Ich lande neun Stunden später in Phuket und merke auf der Fahrt schnell, dass es in Thailand verkehrstechnisch um einiges geordneter läuft als auf Bali und dass alles irgendwie fortschrittlicher wirkt. Ich komme in meinem Poshtel an und werde herzlich von Ping, einem jungen „Geschäftsmann“, und seiner lieben Freundin Keh (sprich: Keji) empfangen. Ich wusste bis zu diesem Moment nicht, was ein Poshtel ist und recherchiere. Posh heißt soviel wie „schick“ und es handelt sich demnach um ein schickes Hostel, ein sehr schickes sogar. Es hat auch erst vor zwei Monaten eröffnet, so dass alles hochmodern, neu und supersauber ist. Na das kommt mir doch sehr entgegen  😉 Wie ich mir ein Wasser hole, höre ich zwei Jungs deutsch reden und spreche sie kurz an, gehe dann aber und setze mich draußen ein wenig hin. Später kommt Philipp, der mich übrigens irgendwie an Maxi erinnert, ihr wisst, mein Erstkontakt auf den Perhentian Islands und dem ich bis heute dankbar bin. Philipp macht es genau so und fragt, ob ich Lust habe, mit essen zu gehen. Hunger habe ich keinen, aber denke, dass Kontakte mal wieder schön sind und gehe mit. Philipp erinnert an einen jungen Hippie und genau so scheint er auch zu reisen und zu leben. Total lebenslustig, seit zwei Jahren unterwegs, arbeitet zwischendurch immer wieder, liebt das Gitarre spielen und lässt sich einfach durch und durch auf alles ein, was das Leben ihm bringt. Morgen geht es für ihn auf die Phi Phi Islands, wo er als Animateur für ein Hotel arbeiten wird. Und ich solle mich ruhig melden und kann gerne dort vorbei schauen. Auf dem Rückweg kommen wir in einen sintflutartigen Regenschauer und ich schenke Philipp noch einen Regenponcho, dass er die Fährfahrt übersteht, falls der Regen nicht nachlassen sollte. Nichts dergleichen, strahlender Sonnenschein am Tag darauf. Er wird ihn dennoch bestimmt mal brauchen, denn diese meist kurzen Regengüsse scheinen hier nicht unüblich. Beim Frühstück unterhalte ich mich mit Rania aus England und Cathleen aus Kanada. Auch Mikail [Name geändert] sitzt irgendwann dabei, fragt, was ich heute vorhabe und ob ich nicht Lust hätte, Cathleen mit auf die Insel Koh Yao Yai zu begleiten und den Tag dort zu verbringen. Hm, oh ne, bin doch erst angekommen, wollte es eigentlich ruhig angelassen und sage daher ab. Ein paar Minuten später fällt mir ein, dass man nicht die Dinge bereut, die man tut, sondern die, die man nicht tut und sage ihm, dass ich doch mitkomme. So nehmen wir uns zu dritt ein Taxi und schließlich ein Speedboat, helfen Cathleen mit ihrem Gepäck, bis sie schließlich mit dem Roller (!) am Pier abgeholt wird. Auf dieser Insel gibt es kaum Verkehr, was wir gut finden, denn wir nehmen auch einen Roller und fahren einfach darauf los. Denken, die Insel ist ja nicht so groß und bis zur letzten Überfahrt um 16 Uhr haben wir ja ein paar Stunden Zeit.

