Es war der 5. Juli diesen Jahres, als ich spät nach Hause kam und einen verpassten Anruf meiner lieben Freundin Ute hatte. Auf Nachfrage schreibt sie einzig: „Danke für Rückruf. Ich musste was entscheiden und hab’s schon getan ☺😉“. Sie klingelt dann doch durch, sagt mir aber nicht worum es geht und ich bin total freudig aufgeregt. Sie sagt, sie wird mich dann daran erinnern, wie ich mich in dem Moment gefühlt habe. Etwa zwei Wochen später bringt eine Aussage von mir sie dazu, es mir zu verraten, obwohl sie das zum Abschied tun wollte: sie hat, zusammen mit ihrem Mann Achim, einen Flug nach Thailand gebucht, um mich zu besuchen 😍 Und heute ist der Tag, an dem sie kommen und mich sogar im Poshtel abholen.

Vorher lerne ich beim Frühstück noch Tommaso und Filippo, ein italienisches homosexuelles Pärchen, das ein paar Jahre in London gelebt hat, kennen. Seelen von Menschen. Ein Gefühl, jemanden zu treffen und sich auszutauschen, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt und als wäre es schon immer so gewesen. Menschen, die zufällig in Dein Leben purzeln und Du einfach nur hoffst, dass sie absichtlich darin hängen bleiben. Genau so ist es mit den beiden. Auch unsere Wege scheinen sich wieder zu kreuzen, da wir zur selben Zeit in Chiang Mai zum Lichterfest sein werden. Wie ich mich freue und hoffe, dass das klappt.

Ich laufe nochmals in die Altstadt, da ich noch ein bestimmtes Weihnachtsgeschenk kaufen möchte und esse unterwegs noch eine Kleinigkeit in einem der „Garagen-Restaurants“, von denen es auch reichlich in Thailand gibt. Ich beobachte ein kleines Mädchen, das beim Kochen hilft und frage, ob ich sie fotografieren darf. Sie lächelt verschmitzt und ich glaube, sie freut sich. Es dauert nicht lange, da setzt sie sich mit einem Blatt Papier zu mir und faltet es zu einem Flieger. Anschließend falte ich ein Boot und sie tut es mir nach. Wir können uns zwar nicht verständigen, lächeln uns jedoch immer wieder an – die schönste Sprache der Welt, die jeder versteht! Das sind die kleinen wertvollen Geschenke des Lebens.
Auch mit Mikail gehe ich an diesem Tag noch essen, in ein ganz zauberhaftes Restaurant, in dem sonst nur Einheimische essen; ein gutes Zeichen, wie ich finde. Mikail besteht darauf, mich zum Abschied einzuladen. Es fällt mir schwer, doch ich nehme es an und freue mich über unser heutiges Curry, das wir in „nur ein bisschen scharf“ bestellen 😉 Mit einem Herzensdrücker gehen wir auseinander.

Ich packe, warte und dann ist es soweit. Ich springe kreischend über den Hof, als Ute & Achim ankommen, kann es gar nicht glauben, empfinde es als völlig surreal und freue mich einfach nur noch. Sind es doch die mir mit am nächsten Stehenden und fast ein bisschen wie Familie. Ute und ich haben uns vor fast taggenau neun Jahren kennen gelernt und sind dann zufällig in der gleichen Coaching-Ausbildung in Köln gelandet. Während ich beim Kennenlernen, milde gesagt, nichts mit ihr anfangen konnte, ging es während der ersten Ausbildungstage dann ganz schnell, hatten wir doch äußerst ähnliche Themen zu der Zeit 😆 Ohne Ute wäre ich heute nicht da, wo ich bin, nicht die, die ich bin. Ich durfte so viel von, aber auch mit ihr lernen und bin einfach nur dankbar, dass es sie in meinem Leben gibt. Es gab Zeiten, da kam sie eben mal aus Köln gefahren, um tröstend bei mir zu sein, als es mir schlecht ging. Wir haben Nächte durchtelefoniert und es gibt wohl keinen zweiten Menschen, der so viel über mich weiß und mich einfach mit all meinen Gedanken, Gefühlen und Emotionen kennt, vor allem aber auch genau damit annimmt, ohne Wenn und Aber. Und Achim ist mein „Seelenbrüderschen“. Dem ist nicht mehr hinzuzufügen 😊

Wir fahren mit dem angemieteten Auto in das Appartement, das Ute für uns mitten im Regenwald ausgesucht & gebucht hat und wir finden gleich am ersten Abend ein tolles Restaurant, in dem ein Saxophon-Spieler für die beiden den Urlaub, für mich einen neuen Abschnitt einläutet. Das ganze getoppt von hervorragendem Essen und ich habe wieder einen dieser ganz besonders erfüllten, glücklichen und dankbaren Tage.

