Vermutlich brauche ich nicht erwähnen, dass ich auch auf dem Flug von Honolulu nach LAX, was das Kürzel für den Flughafen Los Angeles ist, eine megatolle Bekanntschaft mache. Dieses Mal mit Misun, einer äußerst liebenswerten Südkoreanerin, die in Kalifornien lebt und ihre Hochzeitsreise vor mehr als zehn Jahren nach Kroatien gemacht hat 😊 Ich muss das erwähnen, das ist außergewöhnlich! 😉
Aaron hat mir geschrieben, ich solle den Flyaway Bus nach Van Nuys nehmen. Jeder, den ich frage, schaut mich komisch an, weil ich diesen Ort völlig falsch ausspreche. Is klar, ich bin ja auch in Amerika und nicht in Holland 😆 Sofern man noch kein Ticket hat, zahlt man für die Busfahrt bei Ankunft. Da ich es dort nicht blicke und schließlich eine temperamentvolle Frau am Eingang der Station in Van Nuys frage, werde ich energisch mit den Worten „Denkst Du es ist umsonst? In Kalifornien gibt es nichts umsonst.“ empfangen. Ooo-kay. Nein, das hatte ich nicht gedacht. Sie merkt meinen perplexen Gesichtsausdruck und entschuldigt sich sogar ein zweites Mal, als ich sie erneut draußen sehe und frage, ob das der Hauptausgang ist, da ich schon so lange warte, während Aaron übrigens genau so lange auf der anderen Seite des Gebäudes wartet. Ich erkenne ihn kaum wieder, doch wir fallen uns direkt in die Arme. Ich habe Aaron vor etwas mehr als vier Monaten im zauberhaften Pai in Thailand kennen gelernt und manche Verbindungen währen eben ewig 😊 Ganz ehrlich, ich freue mich so sehr über unser Wiedersehen und dass ich eine Woche mit Aaron und seiner Familie verbringen darf.
Ich muss lachen, als wir zum Auto gehen, denn er holt mich mit einem Jeep ab. Und dieser ist weit cooler und noch mehr XXL als „meiner“ auf Hawaii. So ein richtiges „Offroad-Tier“ 😆
Wie wir über den Highway brettern und Schilder wie „Los Angeles, Hollywood, Santa Monica, Sacramento und Sunset Boulevard“ passieren, kann ich kaum glauben, wo ich bin und es fühlt sich sehr surreal an. Und so hügelig, bergig und grün hätte ich mir Kalifornien gar nicht vorgestellt, wobei es scheinbar extra grün ist im Moment, da es die letzten beiden Wochen dauergeregnet hat. Nun, um ehrlich zu sein, hatte ich gar keine Vorstellung, denn eigentlich war Amerika so gesehen im Ursprung gar nicht wirklich auf meiner Liste. Ich wollte einzig den Grand Canyon sehen. Nun bleibe ich nach drei Wochen Hawaii immerhin noch drei Wochen auf dem Festland.

Wir kommen in einer typisch amerikanischen Straße in Santa Clarita an unserem Ziel an, es liegt sogar noch die in den Hof geschmissene Zeitung da und ich lerne Aarons Mutter Paula, seine Großmutter Aileen, seinen Bruder Doug und dessen Freundin Christie kennen, außerdem Molly, die Katze und Ruby, den Hund plus Zoey, Christies Hund und werde sehr herzlich begrüßt. Leider geht es Aileen nicht so gut, sonst wären wir alle zusammen direkt in die Kirche gegangen, so bietet mir Aaron sein Zimmer an, um mich nach dem Nachtflug, auf dem ich kaum geschlafen habe, auszuruhen. Als ich einigermaßen wieder zu mir komme, fahren wir einkaufen. Sonntags. Skurril. Noch skurriler die Supermärkte hier. Wer Real, Kaufland & Co. als gut sortiert und groß empfindet, war noch nie in den USA im Supermarkt. Und es gibt alles in überdimensional großen Verpackungen und Größen. Chispstüten beispielsweise habe ich definitiv noch nie in dieser Größe gesehen. Das sind halbe Mülltüten sage ich euch 😆 Es ist so lustig, wir haben Grandma in einen solchen Wagen gepackt, den man selbständig fahren kann, hat sie vorher jedoch noch nie gemacht. Wir haben großen Spaß. Auch deswegen, weil wir uns regelmäßig in den ewig langen Fluren gegenseitig suchen.
