Ich fahre mit dem Bus nach Noosa, das an der Sunshine Coast liegt – wohoo, so sieht es da auch aus 😍 wenngleich gerade noch ohne Sunshine 😁 Endlos lange Strände, heller Sand und ein gewaltiges Meer. Das Hostel ist nett. Die erste Nacht verbringe ich im Frauendorm, dann muss ich umziehen und das ist gut so, denn zum ersten Mal erlebe ich Zickereien. Ich bin glücklicherweise außen vor, die Stimmung ist trotzdem nicht prickelnd. Wenn „schön“ auf „burschikos“ trifft sage ich da nur. Die eine will das Fenster auf, die andere zu. Eine wieder andere die Klimaanlage an, eine vierte nicht 🙄 Gut auch, dass ich es morgens nicht ganz so eilig habe, denn diese Mädels brauchen ewig im Badezimmer. Fast muss ich schmunzeln. Abends bietet das Hostel ein Barbecue an inklusive eines Spiels, bei dem als Gewinn zwei Flaschen Wein winken. Ich komme mir vor wie in einem Landschulheim, bei dem ich allerdings die Aufsichtsperson bin 😆 Vorwiegend Deutsche im Alter zwischen 18 und 22. Man kann sich durchaus auch mit ihnen nett unterhalten und doch brauche ich auf Dauer etwas anderes und sei es das alleine sein…
Der Samstag kann schöner nicht sein, ich fahre zu einem 20 Kilometer entfernten Markt in Eumundi, der mit seinen 300 (!) Ständen vor allem Selbstgemachtes, Kunsthandwerk und allerlei Naschereien anzubieten hat. So schön, kreativ und sehr lecker. Der Ort ist ebenfalls schnuckelig, mit teils ganz alten Häusern, die fast an eine Filmkulisse aus dem letzten Jahrhundert erinnert.

Am Spätmittag frage ich an der Rezeption, wie ich zum nächsten Supermarkt komme, als der 27jährige Marvin – ein Düsseldorfer, der in Köln lebt 🙃 – mir anbietet, mich im Auto mitzunehmen. Das nehme ich gerne an. Er fragt, ob ich Lust hätte, dass wir abends zusammen kochen. Ich ziere mich etwas, wollte ich das Kochen in den Hostel-Küchen doch wenn irgend möglich vermeiden, aber wenn er schon so lieb fragt. Und so kochen wir uns eine Bolognese und essen statt Nudeln Gurken dazu, was mir sehr entgegen kommt. Außerdem gibt es zum Nachtisch Granatapfel und Ananas. Marvin ist wieder die Generation, von der ich ganz begeistert bin. Es macht Freude zu hören, was er zu erzählen hat und ich lerne dazu. Er erzählt von einem Bericht über die Nutzung der Sozialen Medien und was diese mit den Usern macht. Interessant und erschütternd zugleich. Sind junge Menschen deprimiert, posten sie etwas und fühlen sich durch die Likes wieder gut. Studien zufolge sind die Facebook-Konsumenten mit den meisten Followern scheinbar am meisten Suizid gefährdet 😳 Wir schauen uns um und können kaum glauben, dass jeder ein Handy in der Hand hält, egal ob gegessen wird oder andere mit am Tisch sitzen. Keine gute Entwicklung, wie wir finden…

Ich freue mich, dass ich hier endlich mal wieder wandern kann und gehe sonntags auf Empfehlung von Friederike den sogenannten „Coastal Walk“. Dieser führt über lange leere Strände und dann wieder in den grün bewachsenen Nationalpark, von dem aus man fast durchgängig die verschiedenen Küstenabschnitte von Sunshine Beach, Alexandria Bay, Hell’s Gate und Granite Bay sehen kann. Immer wieder nehme ich mir Zeit, um stehen zu bleiben oder mich zu setzen, hinauf aufs Meer zu schauen, in die Ferne. Meinen Gedanken freien Raum zu geben, Altes loszulassen, um dann wieder ein Stück entspannter und mit „leichterem Gepäck“ weiter zu gehen. Es fühlt sich fast meditativ an. Unterwegs bitte ich ein Schweizer Paar um etwas Sonnencreme. Ich hatte zwar Creme benutzt, aber habe keine dabei und das ist hier in Australien nicht ganz so witzig, auch wenn ich sonst eher unempfindlich bin. Vor allem durch den permanenten Wind wird die Sonneneinstrahlung unterschätzt. Überall stehen Cremes mit dem Faktor 50+ herum, an denen man sich bedienen kann; darunter geht eigentlich nix…

