dankbar, um mein geliehenes „Schuhwerk“ 😉
Da stehst Du dann also so tief im Schlamm, dass Du die Füße fast nicht wieder heraus bekommst und es gehen Dir sämtliche Horrorfilme von Schlamm, in dem man gänzlich versinkt und dergleichen durch den Kopf. Und das im Dunkeln. Trotzdem bleiben wir verhältnismäßig entspannt, außer bei dem ein oder anderen Mosquito-Stich, da wir auf eine Malaria-Prophylaxe wegen der Nebenwirkungen bewusst verzichtet haben. Ein kleiner, genialer „Bite Away“-Stift hilft hier sofort und ich bin dankbar für dieses Geschenk vor meiner Abreise. Eine aus der Gruppe, die mit halbhohen Trekkingschuhen los ist, geht irgendwann zurück zur Lodge, da die Schuhe mehr oder weniger bis zur Untauglichkeit verschlammt sind…
Was für ein unglaublich erfüllter Tag voller Tier- und Naturwunder. Jetzt schnell schlafen, da es morgens um sechs schon wieder los geht und hoffen, dass keine unliebsamen Tiere im Zimmer sind bzw. in der Nacht kommen 😬 Wie wir am nächsten Tag hören, war das bei anderen der Fall, wir sind verschont geblieben, lediglich morgens ein Besuch von kleinen Äffchen, die gegen unsere Scheibe schlagen, weil sie hinein möchten.

Wir stehen also kurz nach fünf Uhr auf, was wirklich eine unchristliche Zeit ist… A propos, hier auf Borneo in Ostmalaysia leben mehr Christen, vorwiegend Katholiken, denn Muslime. Auf jeden Fall lohnt sich das frühe Aufstehen, denn im sich lichtenden Nebel tuckern wir im Boot, heute in den Sonnenaufgang. Der Fluss erinnert mit seiner Karamellfarbe und dem umliegenden Dschungel an den Amazonas. Gerade fühlt es sich wirklich weit weg und fernab der Zivilisation an. Wir fahren an die Stelle, an der wir die Orang-Utans gestern knapp verpasst haben, da sie sich bereits zum Schlafen in den Bäumen verteilt hatten. Und tatsächlich kommen wir rechtzeitig, um zu sehen, wie einer von ihnen wach wird. Aus der Ferne erkennt man die Umrisse, die unfassbare Größe und die vielen Haare, während er sich reckt und streckt. Wir sehen auch ein Kleines, das bereits munter über die Äste kraxelt und die Welt an diesem Morgen für sich entdeckt. Damit nicht genug, heute bekommen wir zu Kristinas Freude auch ein Krokodil zu sehen. Ich finde das „geht so“, denn wir sitzen doch in einem sehr kleinen Boot, womit wir wieder bei den Horrorfilmen wären 🤣 Bei dem Eisvogel, den wir anschließend entdecken, bin auch ich wieder hell begeistert.

Nach dem Frühstück ist leider keine Zeit, um weiterzuschlafen, denn wir brechen auf zu einer Trekkingtour durch den Dschungel. Nicht nur, dass man eine Machete bräuchte, Bonbon hat sie auch dabei und gelegentlich in Gebrauch. Tagsüber sehen wir nicht ganz so viele Tiere, da sie uns hören, sehen und riechen. Verständlich, dass sie sich nicht zeigen, wer braucht schon den Menschen, der so mit der Umwelt und der Natur umgeht… Dafür ist heute der Matsch noch tiefer, die Warnungen noch eindringlicher. Und immer wenn ich gerade mal den einen Fuß kaum wieder vor den anderen bekomme und einen Baumstamm oder Ast zu Hilfe nehmen möchte, fällt mir ein, dass das ein No-Go ist und versuche es mit meinem Gleichgewichtssinn. Es erwischt mich trotzdem. Nein, ich falle nicht in den Matsch. Aber ich muss an irgendeine Pflanze gekommen sein, denn es brennt dermaßen auf meiner Haut und es bilden sich kleine Bläschen. Wir sollen nicht reiben und schon gar nicht kratzen und dann an eine andere Stelle des Körpers fassen, damit es sich nicht verteilt. Haha, sehr witzig. Und weil es so schön ist und ich ja gerne Erfahrungen sammle, finden sich auf meiner Hand, meiner Hose, den entsprechenden Socken und den Stiefeln diverse Blutegel. Muaaaah 🙀 Bonbon zeigt mir, dass man sie mit trockenen Fingern entfernt und schließlich rollt. Ich probiere es kurz und der Wille ist wirklich da, ekelt mich dann aber doch zu sehr. Er übernimmt das, wofür ich ihm um den Hals fallen könnte. Nach zwei Stunden sind wir so ziemlich durchgeschwitzt und dann irgendwann froh, wieder mit dem Boot zurück fahren zu können.
Nach dem Duschen erschrecke ich vor dem Spiegel. Gut, dass kommt öfter vor, aber heute zeigt sich Blut an verschiedenen Stellen. Kristina und ich suchen die Ursache und entdecken eine Stelle, die gar nicht mehr aufhören will zu bluten. Kristina vermutet, dass auch hier ein Blutegel am Werk war, was ich mir persönlich nicht vorstellen kann, da ich an der Hüfte ja sowohl die Hose als auch ein Shirt darüber hatte. Als ich es Fab zeige und ihn frage, gratuliert er mir zu einem Blutegel-Stich, der mehrere Stunden bluten kann, was auch der Fall ist. Ich brauche keine Blutkonserve und doch ist es ein komisches Gefühl, dass ein Stich, der aussieht wie ein Knutschfleck, nicht aufhört zu bluten 😬

Mittags müssen wir Schlaf nachholen, wobei Kristina und ich uns für die Hängematte entscheiden. Ach Gott, geht es uns gut 😊 Auf die Mittagsbootssafari verzichte ich selbst und verpasse dadurch den kleinsten Elefanten der Welt, der hier ebenfalls Zuhause ist. Ich kann es verkraften, habe ich doch schon unzählige Elefanten in der Natur Südafrikas sehen dürfen.

Nach dem Abendessen gibt es noch eine kulturelle Nacht, veranstaltet vom jungen Team, das hier die Lodges beherbergt. Sie singen für uns und holen dann einzelne zum Tanzen. Ja, auch mich 😆 Eine kleine, bezaubernde, sehr junge Einheimische, die es ganz toll findet, während ich erst einmal in die Schritte finden muss. Beim zweiten Lied sind dann alle dran und was dann folgt, erinnert an einen Kindergeburtstag, an dem man Affen und Elefanten nachmimt 🤣 Zum Schluss bekomme ich dann ein riesengroßes Geschenk, denn wie wir uns in Reihen aufstellen sollen und uns die Schritte gezeigt werden, erkenne ich den Freestyle-Dance, den ich aus den Neunzigern kenne, inzwischen selber auch kann (es brauchte dann doch mein halbes Leben dafür, weil ich es nicht so mit der Körperkoordination habe) und einfach nur totale Freude daran habe, wie der ein oder andere Leser bestens weiß 😉 Georgia, die kleine Süße freut sich an meinem Spaß und drückt mich zum Ende. Ehrlich gesagt würde ich sie am liebsten mitnehmen, sie mich da behalten 😍 Ich fühle mich glücklich und reich beschenkt, durch so viele schöne, unvergessliche Momente und wahre Herzensbegegnungen. Und so fällt der Abschied am nächsten Morgen gar nicht leicht, von Georgia, Bonbon, der Lodge, aber auch den Dichten des Dschungels und seiner faszinierenden Vielfalt.