65 Kilometer sind es bis zu unseren heutigen Wanderwegen am Mount Cook und Mount Tasman. Eigentlich in einer Stunde erreichbar, wenn man nicht alle 10-20 Kilometer anhält, um an einem Lookout die Landschaft zu bewundern oder, wie bei unserem ersten Halt, die gerade noch blühenden Lavendelfelder. Ich bin völlig aus dem Häuschen. Das wollte ich schon immer sehen und nie ist es mir zur Blütezeit gelungen. Oh wie unglaublich schön dieses Lila in der ockerfarbenen, hügeligen Landschaft ist. Irgendwie passt es zwar nicht recht hierher, dennoch freue ich mich. Wir fahren an der gesamten Länge des Lake Pukaki entlang und wie schon am Tag zuvor, zeigt der See sich in seiner gletscherblauen Farbe und dahinter ragen die schneebedeckten Berge empor, denen wir jetzt immer näher kommen. Am Parkplatz angekommen, müssen wir leider wieder über ein tragisches Tierschicksal lachen und können nicht glauben, dass der Fahrer eines Wagens scheinbar nicht bemerkt hat, dass vorne an seiner Kühlerhaube ein Hase hängt und dabei aussieht als wäre er mitgelaufen. Ein Bild, das man (leider) nicht vergisst 😆

Schon beim Losgehen zeigt sich der Aoraki, meist nur Mount Cook genannt, in seiner vollen Herrlichkeit. Es ist der höchste Berg Neuseelands und gehört zu den hiesigen Alpen. Der dreistündige Hooker Valley Track führt uns zunächst an den „Mueller Lake Lookout“ und wieder sehe ich ein völlig neues Bild: einen zementgrauen (!) See vor den schneebedeckten Bergen, vor unseren Füßen grüne Bodendecker auf steinigem Geröll – wow, was für eine Farbkombination. Dann kommen wir an die erste Schwingbrücke und mir fällt siedend heiß wieder ein, dass Marianne Höhenangst hat, oh je 😬 Sie sagt, dass sie es probiert, sie muss einfach schnell gehen und nach unten schauen. Ausgerechnet nach unten? Ich wundere mich – denn gerade da ist ja die Höhe sichtbar, selbst wenn man seine Füße auf dem Holz der Brücke sieht, aber gut. Ich denke, sie braucht noch einen Moment, ich will vorgehen, um auf der anderen Seite die Fußgänger aufzuhalten, damit es nicht so wackelt und bemerke gar nicht, dass ein netter Mann Marianne bei der Hand genommen hat und sie über die Brücke geleitet, übrigens mit dem Hinweis, den Blick auf das Ende zu richten 😉 Sie ist ganz glücklich, dass sie so verhältnismäßig easy hinüber kam. Was den Mann betrifft, der musste leider noch seine Frau abholen, der es ganz ähnlich geht. So nehme bei den zwei noch folgenden Brücke ich Marianne bei der Hand. Ist zwar nicht das gleiche, aber wir schaffen es 😅
Der Weg samt dem Ausblick ist so atemraubend, dass ich guten Gewissens sagen kann, dass es für mich mit das Schönste ist, was ich landschaftlich je gesehen habe. Es kommen noch wunderschöne Pflanzen und türkisblaue Flüsse und Bäche hinzu und ich fühle mich ein bisschen wie Heidi. Zugegeben, wir könnten auch in der Schweiz sein, zumindest in diesem Abschnitt. Denn wie wir an den „Hooker Lake“ kommen, ist da wieder eine außergewöhnliche Farbe, dieses Mal die Mischung aus gletscherblau und zementgrau. An den Rändern des Sees treiben Eisschollen und wir stehen im T-Shirt da – skurril. Ein ähnliches Bild bietet sich uns, als wir nach diesem Track noch den am „Mount Tasman“ gehen. Hier jedoch zeigt sich um den See ausschließlich Gestein und Geröll, sodass hier ein Grau überwiegt, das jedoch keinesfalls trist ist und auf seine Weise ganz genauso fasziniert. Und dann der Blick über das Tal in Richtung des Lake Pukaki – irre. Der sichtbare Teil des Flussbettes ist ausgetrocknet, doch in der Ferne schimmert es so türkis, dass man die Südsee dort vermuten möchte. Bilder, die das Auge kaum erfassen kann, von entsprechenden Bildern ganz zu schweigen.