Eine herrlich grüne Insel und immer wieder der Blick auf die verstreuten Felseninseln im Meer, die teils im Dunst liegen und einfach nur unglaublich schön aussehen. Ein wenig erinnert es mich an die Küstenstraße in Kroatien, von der man einen ähnlichen Ausblick hat. Wie auf Ceningan gibt es auf Koh Yao Yai viele kleine Lädchen und Einheimische, die uns winken oder bedeuten, bei ihnen zu essen. Mikail lerne ich quasi auf dem Roller kennen. Er ist 21, Deutsch-Türke, geboren in Deutschland, lebt auch dort und… ist wegen mehrfacher Körperverletzung vorbestraft. Eigentlich erzählt er zuerst, dass er mal festgenommen wurde, weil er eine Ente geklaut hat, worauf hin ich frage, ob er jetzt vorbestraft ist. Als er bejaht und gleichzeitig sagt, es sei nicht wegen der Ente, muss ich schon ein wenig Schlucken, wenngleich ich deswegen keine Angst habe. Er fährt gut und ich fühle mich sicher, auch wenn ich ihn immer wieder bitte, langsam zu machen, vor allem wenn kleine Bodenschwellen kommen, die ich scheinbar vor ihm wahrnehme. Wir verstehen uns gut und ich gebe dem Gehörten keine Macht.
Wir kommen an den südlichsten Punkt der Insel, zu der wir am Ende über viel Geröll gelangt sind. Es führt inzwischen durch Gestrüpp und wir fragen Einheimische, die an großen Fischerkäfigen arbeiten, ob es denn weiter geht und sie schicken uns weiter. Hm, wir wundern uns und lassen den Roller für das letzte Stück mal lieber stehen. Gut so, denn wir wären nicht einen Meter weiter gekommen. Durch das dichte Gestrüpp und Matsch hindurch kommen wir an eine kleine Bucht mit herrlicher Aussicht, weit und breit keine Menschenseele. Wir setzen uns einen Moment auf die Felsen und ich lasse Mikail erzählen. Seine Freundin wurde in einem Club von mehreren Männern belagert und begrapscht und da ist er durchgedreht. Ich kenne die andere Seite: eine liebe Freundin, die in einem Club Opfer solcher Aggressionen geworden ist und muss erneut schlucken. Ich verstehe das Verhalten noch nicht und bekomme das alles auch nicht sortiert, denn Mikail ist so freundlich und höflich, was auch keineswegs aufgesetzt wirkt. Wir fahren zurück durch das Gestrüpp und über das Geröll, bis wir schließlich einem Weg folgen, der sandig ist. Weniger lustig, da der Roller immer wieder ins Rutschen gerät, aber Mikail schafft das und dieser Weg führt uns zu einem fast unbeschreiblichen Strand. Mega Aussicht auf andere Inseln, heller Sand, sauberes ruhiges Wasser und erneut: niemand außer uns. Wir gehen schwimmen und hier könnte ich definitiv stundenlang im Wasser bleiben. Wir sonnen uns auch ein wenig, um zu trocknen und Mikail erzählt mir Teile seiner Geschichte. Auf vorsichtiges Nachfragen über den Tag verteilt schließlich ganz. Er hat seine Eltern durch einen betrunkenen Geisterfahrer bei einem Unfall verloren, als er drei Jahre alt war. Er konnte nur wenige Monate bei seiner Tante leben, die selbst mit dem Verlust der Schwester nicht klar kam und zudem MS hatte. Der Vater wiederum hatte seine Geschwister einst bei einem Erdbeben in der Türkei verloren und so gab es keine andere Möglichkeit als ein Heim für Waisenkinder. Dort wurde er drei Jahre lang misshandelt. Die Kinder wurden geschlagen und insgesamt sehr schlecht behandelt, auch untereinander herrschte viel Aggression. Ein Mal musste er mit seinen Verletzungen zum Arzt. Ein Ehepaar, dem das dort aufgefallen war, hatte sich beim Arzt nach den Geschehnissen erkundigt, der aufgrund der Schweigepflicht keine Aussagen gemacht hat. Es ging über mehrere Wochen und Monate, in denen das Paar insistiert hat und schließlich zumindest die Auskunft bezüglich des Heimplatzes erhielt. Das sind Mikails heutige Eltern, die bereits zwei Kinder hatten, seine Schwestern. Der Vater hat die türkische Sprache und die Inhalte des Islam erlernt, um Mikail möglichst nah an seinen Wurzeln zu erziehen. Nach diesen Erzählungen schlucke ich noch mehr.

