Ich muss über Honolulu nach Big Island fliegen und da durch die Verspätung weniger als 30 Minuten zwischen Landung und nächstem Abflug bleiben, frage ich dann doch mal bei den Flugbegleitern nach. Neu ist, dass ich dabei völlig entspannt bin. Kein bisschen Aufregung. Wenn ich den Flug verpasse, verpasse ich ihn halt. Das Glück ist weiter mit mir, denn ich kann sogar im gleichen Flieger sitzen bleiben, muss nur den Platz wechseln 😆 Ja, so einfach regeln sich Dinge, wenn man einfach mal loslässt 😉 Zudem ist es interessant, das Treiben im Flieger zu beobachten, während keine Passagiere drin sind, außerdem habe ich fröhliche Unterhaltungen mit den Flugbegleitern.
Ich lande in Hilo, habe wieder einen Mietwagen, bekomme die Schlüssel, die ich auf dem Parkplatz betätigen soll, um meinen Wagen zu finden. Im selben Moment wie die Lichter aufblinken, öffnet sich auch mein Mund, bleibt offen stehen, die Augen reißt es regelrecht auf. Da stehe ich vor einem Jeep Wrangler XXL und frage mich, ob das Niks Ernst ist. Er meinte, ein Jeep sei notwendig, da ich sonst Vieles auf der Insel nicht anfahren kann – aber muss das gleich so ein Monster sein? Ich meine Jeeps gibt es doch auch in klein und süß. Ich bin tatsächlich fast ein wenig panisch. Hole den jungen Mann von der Vermietung und lass mir dann doch ein wenig etwas erklären, zum Beispiel die Bedienung des Allradantriebs, worauf ich gleich zu hören bekomme, dass ich das besser nur nutze, wenn ich schon Erfahrung damit habe, da ich das Auto sonst ernsthaft beschädigen kann. Ich könne aber auch YouTube-Videos dazu anschauen. Macht der Witze? Ich frage, ob ich in dem Fall nicht vielleicht ein anderes Auto haben könnte, worauf hin er meint, ich solle den nur nehmen, den würden schließlich alle wollen.
Okay, zumindest weiß ich jetzt, wie ich die Spiegel einstelle und das Fenster öffne und sollte jetzt auch los, denn es wird langsam dunkel, ich weiß schließlich nicht, wohin ich muss und das mit diesem Monster. Aaaber, ich kann ja jetzt wenigstens einen Automatik fahren 😁 Langsam tuckere ich los, fühle mich tatsächlich eher wie in einem Traktor denn wie in einem Auto. Es ist zum Glück wenig Verkehr in der doch größeren Stadt und der Weg nicht weit. Allerdings liegt das Hostel an der Hauptstraße und da ich daran vorbei fahre, muss ich wenden. Bekomme ich hin. Entdecke eine Art Hof neben dem Hostel, fahre ein, denn ich kann ja schlecht auf der Hauptstraße stehen bleiben. Parke, bekomme ich auch hin. Steige aus und denke, dass ich nie wieder selbständig da raus komme, Hilfe brauchen werde und das Auto am besten die nächsten 10 Tage hier stehen lasse und erst gar nicht fahre. Als ich im Hostel höre, dass es auch Busse im Ort gibt, bin ich regelrecht erleichtert, ansonsten eher durchgeschwitzt und völlig erledigt.
Das 6-Bett-Zimmer teile ich mir „nur“ mit Angela, einer Chinesin, die in New York lebt. Sie ist ganz aufgeregt, dass ich da bin und fragt gleich, ob ich ein Auto habe und ob wir nicht morgen einen Ausflug zusammen machen wollen 😅 Sie würde lieber mir das Geld geben als einem Tourenanbieter, denn so könnte man viel mehr sehen und entdecken und zu zweit sei das doch schön. Ja, Kauai war mir zwischendurch fast etwas zu ruhig und ich hatte mir das ein oder andere Mal Waikiki zurück gewünscht, auch Gesellschaft, doch das überfordert mich gerade. Weniger wegen Angela denn wegen des Gedankens ans Auto fahren. Umgekehrt wäre das ja wiederum für mich einfacher, einen Beifahrer zu haben bei all meiner Unsicherheit. Ich stimme zu, fühle mich aber dennoch nicht ganz wohl damit. Heißt auch, früh aufstehen und nicht richtig ankommen können. Egal, ich schlafe jetzt erst einmal und dann sehen wir weiter.
