Auf der Rückfahrt machen mir die 762 Kurven überhaupt nichts aus, obwohl der Fahrer die Serpentinen mit einer Rennstrecke zu verwechseln scheint. In einer Situation fehlen noch zwei Meter, die uns von einem Frontalzusammenstoß trennen. Ich schreie auf, denn ich bin heute quasi Beifahrerin, ein Mädchen im Minibus weint 😟 Nach einem kurzen Stopp und drei Mal durchatmen ist bei mir alles wieder okay und ich genieße erneut die Landschaft und meine Revue passierenden Gedanken. Und da ich so glücklich in Asien bin und immer noch nicht euphorischer bezüglich Australien, kommt mit der Impuls, einfach länger in Asien zu bleiben. Immerhin gibt es noch ein paar interessante Länder, die von Thailand auch gar nicht so weit entfernt sind, wie beispielsweise Laos, Myanmar oder Kambodscha…

In Chiang Mai kriegt der nette Mann den Zuschlag, der fragt, wie viel ich zahlen kann 😆 und ich fahre erstmals in einem motorisierten Tuktuk und habe richtig Spaß daran. Im Hostel werde ich absolut freundlich empfangen und melde mich gleich für einen Workshop am nächsten Tag an, an dem man sein eigenes „Krathong“ für das große Lichterfestival gestalten kann. Hier wohne ich in einer „Kabine“, in der ein Bett steht und Platz für das Gepäck ist, mehr nicht, aber Vorhang zu und Du hast dennoch ein wenig Privatsphäre.
Heute ist der erste große Tag des Festivals und ich bin schon ganz aufgeregt. Ich versuche, mit Aaron und Noam einen Treffpunkt auszumachen und hoffe darauf, auch all die anderen zu treffen, von denen ich weiß, dass sie hier sind: Ingrid, Petra, Tommaso und Filippo und viele andere. Aber mich beschleicht schon das Gefühl, dass die Stadt zu groß ist und heute Abend auch zu voll sein wird. Ich möchte dennoch zuversichtlich bleiben.
Nach einer Dusche und einem Moment des Ausruhens mache ich mich also auf in die Stadt und steuere, wie vereinbart, eine der Brücken an, von denen aus das Meiste zu sehen sein soll. Wie ich auf die Hauptstraße gelange und den Trubel erblicke, schwindet meine Zuversicht. Mehrere Hundert Stände säumen die Straßen. Neben allen möglichen Leckereien, werden hier insbesondere auch Laternen und „Krathongs“ verkauft. Das sind übrigens Blumengestecke mit einer Kerze und drei Räucherstäbchen, die an diesen Tagen traditionell auf das Wasser gelassen werden, um sich von allem Schlechtem aus dem vergangenen Jahr zu lösen. Man lege noch ein Haar, ein Stück Fingernagel und eine Münze hinein und es ist alles berücksichtigt, was das Ritual braucht, damit sich die Wünsche bezüglich Gesundheit, Liebe, Reichtum erfüllen 😊 Ich bin mir sicher, meine Wünsche gehen auch ohne das Hinzutun dieser Dinge in Erfüllung 😄

Ich schiebe mich durch die Menschenmengen und gelange schließlich nicht nur an, sondern auch auf die Brücke. Ich kann niemanden entdecken, dafür in der Ferne die ersten Laternen, die in den Himmel steigen. Und es werden immer mehr und mehr, auch auf der „Iron Bridge“, auf der ich stehe, entzünden Menschen diese ebenfalls und schicken sie los mit ihren ganz eigenen Wünschen. Jetzt werde ich ein bisschen traurig, weil ich erkenne, dass es chancenlos ist, jemanden zu treffen und es ja irgendwie doch schön wäre, einen solchen Moment zu teilen. Der Abend ist jedoch zu besonders, um mich da hinein zu steigern und so nehme ich den Weg über die Brücke, um auf der anderen Seite ans Wasser zu gelangen. Auch hier ist Einiges geboten: neben den kulinarischen Angeboten, gibt es hier auch kleine Musik- und Tanzaufführungen, beleuchtete Tempel und unglaublich viele bunte Laternen, die überall hängen und eine ganz besondere Atmosphäre zaubern. Ich kaufe mir ein „Krathong“, die man schon für umgerechnet 2-3 Euro bekommt und gehe damit zum Wasser. Dort bleibe ich mit offenem Mund stehen, denn es sind nicht nur viele Lichter, die auf dem Wasser schwimmen, inzwischen ist der Himmel ein einziges Lichtermeer, dazu der kugelrunde, leuchtende Vollmond. Die Laternen, die immerhin ca. 80-100 cm hoch sind, sehen im Himmel aus wie Sterne – die der Erde ganz nah sind. Wow, was für ein Anblick, was für ein emotionaler Moment. Ich nehme mir Zeit – zum Staunen, Beobachten und an all die Menschen zu denken, die mir so unglaublich wichtig und nahe sind: meine Familie, meine Freunde, meinen Vater und all diejenigen, die ebenfalls schon gegangen sind. Es fühlt sich schön an, dass das Licht zu ihnen aufsteigt. Vielleicht sollte es genau so sein, dass ich diesen Moment nur für mich alleine habe…