Angeblich kann man hier sowohl Koalas als auch Delfine entdecken, ich sehe beides leider nicht. Gar nicht schlimm, denn ich genieße den Rundweg auch so, beobachte zwischendurch die vielen Surfer in den hohen Wellen und bin voll der Bewunderung für dieses Können und natürlich auch für die vielen coolen Typen 🤣

Ich lande irgendwann in der bekannten Einkaufsstraße „Hastings Street“, in der die Läden heute sogar geöffnet haben. Und es ist Zeit, drei nicht mehr tragbare T-Shirts auszutauschen. Ich werde fündig und ganz ehrlich: auch das tut mal wieder gut und löst ein gewisses Glücksgefühl in mir aus – ich bin halt auch nur eine Frau 😜

Ich versuche den Weg zu meinem Hostel zu finden, habe auch Google Maps mit dabei, glaube den Anweisungen aber nicht. So laufe ich lange aufwärts und wie sich später herausstellt völlig falsch. Unterwegs bin ich schon dabei, mein Handy anzuschnauzen, weil ich mich immer weiter von meinem Ziel entferne und… keine Lust habe, alles wieder zurück zu laufen 😝 Doch das Verlaufen lohnt sich, denn ich komme an den „Lagoon Lookout“ und hätte einen solchen Anblick niemals vermutet. Wow. Bedeutet anschließend jedoch, dass mir tatsächlich keine andere Möglichkeit bleibt, als den gesamten Weg zur Hastings Street wieder zurück zu gehen. Von dort aus hätte ich, nach bereits fünf gegangenen Stunden, immer noch einen Weg von 45 Minuten vor mir. Ich kann aber nicht mehr. Bei dem Wetter habe ich auf die Wanderschuhe verzichtet und die Turnschuhe lassen meine Füße nun doch ordentlich spüren, es ist heiß, ich bin durchgeschwitzt und völlig alle. Ich bestelle mir ein „Uber“, das ist quasi das australische „Grab“ und brauche dann erst einmal einen Sonntagsmittagsschlaf, den ich, auch daheim, einfach liebe 😉

Mein neues Zimmer ist viel besser, nur vier Betten, größer und wesentlich angenehmere Mädels, mit denen ich Freude habe, mich zu unterhalten. Zudem sind wir achtsam und uns in allem einig, wie wohltuend 😊 Auch Bas, der in der letzten Nacht bei uns wohnt, passt sich entsprechend an – gut, was bleibt ihm auch anderes übrig 😆 Schade, dass wir uns nur so kurz kennen lernen konnten 😉

Am Abend kommt Marvin von seinem Surf-Kurs zurück und hat Hannes im Schlepptau. Ein junger Kerl, der eher ruhiger zu sein scheint, aber ausgesprochen sympathisch und freundlich ist. Nach und nach stellt sich heraus, was für ein Talent er besitzt und ich kann es kaum glauben, als er es mir Schwarz auf Weiß zeigt. Er zeichnet gerne Gebäude. Was er mir zeigt, sieht aus wie gedruckt und eine tagelange Arbeit, für die er gerade mal im Schnitt eine halbe Stunde benötigt! Egal ob eine Häuserreihe in einer amerikanischen Straße, das Rathaus oder Casino in Brisbane, selbst ein Boot von der Ostküste ist in seinem Buch zu finden, das er immer griffbereit hat. Ich bin völlig perplex und hoffe, dass er etwas daraus macht beziehungsweise „entdeckt“ wird. Er überlegt, Architektur zu studieren, seiner Mutter folgend. Vielleicht ist ja noch so viel mehr möglich. Auf jeden Fall darf ich einige seiner Werke „veröffentlichen“ und freue mich sehr darüber. Später sehe ich auf Instagram Starbucks-Becher, auf die er gezeichnet hat – was für eine außergewöhnliche Begabung!