Angela ist total lieb, bietet mir Frühstück an, ist schon halb in den Startlöchern, ich immer noch etwas überfordert, mit Kopfschmerzen, aber gut, ich bin dabei. Und tatsächlich bekomme ich mein Monsterchen auch aus der Parklücke und gelange auf die Straße 🙃 Wir haben eine lange Strecke vor uns, denn Big Island – im Übrigen ist das die eigentliche Insel, die auch Hawaii genannt wird – ist die größte aller Inseln und wir wollen in den Süden. Ich habe ja quasi noch keine große Ahnung, was man alles machen kann und finde es zunehmend besser, mit Angela unterwegs zu sein, da sie diesbezüglich ganz klare Vorstellungen hat. Durch die lange Fahrt auf vorwiegend gerader Strecke, werde ich zunehmend vertrauter mit dem Auto und finde es schon ziemlich cool, in einem solchen herum zu fahren. Auf Hawaii. Das Leben ist manchmal schon abgefahren 😎
Die Landschaft ist hier gänzlich anders. Die grünlichen Hügel und Berge zwar nicht, doch als die Lavalandschaft beginnt, bin ich baff. Über zig Kilometer ausschließlich dunkle Gesteinsbrocken. Interessanterweise würde ich es nicht einmal als trostlos bezeichnen. Eben durch die Hügel im Hintergrund und die Andersartigkeit kann ich auch hierfür eine gewisse Faszination erübrigen.
Als wir an den südlichsten Punkt kommen, erinnern die Windräder in goldgelbem Gras an Norddeutschland, das Wasser an das Mittelmeer und die Küstenklippen an Irland. Wir selbst wollen zum „Green Sand Beach“ und exakt jeder hat mir davon abgeraten, mit dem eigenen Wagen zu fahren, trotz 4WD. Passt, schließlich hatte ich auch noch keine Gelegenheit gehabt, mir die YouTube-Videos dazu anzuschauen 🤣 Wir nehmen einen Shuttle, der ein Pick-up ist, auf deren Ladefläche wir Platz auf den Holzbrettern nehmen sollen. Zwischen Angela und mir sitzen zwei Kinder, hinter uns vier weitere Erwachsene. Das Abenteuer beginnt. Wir fahren über Geröllpisten, Lavagestein, durch Sand, der so viel Staub aufwirbelt, dass meine schwarze Kleidung schon nach kurzer Zeit nicht mehr schwarz ist. Es ruckelt und zuckelt, die Kinder kleben an mir und ich muss meine Hände zwischen das Metall des Wagens und meine Hüfte klemmen, da ich morgen sonst blaue Flecken zählen kann 🤪 Der Ausblick ist megagenial – dieses Bild von blauem Meer und apfelgrünen Bodendeckern auf schwarzem Lavagestein zur einen Seite und das Ockerorange der sandigen Erde mit den lindgrünen Hügeln und gelben Gräsern zur anderen Seite. Nach zwanzig Minuten kommen wir an. Und tatsächlich bin ich mehr als dankbar, dass wir nicht selbst gefahren sind, denn ich hätte den Jeep definitv geschrottet!! Der grüne Sandstrand ist zwar nicht so grün wie auf den Bildern der Topfotografen dieser Welt und deren Bearbeitungsprogrammen 😜 dennoch außerordentlich schön, vor allem mit den umliegenden Felsformationen. Angela und ich starten eine Fotosession, bei der es kein Halten mehr gibt: in alle Richtungen, um allen Farben gerecht zu werden, stehend, sitzend, springend, lachend 😆

Auf dem Rückweg kommen wir an einen Markt, der bereits am Abräumen und Beenden ist, doch eine Mexikanerin ist so lieb und zaubert uns noch eine so etwas von leckere Quesadilla. Eine Art Wrap mit Beef-Käse-Füllung, dazu Sauerrahm und selbstgemachte Guacamole. Ich könnte mich hinein legen. Es ist auch so viel, dass es glatt noch fürs Abendessen reicht 😋
Wir fahren noch zum „Black Sand Beach“, der mit seinen umliegenden Palmen auch schön aussieht, doch ich selbst kenne das von den Kanaren, Angela dagegen ist absolut hin und weg. Das bin ich auch, als ich aus allernächster Nähe eine riesige Wasserschildkröte sehe. Wow!
