Nach doch zehn Nächten, die ich dann letzlich in Ubud geblieben bin, holt mich Wayan, mein zuverlässiger Fahrer, morgens ab. Es ist der 20. Oktober. Taggenau vor einem Jahr hatte ich die „Eingebung“ zu der Reise – der Anfang von allem. 365 Tage und über 12.000 Kilometer weit bin ich nun von jenem Tag entfernt und habe es also tatsächlich durchgezogen. Ich kann es manchmal immer noch nicht richtig fassen.

Wayan fährt mich zum Hafen in Sanur und hilft mir dankenswerterweise mit dem Überfahrtticket zur Insel Lembongan. Vermutlich wäre ich alleine auch etwas überfordert gewesen. Ich werde zum Strand gefahren, darf mein Gepäck neben ca. fünzig anderen Koffern, Taschen und Rucksäcken auf einer Plane im Sand abstellen, warten und dabei zusehen, wie eine Handvoll Männer teils zwei bis drei riesige Gepäckstücke auf einmal zum Boot tragen und es darauf hieven. Das habe ich so auch noch nie erlebt. Anschließend dürfen die Passagiere an Bord. Vorher müssen wir jedoch die Schuhe ausziehen und in einen großen Korb legen, da es ein Stück durch das Wasser geht. Wie gut, dass ich lange Hosen anhabe, die sich auch nur bis zum Knie hochkrempeln lassen 🙄 Die Überfahrt dauert etwas länger als eine halbe Stunde und trotz Partymucke döse ich ein. Ich bin schon wieder so dauermüde. Bei Ankunft traue ich meinen Augen kaum, denn so türkisfarbenes Wasser habe ich definitiv noch nie gesehen. Wow, ich bin mal wieder in einem Paradies gelandet! Wieder geht es durch das Wasser und dann heißt es Schuhe suchen. Die finde ich auch – klatschnass. Scheinbar ist der Korb ins Wasser oder einer Welle zum Opfer gefallen. Es folgt nun alles in umgekehrter Reihenfolge und irgendwann sitze ich auf einem kleinen Transporter, der einem Safari-Jeep ähnelt und der die Gäste auf der Insel in ihre Unterkünfte fährt. Ansonsten gibt es hier keine Autos, nur Roller. Ich komme an meinem Gästehaus an, stehe in einem schön angelegten Garten, direkt neben einem Tempel, finde meine Zimmernummer plus ein paar Infos auf einer kleinen Tafel. Fünf Zimmer sind es insgesamt und ich scheine gerade gänzlich alleine auf diesem Grundstück zu sein. Der Schlüssel steckt. Es ist nett und doch, wie soll ich sagen, anders. Das Zimmer hat eine Terrasse, ist ebenerdig. Das Bad ist halb open Air, was für den ersten Abend bedeutet, dass ich es nicht betrete. Ich habe schon tagsüber so mancherlei kriechendes Getier darin entdeckt inklusive Mosquitos. Abends mit Licht? Nein, danke. Hatte ich geschrieben, wie gut ich in Einfachheit leben kann? Muss ein sehr positiver, euphorischer Tag gewesen sein 🤣 Trotzdem überlebe ich auch die Spinne in meiner Haarbürste, wobei ich sie sicher nie wieder benutzen werde, ohne sie vorher zu inspizieren 😆
Ich schaue mir die Gegend ein wenig an und merke, dass ich hier zu Fuß völlig aufgeschmissen bin. Ich werde nicht umhin kommen, mir einen Roller zu mieten. Auch das habe ich, Dank einer lieben Kollegin, vor meiner Abreise noch gelernt und trotzdem macht das ganze 24 Stunden lang etwas mit mir. Vermutlich steckt ein Trauma dahinter, bei dem ich mir als Kind eine schwere Verbrennung an einem Mofa-Auspuff zugezogen habe. Also versuche ich, „der kleinen Tanja“ zu erklären, dass ich jetzt erwachsen bin, inzwischen weiß, wo sich das Gas befindet und schließlich sehr umsichtig und achtsam im Verkehr bin. Am nächsten Tag lassen wir uns dann zusammen darauf ein 😊 Da wird mir also ein Roller hingestellt, einen Führerschein braucht es nicht und Helm trägt hier auch keiner. Und so tuckere ich los. Linksverkehr habe ich nach drei Monaten verinnerlicht und da ja außer den Transportern keine PkWs auf der Insel sind, werde ich das ja wohl hinkriegen. Tue ich auch, bis zum nächsten Strand, an den ich zufällig gelange, weil die Straße endet 😆 Ein schöner Strand der „Mushroom Beach“ und ich merke, wie ich am liebsten ewig bleiben würde… wegen der Rückfahrt. Himmel, was ist das nur. Zwei Stunden, dann zwingt mich die Sonne, zu gehen. Ich winde mich und trinke daher noch zwei Milchshakes. Alles klar, hilft ja nix. Und, ach Wunder: ich schaffe auch die Rückfahrt. Kommt mir ein Transporter entgegen, mache ich langsam oder bleibe stehen, auch, wenn mir Deutsche auf der falschen Straßenseite mit dem Roller entgegen kommen 😅 Am nächsten Tag übe ich das Kurvenfahren und wie ich Wege mit Schlaglöchern und Geröll befahre. Wird. Heute wähle ich den „Dream Beach“, auch nicht schlecht, aber unter dem Namen und den zugehörigen Beschreibungen hatte ich doch eine andere Erwartung. Wieder schaffe ich, und das als Südländerin und Sonnenanbeterin, nicht mehr als zwei Stunden in der brütenden Sonne.