Im Übrigen hat Marianne alle drei Brücken auf dem Rückweg bravourös alleine überschritten 🤩 Gut, wer weiß, vielleicht wollte sie auch meine Hand nicht mehr 🤣 Auf jeden Fall ist sie eine coole Socke, in jeglicher Hinsicht.

Wir beschließen, noch eine weitere Nacht in Twizel zu bleiben und legen einen Relax-Tag ein, an dem wir am See liegen, lesen, schreiben. Fünf Tage habe ich nun schon kein Internet und es ist so eine unglaubliche Wohltat. Während ich anfangs noch den Druck von „ich sollte und müsste“ verspürt habe, bin ich jetzt so entspannt wie länger nicht mehr. Schreibe einfach mal in Ruhe und genieße was ist. Und tatsächlich fühlt es sich jetzt auch mal wie Urlaub an. Das hängt mit Sicherheit auch an dem entspannten Miteinander, der Tatsache dass wir ein Auto haben und fünf Wochen Zeit, die man in Neuseeland allerdings auch braucht. Und Marianne setzt noch einen drauf und bringt mich allen Ernstes dazu, keine weiteren Unterkünfte zu planen, sondern einfach drauf loszufahren und zu schauen, was sich ergibt. Ich und nicht planen 🤓 Kurz macht es mich nervös, aber ich lasse mich am folgenden Tag darauf ein. Wir fahren an die Ostküste und halten zunächst am Moeraki Boulders Beach. Die Moeraki Boulders sind ungewöhnliche Konkretionen am Strand und im Wasser, teils kugelrund. Manche sind gespalten und liegen da, als hätte man sie einfach aufgeklappt wie eine Mandarine. Mich erinnern sie an Semmelknödel – als Ganzes und in Stücke klein gemacht, um Sauce darüber zu geben, gaaanz viel Sauce 😋

Wir fahren weiter Richtung Dunedin und merken, dass wir nach so viel Natur Stadt gar nicht mehr gewohnt sind und interessanterweise wirkt diese vergleichsweise sogar recht groß. Also lassen wir sie erst einmal hinter uns und fahren weiter auf die Halbinsel „Otago Peninsula“. Hier führt eine Straße sowas von direkt am Wasser entlang und das ohne Absicherung, hat was. Hier schauen wir schon mal, was an der Straße an Unterkünften liegt, finden eine, ich steige aus, schaue, sehe, dass es genau meinem Geschmack entspricht, treffe jedoch niemanden an. Wir fahren weiter, kommen an ein Motel, in dem, wie es aussieht, nicht ein einziges Zimmer bewohnt ist, frage nach, fühlt sich seltsam an, wir fahren weiter. Erst einmal an das Ende der Halbinsel, wo Kolonien von Albatrossen, Gelbaugenpinguine und Seelöwen leben. Wir sehen nur letztere und dafür hunderte von Möwen. Wir finden es unnötig, eine teure Tour zu buchen, da wir diese Art von Tieren schon gesehen haben und ja so viel anderes erleben. Auch hier lohnt definitiv der Ausblick auf Klippen, das Meer, die umliegende Landschaft.