Zum Abschluss des Tages nehmen wir noch die „Rainbow Falls“ mit. Ein schöner Wasserfall, dessen Name mir sich allerdings nicht erschließt 😆
Im Zimmer haben wir Zuwachs bekommen: Carol aus Brasilien. Meine Güte, so viele Nationen, Länder, Menschen. Ich bekomme einen Einblick der brasilianischen Lebensweise und in ihre eigenen Reise, außerdem schenkt sie mir das noch gültige Ticket für den „Volcano Nationalpark“, der exakt noch bis einschließlich meines Geburtstages gültig ist. So lieb. Und den hatte Nik mir als „Geburtstagsprogramm“ auch vorgeschlagen. Es gibt einfach keine Zufälle 😊
Angela ist so angetan, dass mich bittet, auch den folgenden Tag gemeinsam zu verbringen und dafür extra eine Nacht verlängert! Sie ist echt eine goldige. Ich sollte anfangs ihr Alter schätzen, dachte so um die 50 Jahre, wollte höflich sein und sagte 47. Sie ist genau 62. So ist das bei den Asiaten, sie sehen einfach alle wesentlich jünger aus als sie sind. Manchmal ist es sprachlich nicht ganz einfach, doch wir haben ja Hände und Füße und am Ende kann man sich mit jedem Menschen dieser Welt verständigen 😊

Angela lädt mich erst einmal zum Frühstück ein. Es gibt gegenüber das „Just Cruisin Coffee“, ein „Drive through“ für Kaffee & Co., das schon zwei Jahre in Folge als „Best of Hawaii East“ mit dem 1. Platz ausgezeichnet wurde. Tatsächlich wurde ich weltweit auch noch nie gefragt, wie ich meinen Cappuccino möchte – mehr Schaum, mehr Kaffee, wie viel von was 😁 Sie verwenden außerdem den bekannten Kona-Kaffee und die Qualität, auch des Essens, top. Zum Thema Amerikaner und Gewicht. Egal ob hier, bei Burger King oder wo auch immer, bekommt man zu jeder Bestellung immer Chips oder Cookies. Wer sagt da schon nein? Ich würde ja am liebsten immer beides nehmen 🤣 Heute fahren wir in den Norden und nehmen für einen Teil der Strecke die „Scenic Route“. Bezüglich des Fahrens muss ich nichts mehr schreiben, ich habe angefangen, dieses Auto sehr zu mögen 😉
Spannend, wie anders es in diese Richtung aussieht. Hier überwiegt wieder sattes Grün und Regenwald. Baumgiganten und Palmen strahlen in höchster Höhe um die Wette, dazwischen immer wieder die „Nandi Flame Trees“, afrikanische Tulpenbäume, mit ihren roten großen Blüten. Wir halten an allen erdenklichen Stellen, die sehenswert sind und es gibt wahrlich viele davon 😆 Als wir in Waimea, im Norden der Insel ankommen, machen wir einen kleinen Kaffeestopp. Das Wifi zeigt mir schon die ersten Geburtstagnachrichten an, da es durch die Zeitverschiebung nach deutscher Zeit bereits soweit ist. Irgendwie lustig 🙃
Wir fahren die uns empfohlene „Kohala Mountain Road“, die durch grünes Weideland führt und Heimat von Viehzüchtern, Cowboys und Ranches ist. Wüsste ich es nicht besser, wäre ich mir sicher, in der Schweiz, in Österreich oder dem Allgäu zu sein, ich kann es kaum glauben. Auf einer gewissen Höhe angekommen, kann ich jedoch noch weniger glauben, dass auf der gegenüberliegenden Seite eine absolut unglaubliche Mondlandschaft zu sehen ist. Wenn ich nun schon viel gesehen habe, das noch nicht. Wie abgefahren ist das denn. Als wir Stunden später genau dort entlang fahren, stockt mir schier der Atem. Irgendetwas berührt mich hier zutiefst und ich möchte am liebsten aussteigen und bleiben. Ganz lange, einen Moment lang denke ich sogar für immer. Das absolute Non plus Ultra ist dann noch der Sonnenuntergang, der wie gemalt scheint, aus einem Märchenbuch, in dem viele Mysterien und Wunder geschehen. Und ich übertreibe kein bisschen, wenn ich sage, es ist der schönste Sonnenuntergang, den ich je gesehen habe 😍
Leider müssen wir uns etwas beeilen, denn wir wollen zur Sternwarte auf den höchsten Berg Mauna Kea und ich möchte die noch über eine Stunde lange andauernde Fahrt nicht ganz im Dunkeln zurück legen, denn das erste Stück ist sehr kurvenreich und meine Augen im Dunkeln nicht die besten.