Und weil wir uns so lange nicht gesehen haben, reden wir noch die halbe Nacht, bevor wir einfach nur müde ins Bett fallen.

Phuket ist eine richtig große Halbinsel. Auch wenn ich nicht den blassesten Schimmer habe, vermute ich, dass sie ähnlich groß ist wie Istrien. Auch hier ist man ohne Auto aufgeschmissen und so fahren wir kreuz und quer über das Land. Vorbei an unglaublich schönen Stränden & Buchten, an grünen Hügeln und Wäldern, an Buddha-Statuen und Tempeln und uns kommen nicht nur viele Autos & Roller auf der Straße entgegen, sondern schon auch mal ein Elefant 🤣 Sicher hätten wir den Banana Beach auch auf direkterem Wege finden können, aber mit der Beschilderung und den Einfahrten der Straßen ist das hier nicht so einfach… Am traumhaften Seychellen-ähnlichen Strand angekommen, gibt es erst mal frische Kokosnuss und dann gilt es, einfach zu genießen – die Aussicht, das Wasser, das (Zusammen-)Sein.
Über unser Abendprogramm freue ich mich wie ein Kleinkind an Weihnachten, denn wir fahren zum Nachtmarkt in die Altstadt, was zwar wieder ein ganzes Stück Fahrt bedeutet, doch: wir sind mit Tommaso und Filippo verabredet. Letzterer hat heute auch noch Geburtstag. Manchmal kann es mit einem Wiedersehen dann doch schneller gehen als man denkt. Wir holen die beiden im Poshtel ab, wo ich auch Mikail wieder treffe. Es geht ihm überhaupt nicht gut. Er hat Angst, sich Malaria eingefangen zu haben, was bei seinen vorherigen Destinationen eigentlich ausgeschlossen ist und er selbst hofft, dass es „nur“ ein fieser Virus ist. Meine Vermutung ist ja, dass sein Körper nach den letzten Tagen einiges zu „verarbeiten“ hat… 😬

Der Markt, wie er da beleuchtet zwischen den bunten Häusern liegt, ist ganz zauberhaft und wir holen fast an jedem zweiten Stand im Wechsel etwas zu essen und teilen es uns, damit wir möglichst viel probieren können – Deftiges, Einheimisches, Unbekanntes, Gewürztes, Scharfes, Fruchtiges und Süßes. Ich wusste von vornherein, dass das mit uns allen passt und da schlendere ich also mit alten und neuen Freunden durch den rundum farbenfrohen, entzückenden Abend und strahle bis über beide Ohren.

Die nächsten zwei Tage fahren wir weiter große Teile der Halbinsel ab, wobei jetzt der Süden im Fokus steht: Nai Harn Beach, Kata Noi Beach, der Phuket Fish Market in Chalong und mehr zufällig landen wir auch am Patong Beach, wo gerade Karneval gefeiert wird und ausgerechnet wir Drei landen hier, nachdem wir Anfang des Jahres zusammen in Köln gefeiert hatten 😄 Allerdings erkennen wir noch nicht, was Karneval hier eigentlich bedeutet. Es gibt eine große Bühne mit DJ inklusive Tanzshow und wieder aberviele Stände am Strand entlang, wo wir uns wieder ordentlich „durchfressen“ 😋 Mehr ist das dann wohl nicht. Vom Rest des Ortes bin ich allerdings regelrecht geschockt – S’Arenal mit seinem Ballermann ist nichts gegen das hier, wobei hier auch ein Hauch dessen in der Luft liegt, für das Thailand lange bekannt war. Und man sieht auch nicht wenige der „älteren Herren mit Bauch“ in Begleitung einer jungen hübschen Thai oder darf ich auch mal schreiben „alte Lustmolche“, wobei ich eigentlich „alte Säcke“ meine 😅 Dazu so viele Ramschläden, laute Musik, grell-kitschiges Licht, weniger ansprechendes Essen, das gefühlt seit Tagen auf dem Grill oder im gleichen Fett liegt, volle Straßen, Fakes an jeder Ecke und eine ganz seltsame Klientel. Okay, haben wir also auch das gesehen, braucht kein Mensch, also ich nicht.