Auf dem Rückweg fahren wir nochmals zu der schönen Unterkunft. Dieses Mal treffe ich auch jemanden, leider gibt es mein Budget jedoch nicht her. Nicht schlimm, denn wir finden wieder einen schönen, gepflegten Campingplatz und entscheiden uns für ein kleines Zimmer mit Stockbett, unten wieder ein größeres. Und inzwischen ist es fast schon Ritual, wenn ich morgens aufwache, erst mal den Kopf nach unten hängen zu lassen, um Marianne einen schönen guten Morgen zu wünschen. Sie lacht sich jedes Mal schlapp, so witzig. Überhaupt lachen wir so viel zusammen, das macht richtig Spaß 😊
Die nette Pächterin zeigt mir auf Nachfrage zwei Wanderwege und wir gehen einfach mal los, ohne etwas mitzunehmen. Der erste führt uns durch ein Waldstück mit Ausblick und auf der anderen Seite des Berges angekommen, erwartet uns ein Endsee, der ganz ruhig in einer friedvollen Umgebung liegt. Auf den angrenzenden Wiesen und Hügeln sehen wir unendlich viele Schafe, von denen es übrigens rund 31 Millionen in Neuseeland gibt, Einwohner dagegen 4,8 Millionen 😁 Ich denke auch die Anzahl der Kühe und Rinder geht in die Millionen und wie schon geschrieben, gibt es auch auffallend viel Damwild. Was mich persönlich immer wieder in den Bann zieht, sind die Falken, die in der Luft kreisen oder auch mal auf der Straße sitzen und „vespern“ 🤣
Nachdem der erste Wanderweg ausgeschildert war, fehlt beim zweiten jegliche Spur von Ausschilderungen, doch ich habe eine Karte und finde meine Orientierung jetzt auch nicht so schlecht. Es geht ziemlich bergauf und gefühlt entfernen wir uns zwar immer weiter von dem Ort unserer Unterkunft, doch ich bin mir ganz sicher, dass der Weg stimmt. Die wenigen Kennzeichnungen, von Straßen kann man nicht sprechen, erkenne ich eindeutig in der Karte. Und trotzdem fühlt es sich komisch an, was ich natürlich nicht laut sagen würde 😎 Auf jeden Fall kommen wir 12 Kilometer weiter dann auch in unserem Ort Portobello wieder an und immerhin: der Weg war der Richtige, wenngleich etwas lang für so „einen kleinen Abendspaziergang“ 😅 Ich weiß nur, dass ich nie wieder ohne Trinken losgehe. Jetzt haben wir uns ein Essen verdient. Es gibt genau eine einzige Möglichkeit im Ort und ich freue mich über frischen Tintenfisch – kleine Portion, teuer, aber unfassbar lecker. Es ist eigentlich das erste Mal, dass wir Essen gehen, wir sind da recht einfach unterwegs, mit dem Unterschied, dass ich grundsätzlich die doppelte Menge brauche 🤣 Dafür isst Marianne eindeutig mehr Süßes und das, wo meine Rationen schon ordentlich sind 🙃
Bevor wir die Gegend verlassen, schauen wir uns noch das schottische Dunedin an, der Name ist das keltische Wort für Edinburgh. Spätestens an der Otago University mit ihrem Glockenturm sieht man die Analogie. Der Campus gehört zu den schönsten der Welt. Außerdem gefallen uns das imposante Gebäude des „Otago Settlers Museum“, der absolut sehenswerte, prachtvolle Bahnhof und witzig ist auch die steilste Straße der Welt, die „Baldwin Street“. Hier sind nur die ersten 30 Meter asphaltiert, denn der obere Teil war zu steil für die Planierraupen. Ehrlich gestanden sieht sie gar nicht so steil aus, doch wir sind sie auch weder hoch gelaufen noch gefahren. Da erinnere ich mich an die Straße zur Unterkunft in Phuket als Ute & Achim da waren, die war, zumindest gefühlt, sehr ähnlich.
Wieder geht ein kleiner Abschnitt zu Ende, denn es geht nun in den Süden der Südinsel. Manchmal kann ich kaum glauben, wie viel man innerhalb so weniger Tage sehen und erleben kann.