Ui, ui, ui. Ich fühle mich nach dem gestrigen Tag gar nicht wirklich gut. Ich bin total verspannt, mein Kiefer schmerzt, da ich nachts wahrscheinlich mal wieder die Zähne zusammen gebissen habe und irgendwie fühle ich mich auch sonst nicht ganz wohl. Hm, das hatte ich mir nach den balinesischen Heilritualen anders vorgestellt. Hilft ja alles nichts, ich stehe auf, ziehe mich an, frühstücke und gehe dann los, Ziel: Frisör. Es sei gleich dazu gesagt, dass es in meinem Leben eigentlich nur einen gibt, dem ich uneingeschränkt vertraue. Er wäre auch gerne zum Frisieren vorbei gekommen, aber das hätte seine Familie vermutlich nicht lustig gefunden 😆 Ich hatte von einem Salon in einem Internetbericht gelesen und den steuere ich an. Bei dem Anblick des Salons, erkenne ich, dass er alles andere als das ist, da ich aber schon die Aufmerksamkeit der netten Balinesin habe, gibt es für mich kein zurück mehr. Ich erkläre ihr, wie ich es gerne hätte und dann geht es um pures Gottvertrauen. Als mir vor dem Schneiden nicht einmal die Haare gewaschen werden, fange ich innerlich schon fast an zu beten. Hilft, das Ergebnis stellt mich zufrieden und das ist gar nicht so selbstverständlich meine Haare betreffend 😉 An dieser Stelle, weil es meine fast größten Bedenken vor der Reise waren, kann ich mal updatend sagen, dass haartechnisch alles fein ist. Meine Rettung war Kristina, die deutsche Haarfarbe importiert hat, denn tatsächlich gibt es diese in Asien nicht, also nicht so hell. Ansonsten passt lufttrocknen oder bisschen föhnen ohne sonstigen großen Schnickschnack, was ich als große Entwicklung betrachte 😆 Überhaupt bin ich ganz angetan, in welcher Einfachheit ich doch leben kann. Und es ist gar nicht schlimm oder schwer. Das hab ich wohl aus der Inkarnation des Bauers mitgebracht 😉
Ich sehe ein wenig vom Ort und bin inzwischen einigen liebenswerten Menschen begegnet, der innere Stress ob des Verkehres und der geschäftstüchtigen Ladenbesitzer jedoch bleibt. An den kleinen Boutiquen entlang der Hauptstraße ist es zwar nicht ganz so aufdringlich, dafür werde ich jetzt alle 200 Meter gefragt, ob ich ein Taxi möchte. Nein. Ansonsten verläuft der Tag entspannt und ich lese weiter an meinem ersten englischen Buch. Irgendwann werde ich von Trommeln und Gesängen aus der bedächtigen Stille gerissen. Und mir ist klar: eine Prozession direkt vor der Türe. Das schaue ich mir doch mal aus nächster Nähe an. Ich nehme mal zur Sicherheit mein Handy mit, denke aber, dass es vielleicht nicht ganz respektvoll ist, eine Zeremonie zu filmen oder zu fotografieren. Da das in etwa zwanzig anderen Touristen egal ist, kommt es auf mich dann wohl auch nicht mehr an 😁 Irgendetwas in mir wird sehr berührt von den Klängen, Gesängen und auch Tänzen, sodass ich merke, wie mir Tränen aufsteigen. So ist das dann wohl bei emotionalen Menschen 😊
Auch hier wird es wieder Zeit zu packen, was mir jedoch nicht ganz so schwer fällt. Ich denke, dass ich im Inselinneren etwas mehr Ruhe finde. Diese habe ich auch, als ich kurz nach fünf Uhr aufstehe, um am Strand die aufgehende Sonne zu begrüßen. Wie friedvoll und ruhig doch alles ohne den menschlichen Trubel ist. Das Meer, der Sonnenaufgang und ich – welch schöne Trilogie. Na gut, hier und da bewundert noch ein anderer den Sonnenaufgang, doch glücklicherweise ebenfalls in Stille und tatsächlich nur eine Handvoll.