Als wir vom Strand wegfahren, kommt es, wie es kommen musste: dieses Mal haut es mich bei der Fahrt durch den Sand vom Roller. Aber ich lande weich, muss einzig ein wenig widerspenstiges trockenes Gras von mir entfernen und wir lachen darüber. Ohnehin haben wir viel Spaß und einiges zu lachen. Wir fegen weiter über die Insel und merken, dass sie viel größer ist, als wir dachten und kommen in zeitliche Bedrängnis, denn das letzte Speedboat fährt ja um vier. Als wäre das nicht genug, verfahren wir uns auch noch mehrfach. Irgendwie sieht alles ähnlich aus und wir haben nicht nur die Zeit vergessen, sondern auch die Orientierung verloren 😬 Eigentlich wissen wir, dass wir es nicht rechtzeitig schaffen können und ich sehe uns schon auf der Insel übernachten. Ich bestehe noch darauf, dass wir für die Rückfahrt ein Bierchen kaufen, denn das haben wir uns nach dem Tag verdient, holen wir auch. Je nervöser Mikail wird, desto mehr muss ich lachen. Ich kann das gar nicht mehr steuern und lache, dass mir Leute am Straßenrand schon hinterher schauen. Ich meine, wer mich kennt, kennt mein Lachen 😆 Selbst auf den letzten Metern finden wir den Weg nicht und ein junger Thai fährt uns auf dem Roller voraus. Da wir auf dem Hinweg nicht pünktlich losgefahren sind, bleibt noch etwas Hoffnung, doch 16:15 Uhr ist einfach zu spät, das Boot ist weg. Zwar können die beiden, bei denen wir den Roller wieder abgeben nicht gut Englisch, doch mit Händen, Füßen und Gesten verstehen sie unsere Not, telefonieren und sagen, wir sollen zum Pier, um 16:40 Uhr würde uns das Speedboat einer anderen Insel mitnehmen. Ich bin beeindruckt und dankbar, auch für das Bier, das wir nun genüsslich am Pier schlürfen, während wir weiterlachen, den Tag Revue passieren lassen und Mikail mir noch mehr aus seinem Leben erzählt. Die Rückfahrt im Sonnenuntergang ist außergewöhnlich und hätten wir bei Pünktlichkeit niemals erlebt.
Während wir auf das Taxi warten, kann ich mal wieder Affen dabei beobachten, wie sie ganze Mülltonnen umwerfen und sich Essbares daraus ergattern. Immer wieder interessant und schön dabei zuzuschauen.

Nach einer ausgiebigen Dusche im Poshtel wollen wir noch Essen gehen. Ein erneuter Platzregen mit Donner, dass es mich fast vom Stuhl haut, hält uns ab. Ich frage, ob es nicht auch einen Lieferservice gäbe, gibt es, wir bestellen. Krabbencurry in höchster Qualität, allerdings auch in höchstem Schärfegrad. Anfangs geht es noch, wie ich finde, während Mikail schon schwitzt wie in der Sauna und Toast dazu nimmt, um es abzumildern. Ein fataler Fehler bringt ihn fast um: er schluckt einen ganzen Löffel pur 😅 Er steht auf, hört nicht mehr auf zu husten, wird knallrot und obwohl ich lache, kann ich nicht einschätzen, wie schlimm es ist. Keh und die süße Tante von Ping versuchen mit warmem Wasser und anderen thailändischen Tricks zu helfen. Irgendwann geht es auch wieder, bei Mikail, während inzwischen bei mir die Schweißausbrüche kommen, selbst aus den Augen. Ohne Spaß. Das habe ich noch nie erlebt und bekomme Respekt vor thailändischem Essen, das scheinbar gerne mal scharf ist. Am Ende lachen wir trotzdem, weil dieser Abschluss irgendwie zu diesem ausgefallenen Tag passt. Völlig geplättet, aber zufrieden gehe ich schlafen. In einem Bett, das glaube ich gemütlicher ist als mein Eigenes.