Meine Freude ist groß, als Marvin mir anbietet, mich am nächsten Tag im Auto mit nach Rainbow Beach mitzunehmen. Es liegt für ihn mehr oder weniger auf dem Weg und ist für mich viel angenehmer, da der Bus erst nach 16 Uhr gefahren wäre und ich so den Tag komplett in der nächsten Unterkunft, in der ich ein Zimmer für mich habe, voll und ganz auskosten kann. Und wir haben auf der zweistündigen Fahrt nochmal Zeit, unsere Gespräche fortzusetzen, in denen es heute um persönlichere Themen geht. Wie schön, wenn junge Menschen sich schon so öffnen können. Für mich ist es sehr bereichernd und auch hier lerne ich wieder dazu 😊

In Rainbow Beach gehen wir noch zusammen an den Strand. Völlig unerwartet bemerke ich, dass ich hier schon einmal gewesen bin, vor zehn Jahren… Dennoch bin ich begeistert, als sähe ich das alles zum ersten Mal. Schwarz-beige-farbener Sand und im Hintergrund die bunt gescheckten Klippen und Felsen, denen Ort und Strand wohl den Namen zu verdanken haben. Und zur Abwechslung baden hier auch mal Menschen, was an australischen Stränden nicht üblich ist, da meistens Gefahr droht – in den meisten Fällen weniger wegen der Strömungen, denn wegen der Krokodile, Haie, Stachelrochen oder giftigen Quallen 😬
Marvin erklärt mir seine Drohne, wir machen Fotos. Eigentlich mag ich die Dinger ja gar nicht und empfinde sie als laut und lästig. Von den Bildern bin ich dann allerdings auch ganz angetan. Wir essen noch die Reste, die ich zu essen mit dabei habe, dann fährt er mich zu „Debbie’s Place“ und führt schließlich seine eigene Route und Reise fort.

Was spüre ich Erleichterung an diesem wunderbaren Ort. Ich erhalte scheinbar ein Upgrade und habe so etwas wie eine kleine, äußerst gediegene Wohnung mit einem ausgesprochen gemütlichen Bett, draußen eine Veranda mit einer kleinen Küche. Und wie ich da draußen so sitze und auf den Garten und eine typisch australische Wohngegend blicke, fühle ich zum ersten Mal, in Australien angekommen zu sein. Oh wie sich das gut anfühlt 😊 Debbie ist, wie Lukey sagt, ein „Charakter“. Nicht ganz 70 Jahre alt, emsig und mit ihren Sprüchen so auf Zack, dass ich fast nicht mitkomme. Ich solle um zehn vor sechs bereit stehen, sie würde mich zum Sonnenuntergang zu den Sanddünen fahren. Und dabei handelt es sich nicht um eine Frage 😄

Zehn vor sechs ist auch Carolina aus der Schweiz mit dabei und Antonio aus Spanien fährt mit seinem Mietwagen hinterher. Debbie habe ihn überredet, uns nachher wieder zurück zu fahren. Das hat sie gut gemacht, denn der Weg ist nicht, wie von ihr beschrieben, nur zehn Minuten entfernt. Obwohl, doch, aber mit dem Auto 😆

Sie lädt uns auf einem Parkplatz, auf einer Anhöhe im Wald ab und sagt, wir sollen uns beeilen. Wir haben noch einige Minuten Weg, der uns durch den Wald führt und was wir dann sehen, hätten wir alle drei niemals nie vermutet. „Carlo Sand Blow“ ist eine durch Windwürfe geformte Sanddünen-Landschaft, von der aus man in zwei Richtungen blicken kann – zur Küste auf der einen Seite und zum Regenwald auf der anderen. Wir wenden uns zunächst dem Sonnenuntergang auf der Regenwaldseite zu, setzen uns in den Sand und sind einfach nur baff ob dieser Landschaft und Schönheit.