Eine Stunde vor Abfahrt meldet sich Gung noch. Aber er meint, wir können uns auch mal in Ubud sehen. Abgeholt werde ich von Wayan, dem Fahrer, der mich auch vom Flughafen abgeholt hatte. Nachdem ich Horrorgeschichten über Taxifahrten, die Preise und wie Du übers Ohr gehauen wirst, gehört habe, war ich dankbar über Wayans Angebot, er könne mich fahren, jederzeit, ich solle einfach einen Tag vorher Bescheid geben. Wir vereinbaren vorher einen Festpreis, top. Er ist außerdem mein lebendiger „Reiseführer“, egal was ich ihn frage, er kann es mir sagen. Nachdem ich ihn nach einem speziellen Kaffee frage, hält er für mich auf dem Weg sogar an einer Kaffeeplantage. Der Kopi (= Kaffee) Luwak (= wilder Fleckenmusang) ist der teuerste Kaffee der Welt. Er wird aus (Achtung!) dem Kot der Schleichkatze gewonnen. Sie essen die reife, rote Kirsche, im Übrigen nur die besten davon, und scheiden sie mit ihrem Kern, der kostbaren Bohne, wieder aus, da sie nur das Fleisch der Kirsche verdauen können. Diese werden dann also gesäubert, geröstet und weiter wie normaler Kaffee produziert. Hier kann ich sogar den Fleckenmustang selbst sehen, der jedoch nachtaktiv ist und gerade vor sich hinpooft, bekomme 14 verschiedene Tee- und Kaffeesorten zum Probieren serviert. Ich muss schauen, wie ein Auto, als der junge Mann das lange Tablett mit den gläsernen Tassen bringt. Ich frage mich, wie ich auf einen Schlag so viel probieren soll. Ich arbeite mich langsam durch, lese zur jeder Sorte, welche heilenden und wirksamen Eigenschaften sie haben. Beim Ingwertee komme ich ordentlich ins Schwitzen, vor allem bei dem roten, denn der ist noch mit Chili angereichert 😅 Der hilft bei Halsschmerzen und Erkältung. Super, ich glaube nämlich, dass ich etwas ausbrüte. Doof nur, dass ich keinen kaufe. Egal, Hauptsache ich habe den Kaffee. Der ist nämlich für Florian. Florian ist großer Kaffee-Fan und ohne Florian gäbe es diese Seite hier nicht 😊 Und ich hätte, wenn es nötig gewesen wäre, die Vulkane einzeln bestiegen, um diesen Kaffee für ihn zu bekommen! Jetzt muss er nur noch heil nach Deutschland kommen, was mit meinem nächsten Besuch kein Problem sein sollte.
Wayan fährt in Ubud eine extra Runde, um mir genau zu zeigen, wo ich was finde – den Affenwald, den Palast, die Einkaufsstraßen und Restaurants. Und er will für all das nicht einmal etwas extra. Wie lieb ist das denn! Ich gebe ihm trotzdem etwas.