Noch lange gehe ich über mehrere Brücken und durch die bunten Straßen mit all diesen Menschen aus der ganzen Welt. Es wird geschätzt, dass mehr als 2 Millionen Menschen für dieses mehrtägige Festival gekommen sind. Man spricht auch vom Erntedankfest und das Ende des Mondjahres. Und es ist schön, wie gemeinsam entzündet, gewünscht und gefeiert wird. Es ist wie Silvester, nur irgendwie noch schöner, atmosphärischer 😍

Am nächsten Tag ist es wuselig im Hostel, denn wir sind bestimmt um die fünzehn, die ihre Krathongs selber machen. Die Grundlage ist eine dicke Scheibe einer Bananenstaude, die mit Bananenblättern verhüllt wird. Selbige kann man zu kleinen Pyramiden rollen und ganz unterschiedlich darauf anbringen. Dann kommen Blumen hinzu und zum Abschluss die Kerze und die Räucherstäbchen. Meine ursprüngliche Vorstellung war eine ganz andere und dann lege ich einfach los. Ich merke, dass es kein „aufgetürmtes“ Gesteck wird wie die meisten, mir kommt der Gedanke an eine Sonne und genau so sieht das Ergebnis dann aus. Ich freue mich, weil es mir richtig gut gefällt. Und ich bin nicht die Einzige. Meines wird von Micky aus dem Team am Ende als das schönste Krathong gewählt ☺ Der Preis: ein Frühstück, und das ist hier echt lecker und da es leider nicht inklusive ist, umso schöner. Oh wie ich mich freue.
Aaron meldet sich und kommt auf ein Getränk vorbei, bleibt und schließt sich der gesamten Hostelgruppe an, um gemeinsam zum Festival zu gehen, das heute seinen Höhepunkt haben soll. Da habe ich heute also ein großes Umfeld, mit dem ich alles teilen kann 😉 Die ganze Gruppe läuft nun also mit ihren Gestecken den liebenswerten Hostelbesitzern Wade & Vanessa und dem Team hinterher, anfangs noch recht einfach, als wir jedoch zum großen Umzug, der heute stattfindet, kommen, wird es schwierig, sich nicht zu verlieren. Witzig wie wir sind, reihen wir uns einfach immer wieder in den Zug ein, als wären wir ein Teil davon 🤣 Am Himmel sind wieder tausende von Laternen zu sehen und heute auch weit mehr Krathongs auf dem Wasser. Schließlich setzen wir auch unsere ab. Ein Junge schwimmt im Wasser und bringt sie ein Stück weiter hinaus, damit sie nicht am Rand hängen bleiben, sondern der leichten Strömung des Flusses folgen können. Auch wir entzünden Laternen und haben dabei viel Freude. Es passiert auch mal, dass eine in den Ästen hängen bleibt und man schon bangt, der ganze Baum brennt ab, meistens verläuft dies jedoch glimpflich. Und es kommt auch vor, dass Laternen nicht fliegen, sondern abstürzen. Das bedeutet nach dem buddhistischen Glauben ein weniger gutes kommendes Jahr. Ich hoffe, dass die Betroffenen das einfach nicht mitbekommen haben 😬 Nach einiger Zeit teilt sich die große Gruppe auf, ich ziehe mit Aaron und Duilia, einer humorvollen in der Schweiz lebenden Venezuelanerin, weiter. Wir steuern wieder eine Brücke an, von der wir den langen Zug, das leuchtende Wasser und den strahlenden Himmel sehen können. Es ist alles so liebevoll gestaltet, die Wägen glitzernd und prunkvoll, mitunter auch mal kitschig und dennoch beeindruckend. Duilia zieht irgendwann auch von dannen und so gehe ich mit Aaron wieder ein anderes Stück, das ich noch nicht gesehen hatte. Wir spüren unsere müden Füße und da es kein Alkohol auf dem Festival gibt, was ja grundsätzlich nicht verkehrt ist, steuern wir kurz vor Schließung noch ein gediegenes Restaurant an, um ein Bier zu trinken. Und gediegen hat in dem Fall Vorteile, denn von hier aus sehen wir das Feuerwerk, das es zum Abschluss des großen „Loy Krathong Festivals 2018“ gibt. Ich selbst hätte keinen schöneren Abschluss haben können – von Thailand, von Asien, von einer unendlich schönen, bereichernden, wertvollen Zeit, die ich hier erleben durfte. Was für ein Geschenk!