Abends lade ich mir zur Abwechslung einen Film herunter. Erst der zweite bisher, immerhin. Der erste war „Eat Pray Love“, als ich krank im Bett lag. Und ich war ganz begeistert, da ich so Vieles auf Bali wieder erkannt habe. Wie Nang mir erzählt hat, hat der Heiler aus dem Film in nächster Nähe gewohnt, ist allerdings letztes Jahr verstorben. Auf jeden Fall scheint der heutige Film gewaltig etwas in mir auszulösen und ich weiß gar nicht recht, wie mir geschieht. Da taucht so eine unglaubliche Traurigkeit auf. Und ganz viel alter Schmerz. Ich weiß ja, dass „dagegen angehen“ es nur schlimmer macht, also lasse ich mich darauf ein und all die Tränen fließen. Hört sich schräg an, ist am Ende aber sehr wohltuend. Irgendetwas durfte sich auflösen, was mir regelrecht körperlich zu schaffen gemacht hat. Ich fühle mich vor dem Schlafengehen schon deutlich besser, am nächsten Morgen wie frisch geboren. Da ist eine neue Freiheit, die ich heute vor allem auf dem Roller spüre. Ich fahre, als wäre ich nie etwas anderes gefahren. Ich pese über die gesamte Insel, kenne mich schon richtig gut aus und finde es einfach nur genial. Schon gut, wenn man sich seinen Ängsten stellt 😉 Ich bekomme auch umgehend eine Belohnung: den schönsten Strand ever. So weißer Sand, dass er in den Augen blendet, türkisblaues Wasser, wolkenloser Himmel und das ganze fast für mich alleine 😍 Ein Traum. So schön er auch ist, geht auch heute keine Minute länger als zwei Stunden und ich bin so richtig verbrannt, trotz LSF50! Ich glaube, morgen lasse ich das mit Strand mal sein und widme mich dem Sightseeing.
Das mache ich auch und fahre mit dem Roller über die gelbe Verbindungsbrücke auf die Insel Ceningan zur „Blauen Lagune“ und bin tief beeindruckt. Von der ganzen minikleinen Insel. Der Aussicht, dem Meer, diesen unbeschreiblich intensiven Farben, den kleinen Kiosken, winkenden Einheimischen und netten Unterkünften. Glaubt mir, hier möchte man die Wintermonate verbringen 😉
Zurück auf Lembongan fahre ich zum „Devil’s Tear“, einem Naturschauspiel in einer Bucht. Es würde mich nicht wundern, wenn der Teufel hier tatsächlich selbst zu Gange ist, denn die Macht, um nicht zu sagen, Gewalt der Wassermassen, die hier gegen die Felsen donnern, sind in Worten kaum zu beschreiben. Fast hat es etwas Bedrohliches, scheint auch nicht ungefährlich, den überall angebrachten Warnschildern zu Folge. Ohnehin sehe ich heute unglaubliche, teils sehr hohe Wellen und möchte mir gar nicht ausmalen, wie ein Tsunami sein muss. Ich sehe auch Schilder, die Fluchtwege für diesen Fall anzeigen. Ich habe ja unglaublichen Respekt vor Wasser und auch hier fallen mir ein, zwei Geschichten aus meiner Kindheit ein. Das ist der Grund, warum ich nie tauchen wollte und mich selbst mit schnorcheln unglaublich schwer tue. Aber vielleicht gelingt es mir auf der Reise, auch dieses Hindernis noch zu überwinden.

Ansonsten ist heute ein seltsamer Tag. Ich habe versucht, mich bezüglich Thailand zu organisieren und fühle mich irgendwie überfordert, weiß gerade gar nicht, wo genau ich hin will, was ich machen möchte. Dann sehe ich, was meine herumreisenden Bekanntschaften so alles machen und frage mich, ob ich langweilig bin. Oder ist es das Alter? Bin ich schon reisemüde? Habe ich Heimweh? Ich finde keine Antwort und da mir nichts anderes übrig bleibt, nehme ich auch das einfach an. Gönne mir Ruhe, schlafe viel und werde heute Mal bewusst den Vollmond wahrnehmen. Vielleicht hat er ja eine Antwort…

 

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