In meinem Guesthouse begrüßt mich Nang, der sich ebenfalls viel Zeit nimmt , um mit mir zu plaudern und um mir von der royalen Hochzeit zu erzählen, die heute im Palast stattfindet, zu dem ich unbedingt gehen soll. Er lässt mich sogar mein Zimmer wählen. Ich entscheide mich für oben. Ich würde mich immer für oben entscheiden, außer bei Stockbetten, da unbedingt unten, wobei das früher auch anders war. Das muss am Alter liegen 😆 Nach ein bisschen Erholung gehe ich dann auch schon los und die namhaften Gäste aus der Politik, die erwartet werden, laufen mir quasi direkt vor die Linse 😁 Sicherheitsmaßnahmen werden hier an sich nicht so groß geschrieben, zumindest nicht bemerkbar, und falls ich dachte, ich hätte hier mehr Ruhe, habe ich mich mal so richtig ordentlich getäuscht. Der Verkehr ist der Wahnsinn! Es gibt eben auch immer nur eine Hauptverkehrsstraße. Ich weiß gar nicht, wie Menschen sich trauen, hier einen Roller oder gar ein Auto zu mieten. Mir wäre auf dem Fahrrad schon bang und selbst zu Fuß ist mir nicht wohl 😬 Hier fährt zum Teil eine ganze Familie (Vater, Mutter, Kind!) auf einem einzigen Roller, zumeist auch ohne Helm. Und dann parken sie noch alles zu, damit Autos nicht aneinander vorbei fahren können. Das reinste Chaos. Ich glaube nur Hanoi in Vietnam ist schlimmer, da die Straßen dort zusätzlich noch mehrspurig sind. Als ich es nicht alleine über die Straße „schaffe“, hilft mir freundlicherweise ein Polizist, der meine Lage sofort erkannt haben muss 😆 Exakt das gleiche Erlebnis wie in Hanoi. Und die Straßen hier auf Bali sind für den vielen Verkehr gar nicht gerüstet, ich möchte fast sagen die kleine Insel für die Massen an Touristen auch nicht. Auf den Gehwegen, so denn keine Roller darauf geparkt sind, muss man sich sehr konzentrieren, denn man kommt kaum am Gegenverkehr vorbei, dazu die Schäden im Boden, auf dem bestimmt schon mehrere Bänder gerissen sind. Aber es gelingt mir, auch, etwas Gutes zu Essen zu finden und ebenfalls, zu meiner Unterkunft, die zumindest in der etwas ruhigeren Verlängerung einer Seitenstraße liegt, zurückzukehren.
Nachts wird wahr, was ich befürchtet, jedoch nicht erwartet hatte. Mein Bett wackelt, dazu die Türen zur Terrasse. Aus dem Tiefschlaf gerissen und doch noch im Halbschlaf, frage ich mich panisch, wo Kristina ist. Öffne kurz die Augen, denke, dass sie heute ein Einzelzimmer hat, merke, dass das zu meinem Traum gehört, das Erdbeben jedoch Realität ist. Bis ich richtig bei mir bin, ist es auch schon vorbei, ich Gott sei Dank unversehrt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das wirklich real war und fange an, im Netz zu recherchieren. Und finde tatsächlich auch gleich die Bestätigung, ein wenig später die ersten Meldungen dazu. Es scheint, trotz Erdbebenstärke 6, glimpflich ausgegangen zu sein, zumindest auf Bali. Auf der Nachbarinsel Java gibt es traurigerweise drei Tote. Armes Indonesien. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Das einzig schöne Gefühl ist die umgehend besorgte Nachfrage, wie es mir geht… Ich bin nicht in Angst und doch sehr erschrocken. Die traurigste Erkenntnis ist wohl die, dass Betroffene einfach keine Chance haben, weil alles so schnell geht. Wie gehe ich mit meiner Familie um? Schreibe ich es ihnen nicht und sie hören es in den Nachrichten, während sie mich aufgrund der Zeitverschiebung nicht erreichen, haben auch sie eine schlaflose Nacht und nicht nur das. Wenn ich ihnen schreibe, ist es ähnlich, doch wissen sie dann, dass ich heil bin. Also entscheide ich mich für letzteres. Und tatsächlich meldet sich meine Mutter mitten in der Nacht MEZ, um zu fragen, ob weiter alles okay ist. Ist es, wirklich. Schließlich werde ich 92 Jahre alt 😊
Liebe Tanja, deine Reise ist wie eine Ausbildung – oder? Hab mich heute kurz mit Susanne K. ausgetauscht und wir sind der einhelligen Meinung, dass du diese Reise nicht nur nicht alleine machst, sondern auch nicht nur für dich. Du machst sie sehr sehr wahrscheinlich für viele von uns 🤗 Das würde zumindest mir auch erklären, warum ich mich bei jedem deiner Berichte so verbunden fühle 😘💫
Liebe Tanja, auch von mir ein großes Lob für deine Berichte. Ich bin begeistert von dem, was und wie du schreibst. So kann ich dabei sein, ohne die Reise zu machen. Das könnte ich sowieso nicht. Du hast meine größte Bewunderung! Wünsche dir weiterhin viele interessante Erlebnisse. Paß auf dich auf. Viele Grüße, Erika