Insgesamt finde ich, nach Bali natürlich ein bisschen fies im Vergleich, fehlt hier auf der thailändischen Halbinsel Phuket irgendwie der Charme. Mit Ausnahme der Altstadt und den schönen Stränden hat man ansonsten das Gefühl, es liegt alles in westlicher Hand. Große Hotel- und Bungalowanlagen mit einem entsprechenden Drumherum, in das sicher nicht die lokalen Thailänder investiert haben, um es in diesen Dimensionen aus dem Boden zu ziehen. Und es wird weiter an jeder Ecke gebaut. Ich denke an die älteren Generationen, die hier ganz natürlich und ursprünglich aufgewachsen sind – wie es ihnen in diesem Trubel wohl gehen mag und wie sie sich fühlen. Da muss man sich doch im eigenen Land irgendwie verdrängt und fremd fühlen.

Daher unterstützen wir gerne genau diese Menschen und kaufen auch am Straßenrand liebevoll und frisch zubereitetes Essen. Ein Mal nehmen wir es mit an einen gänzlich leeren Strand, an dem wir später Zeuge eines unglaublichen Naturschauspiels werden. Bewölkt ist ohnehin fast dauerhaft, was gar nicht schlecht ist, da man es sonst kaum ertragen kann. Letzte Woche habe ich 37,6 Grad erlebt… heftig. Auf jeden Fall wird es in der Ferne und über den Bergen immer dunkler. Und je mehr sich der Himmel von grau über dunkelblau bis schwarz einfärbt und die Wolken wie dicke Rauchschwaden immer näher kommen, desto blau-grün-mint-türkiser wird das Wasser. Die ersten Blitze gehen am Horizont herunter, noch ein bisschen schauen wir zu und kommen dann gerade noch schnell genug ins Auto, um nicht klatschnass im herabstürzenden Regen zu stehen. Abgefahren.

In den ersten Tagen haben wir so unglaublich viel gemacht, gesehen, ausgekostet und sind ordentlich viele Kilometer zusammen gefahren, dass ich am vierten Abend merke, nachdem wir noch zum „Big Buddha“ fahren und den gesamten Süden bei sternklarem Himmel vom höchsten Punkt der Halbinsel aus bewundern können, dass ich völlig erschöpft bin. Und in diesem Moment wird mir klar, was den Unterschied zwischen Urlaub und Langzeitreise ausmacht. Im Urlaub rennst Du anfangs immer noch funktionierend, organisierend, alles auf die Reihe kriegen und abhaken wollend im Hamsterrad, während Du mit mehr Zeit so entspannt bist, dass Du mit „Stress“ gar nicht mehr umgehen kannst, vom Wollen ganz zu schweigen. Das nehmen dann auch Ute & Achim wahr und wir freuen uns schließlich alle über zwei absolut gechillte Tage, die daraufhin im „Café del Mar“ am schönen Kamala Beach folgen. Zusammen hängen wir auf dem 1,60 Meter breiten Sonnenbett ab, lassen uns am Strand massieren, genießen das Essen, das Meer und die unbeschreiblichen Sonnenuntergänge. Ich rede natürlich unendlich viel mit Ute, erzähle ihr all die Dinge von meiner Reise, die aufgrund der Menge im Blog keinen Raum finden, wie ich mich fühle, was mich beschäftigt. Umgekehrt höre ich vom manchmal kaum erträglichen (Arbeits-)Alltag, den Gedanken um die mittel- und langfristige Zukunft, den Wünschen und Sehnsüchten. Momente, in denen mir bewusst wird, wie weit weg ich bin, nicht nur geografisch und wie gesegnet mit dieser Auszeit, gefühlt auch genau zur richtigen Zeit.

Am letzten Abend bin ich so emotional, dass ich bei meinen Dankesworten, die ich an Ute & Achim richte, schon weinen muss. Am Flughafen ist es nicht anders. Wie traurig es ist, Menschen zu verabschieden, die einem so viel bedeuten, die man so lieb hat, denen man so unendlich dankbar ist. Umarmungen, aus denen man sich nicht lösen möchte, weil sie einem so viel Geborgenheit und Vertrautes schenken. Und genau in diesem Moment vermisse ich auch meine Familie, meine anderen lieben Freunde, ein Zuhause…