Wir kommen auf halber Höhe des Berges an, steigen aus und bereits nach einer Minute bin ich kurz vor dem Erfrieren, es hat ca. 7° Grad (ich habe keine Ahnung wie man das Wort Fahrenheit verwendet, doch es sind 45 🤣). Ich wusste, dass es kalt wird, jedoch nicht mehr, wie sich das anfühlt, denn ich hatte seit mehr als einem Jahr kein Winter mehr 😱 Es wird empfohlen, 30-45 Minuten hier zu verweilen, bevor man auf den Gipfel fährt, da die Luft auf über 4.200 Meter extrem dünn ist und es Minusgrade hat. Es ist nicht nur der höchste Berg Hawaiis, sondern auch der Erde, wenn man nicht nach der Meeresoberfläche geht, sondern vom Fuß des Berges aus. Wir hören, dass das Observatorium geschlossen hat und fahren daher auch nicht weiter. Da wir uns jedoch bereits über den Wolken befinden, können wir die gefühlt Millionen von Sternen auch von hier aus sehen. So viele, so außergewöhnlich, dass ich Tränen in den Augen fühle, vielleicht aber auch nur vom kalten Wind 😉 Was für ein schönes (Vor-)Geburtstagshighlight 😍
Wir fahren im Stockdusteren, jedoch auf einer geraden, kaum befahrenen Schnellstraße zurück zum Hostel. Dort angekommen, lernen wir Kathrin aus der Schweiz kennen. Wir unterhalten uns kurz, allerdings bin ich platt wie ein Schnitzel. Ich denke auch nicht an reinfeiern, doch Angela sieht das anders. Na gut, dann muss ich aber nochmal los, etwas zu trinken besorgen. Angela kommt mit, wir fahren in den 24 Stunden-Supermarkt und es ist unfassbar: nach 23 Uhr kann man keinen Alkohol mehr kaufen. Und wir sind gerade einmal 10 Minuten drüber. Leider können sie keine Ausnahme machen, da das System rebellieren würde. Wir bekommen den Tipp, in eine Bar zu gehen. Wir fahren die gesamte Stadt ab, doch weder finden wir überhaupt eine Bar, geschweige denn eine geöffnete. Es ist inzwischen nach halb zwölf und wir fahren in den Supermarkt zurück, um wenigstens ein paar Säfte und Knabbereien zu holen. Wir sitzen zusammen, stoßen an, quatschen ein wenig, bevor die Mädels ins Bett gehen und ich liebe, witzige, schöne Nachrichten lese, abhöre und auch Anrufe entgegen nehme. Ich bin unglaublich hibbelig und aufgeregt, weiß gar nicht warum eigentlich. Vielleicht aber doch, denn ich mache mir selbst noch in dieser Nacht ein Geburtstagsgeschenk. Ein ziemlich großes… und buche einen außerplanmäßigen Flug, der mit keinem Verstand der Welt zu begründen oder erklären ist. Doch manchmal muss man eben seinem Gefühl und seinem Herzen folgen. Und trotz aller Zuckungen & Regungen von „soll ich wirklich oder soll ich nicht“, bekomme ich im entscheidenden Moment die eindeutigen „Hinweise“, es zu tun. Ich tue es und an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Ich glaube, es ist nach vier, bis ich hinein finde…

Schade, dass Angela abreist. Sie ist auch ganz traurig, da sie herausgefunden hat, dass wir den chinesischen Zeichen zu Folge, eine perfekte „Kombination“ sind. Das sei wohl sehr selten, eine derartige Konstellation zu finden und nach deren Glauben, solle man diese tunlichst halten. Ich komme nicht ganz mit, hatte aber schon am Vortag wahrgenommen, dass es sie sehr beschäftigt hat. Was mir noch viel mehr bewusst wird, ist die Tatsache, dass ich die letzten beiden Tage erleben durfte, wie Chinesen reisen – jede denkbare Besichtigungsoption mitnehmen und dazu tausende von Fotos. Und es viel mir selbst gar nicht schwer, da mitzumachen 🤣 Ich muss noch lange darüber schmunzeln und bin dankbar für diese Begegnung und unsere beiden gemeinsam verbrachten Tage.