Später gehen wir zur anderen Seite und bewundern die Farben des Rainbow Beaches nach gerade untergegangener Sonne. Der klare Himmel und die darin liegende Mondsichel machen es perfekt. Bevor es dunkel wird, machen wir uns auf den Rückweg, denn bereits im Eukalyptuswald ist schon nicht mehr ganz so viel zu sehen und da waren ja doch diese Tiere… 😅

Wir verstehen uns richtig gut und gehen noch gemeinsam essen. Carolina und Antonio kommen zu dem Schluss, dass sie länger geblieben wären, hätten sie gewusst, dass wir einander treffen. Und da wird mir klar, was mir wichtig ist, was ich geradezu brauche: Menschen, mit denen ich ähnlich „schwinge“, wo die jeweiligen Geschichten Hand in Hand gehen, auch wenn sie nicht unbedingt gleich sind. Doch es gibt immer eine Gemeinsamkeit, und sei es die Art zu denken oder zu fühlen. Aber ich musste, oder sagen wir durfte, ja schon lernen, dass alles vergänglich ist, außer der Moment selbst. Und so bin ich bemüht, ja bemüht, denn es ist immer noch mühsam, nichts und niemanden „festhalten“ zu wollen, mich – in Dankbarkeit für die Begegnungen – immer wieder zu verabschieden. Carolina sehe ich vielleicht wieder, da sie mir anbietet, in meiner ersten Nacht in Perth mit ihr das Zimmer zu teilen, bevor ihr Freund kommt und sie weiterziehen. So lieb! Antonio würde ich auch gerne wiedersehen, sehr gerne sogar, das gestaltet sich aufgrund unserer jeweiligen Pläne jedoch schwierig. Loslassen. Wenn es sein soll, werden auch wir uns wiedersehen…

Beseelt setze ich mich auf meine Veranda, lese noch ein wenig, als plötzlich das Gitter meiner Schiebetür klappert. Ich denke an einen Gecko oder dergleichen. Nein, ein solches Geräusch kann auch von einer großen „Huntsman“-Spinne ausgehen!! 😳 Ich erstarre vor Schreck und weiß gar nicht, was ich machen soll. Spinne ist ja das eine, aber Spinne in Australien nochmal was anderes. Ich müsste näher an sie heran, um den Tisch zu umgehen, an dem ich sitze. Überlege, über den Tisch zu krabbeln, finde das dann aber affig. Nicht weniger affig ist, was ich dann tue: ich spreche mit dem Tier „Du tust mir nichts, ich tue Dir nichts und Du bleibst jetzt bitte einfach da sitzen.“ Ha ha, sehr witzig, was könnte ich ihr schon tun. Es ist so eine wie damals in China. Der Körper so groß wie eine Pflaume, die Beine lang wie unsere Finger. Nicht einmal ein Wanderschuh würde helfen, den ich, davon abgesehen, auch nicht griffbereit hätte. Ich schaffe es irgendwie turboschnell ins Zimmer, verriegele alles und wie ich rausschaue, ist sie schon nicht mehr da. Puh. Es scheint, als hätte ich auf der Reise das „all inclusive“-Paket gebucht 😅 Ich schreibe Antonio von meiner „Begegnung“. Er meint, ich solle zu ihm kommen, wenn ich Angst hätte. Die Chance muss ich dann leider verstreichen lassen, denn keine zehn Pferde bekämen mich heute, im Dunkeln, nochmals vor die Türe – blödes Vieh 🤣

Am nächsten Morgen erklärt Debbie mir, dass eine „Huntsman“ nun wirklich nicht die schlimmste aller Spinnen sei und sucht alles ab, findet jedoch nichts. Sie fragt, ob ich in ein anderes Zimmer umziehen möchte. Neiiin. Da merke ich, wie dramatisch wir mit all diesen Tieren umgehen und im Verlauf des Tages denke ich mir, dass die Spinnen tatsächlich ja noch mehr Angst vor uns haben müssen, sind wir doch viel größer und können genauso grausam sein und… hört sich schlimm an, aber töten. Und so mache ich meinen Frieden, schaue mich aber nach der Erfahrung überall etwas gründlicher um 😬

Ich koste dieses wunderbare Zimmer durch und durch aus, gehe auch noch an den Strand, um die Kraft der Wellen und den Klang des Wassers auf mich wirken zu lassen, bevor es am nächsten Tag leider wieder weiter geht – mit dem Nachtbus, in dem ich 15 Stunden unterwegs sein werde. Ja, die Entfernungen hier sind einfach gigantisch, wie das Land selbst…