Es ist nach Mitternacht, als Aaron und ich zurück zum Hostel kommen und uns dort auf die Terrasse setzen. Unterwegs nehmen wir uns noch ein Getränk und Chips mit. Und so sitzen wir da und reden und reden, bis uns das Getränk ausgeht, wir das nächste holen (ich liebe die „7/11-Shops“, die es an jeder Ecke gibt und die 24 Stunden lang geöffnet haben), wieder zurückgehen und reden und reden. Mir war gar nicht bewusst, dass ich so viel englisch kann, um mit einem Amerikaner die ganze Nacht durchzuquatschen. Auch Aaron wundert sich und fragt, woher ich das kann und wie groß mein Hirn doch sein muss. Er hätte noch nie jemanden erlebt, der Dinge so detailliert beschreiben kann. Nun, irgendein Talent brauche ich ja auch 😜 Spaß beiseite, ich freue mich sehr über dieses große Kompliment. Ich versuche, ihm die deutsche Sprache zu „erklären“ und es leuchtet ihm einfach nicht ein, warum welcher Gegenstand einen vorgegeben Artikel hat. Wie wir festlegen könnten, was männlich, was weiblich und was neutral ist. Er fragt verschiedene Gegenstände ab und schüttelt nur noch den Kopf. Ich muss lachen. Ja, deutsche Sprache, schwere Sprache 🤓 Das Lachen vergeht mir dann ein wenig… da steht schon die ganze Zeit ein älterer Mann mit Gitarre auf unserer Terrasse und starrt auf die gegenüberliegende Straßenseite. Zunächst denke ich, er wartet auf jemanden, bis ich bemerke, dass er gerade dabei ist, es sich selbst zu besorgen 😳 Aaron ist noch geschockter als ich und als er mich ins Hostel ziehen will, weil er das Ende garantiert nicht erleben möchte, geht der Alte. Da erlebst Du Sachen, unglaublich. Gut, dass ich nicht alleine da saß. Wie wir dann herausfinden, sitzen gegenüber im Tattoo-Shop ein paar Mädels, die er vorher schon etwas belästigt hatte, oh man 😟
Es ist halb fünf durch, als Aaron und ich uns verabschieden und auch nur, weil ein anderer, mir unsympathischer Typ, der einen Joint raucht, nachdem er eh schon sehr angetrunken ist, uns unterbricht. Nicht schlimm, jetzt bin ich dann doch auch müde. Und dankbar, denn das war dann mal wieder einer der ganz besonders erfüllten Tage.

Das kann ich von den nächsten beiden nicht behaupten. Auch wenn ich mir die Stadt noch ein wenig anschaue und auch den Zoo besuche (um endlich mal Pandabären zu sehen), der mehr einem riesengroßen Park gleicht, quält mich die Entscheidung wegen Australien. Es klappt nichts. Ich habe einen Flug, der nachts um 2 Uhr landet, finde aber keine Unterkunft mit 24 Stunden-Rezeption, die geplanten Weiterflüge zur zweiten Etappe dort sind unbezahlbar und ich empfinde einfach nur Widerstand in jeder Faser meines Körpers. Und ich bekomme kein Gefühl dazu, woher das rührt. Ist es das Abschied nehmen von Asien und den kennengelernten Menschen oder irgendeine Form von Angst. Nichts, ich bekomme nichts dazu. Verzweifelt rufe ich meine liebe Freundin Beate an, die mir mit ihrer feinfühligen Art und Arbeit immer helfen kann und schon so oft mein rettender Engel war, auch auf der Reise. An dieser Stelle einen Herzensdank für die unbezahlbare Unterstützung und wertvolle Freundschaft! Nach dem Gespräch fühle ich mich ruhiger, beschließe jedoch, alles setzen zu lassen, eine Nacht darüber zu schlafen und morgen weiterzusehen, was zwar knapp für die Orga ist, aaaber, was habe ich gelernt? Genau, es geht alles immer irgendwie. Und tatsächlich, geradezu ein Wunder am nächsten Morgen. Ich finde ein bezahlbares Hotel in Darwin, in der die Rezeption 24 Stunden besetzt ist, werde sogar kostenfrei upgegradet und bekomme direkt einen Link für den Airportshuttle, der deutlich günstiger ist als ein Taxi. Puh, okay, dann fliege ich mal nach Australien…

Ich danke Dir, Asien für fast vier ganze, unbeschreibliche Monate, in denen es mir so gut ging wie selten, in denen ich stets sicher war, herzlich aufgenommen und gut behandelt wurde, immer auf freundliche, hilfsbereite Einheimische getroffen bin, eure Kultur, eure Rituale, eure kulinarischen Hochgenüsse (auch ohne Wein 😉) und wundervolle andere Reisende kennenlernen durfte. Heute falte ich nicht nur meine Hände zum Dank, wie ich es von euch gelernt habe, sondern verneige mich mit einem „Namasté“ ❤

 

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