Später wird geradezu ein Festmahl zubereitet und wir sitzen gemütlich auf der Terrasse, essen, trinken, reden und ich fühle mich, als wäre ich Teil dieser Familie ☺
Da ich vom Hausberg sehr angetan bin, schnappt Aaron mich und wir gehen durch das Gestrüpp, pflücken Blumen und haben einen herrlichen Ausblick in der Abendsonne. Ich bin am Dauergrinsen. Eine Mischung aus aufgeregt und glücklich sein und nicht recht glauben können, wo ich bin und was hier gerade passiert. Da alle da sind und das Haus daher voll, komme ich im Übrigen nun endlich in den Genuss eines Wohnwagen-Lebens, denn das ist mein Zuhause für die kommende Woche. So witzig. Vor allem, wenn ich draußen die Worte „knock knock“ höre und Aaron mit zwei Dosen Bier reinkommt und wir da weiter machen, wo wir in Pai aufgehört haben, als wir vom Zimmernachbarn aufgefordert wurden, leiser zu sein. Reden, quatschen, kichern, lachen – manchmal wie unbekümmerte Kinder, dann wieder wie unvernünftige Jugendliche. So viel Leichtigkeit – das geht wahrlich nicht mit jedem. Und ich kann das nicht erklären, doch da ist so eine starke Verbindung zwischen uns, auch dieses Erleben gibt es nicht ganz so oft. Wir können über alles reden und es ist, als würden wir uns schon ewig kennen…

Als ich am nächsten Morgen im Bad bin, wundere ich mich, warum Aaron den Wohnwagen auf- und ausräumt. Ich werde aufgeklärt: wir fahren an den Strand. Nicht nur Aaron und ich, sondern auch Doug und Christie. Außerdem packen wir Grandma mit ein und die Hunde dazu. Außerdem eine riesige Kühlbox, die vorwiegend mit Getränken gefüllt ist. Ich sehe, das wird lustig 😅 Was für ein ausgelassenes Leben. Am ersten Strand können wir wegen der Hunde und des Wohnwagens nicht bleiben, nehmen aber noch ein leckeres Fish & Chips-Essen mit, bevor wir weiterfahren. Irgendwo zwischen Santa Barbara und Malibu schließlich finden wir einen tollen Strand, an dem kaum etwas los ist, die Hunde sich austoben und wir chillen können. Die Jungs gehen sogar baden, mir reicht bereits der Anblick, um Frostbeulen zu bekommen. Ansonsten ist alles einfach nur entspannt und schön, der Ausblick genial, das Licht des Himmels unbeschreiblich. Wir befinden, dass wir alle zusammen viel Spaß haben und wollen tags drauf nochmal los. Allerdings kommt Aarons Freund Sean dazwischen und wir zwei gehen mit ihm wandern. Und niemals nie höre ich wieder auf die Worte so Vieler, dass Amerikaner so oberflächlich seien. Sie sind unglaublich zugewandt und interessiert, erzählen offen und ehrlich von sich selbst und das Zusammensein macht richtig Freude. Was für eine schöne positive Erfahrung. Ich scheine auch ein wenig Eindruck zu hinterlassen, denn irgendwie will mich jeder wiedersehen und Christie drängelt schon per WhatsApp, wann wir endlich wieder zurück seien 😁 Als es soweit ist, befindet sie es für zu spät für eine größere Unternehmung und lädt mich ein, das Wochenende bei ihr zu verbringen. Fast bin ich sprachlos über so viel Gastfreundschaft. Mache ich gerne, doch natürlich nicht ohne Aaron. Wir lassen uns nicht aufhalten und fahren noch am gleichen Mittag nach Los Angeles. Zuerst tut Aaron alles, um mich so nah wie möglich an das Hollywood Sign zu bringen und mir einen Blick auf die Stadt zu ermöglichen. Schließlich fahren wir zu Roscoe’s, dem „House of Chicken and Waffles“ und bestellen selbiges, da es eine „Spezialität“ zu sein scheint. Ehrlich gesagt, finde ich die Vorstellung, Hähnchen mit Waffel, Butter und Ahorn-Sirup zu essen, ziemlich eklig, aber ich lasse mich darauf ein. Gott sei Dank, denn ich bin begeistert, zugegeben jedoch eigentlich erst nach dem Essen, da der Nachgeschmack wahrlich interessant ist. Danach geht’s auf den „Walk of Fame“. Vermutlich habe ich mir den Hollywood Boulevard anders vorgestellt, doch es ist mega interessant. Dort wo wir anfangen, kenne ich exakt keinen einzigen Namen, dann beginnt es mit den doch eher „älteren Bekannten“ wie Ronald Reagan, Marilyn Monroe, Frank Sinatra und wir arbeiten uns vor, bis jeder Stern einen für mich bekannten Namen trägt. Sogar Lassie, Mickey Mouse und Donald Duck haben einen Stern. Auch Donald Trump. Dieser muss wegen Vandalismus jedoch regelmäßig ausgewechselt werden. Aaaron zeigt mir ein Foto, auf dem eine Mauer um Trumps Stern gebaut ist 🤣 Humor haben sie also auch. Zentrum des Geschehens ist das Premierenkino „Chinese Theatre“, vor dem sich diverse Größen aus Film und Fernsehen verewigt haben. Unterwegs trifft man auf täuschend echte Imitatoren, wie beispielsweise von Michael Jackson. Gut belebt also, auch mitten unter der Woche. Wir setzen uns in eine Bar, das große offene Fenster zur Straße hin hat und beobachten amüsiert das Geschehen. Und ich kann immer noch nicht recht glauben, wo ich bin.
Bis zum Wochenende lässt Aaron mich an seinem Alltag teilhaben, nimmt mich mit zu einer abgefahrenen abendlichen Offroad-Tour auf den höchsten Punkt eines Hügels, auf dem einzig Ruhe herrscht und die Lichter der Orte und die Sterne zu sehen sind, vor lauter Dunkelheit aber nicht die eigenen Füße. Was für ein friedvoller Moment. Und es ist, als wären uns in diesem Moment unsere Väter ganz nah, über deren Verlust wir beide sehr traurig sind. Auch etwas, das uns verbindet. Leider können wir nicht ganz so lange bleiben, weil es a….kalt ist. Die Auffahrt war schon interessant, bei der Abfahrt beiße ich die Zähne fast noch mehr zusammen. Ich habe noch nie eine solche Strecke gesehen, mal ganz davon zu schweigen, dass ich wusste, dass so etwas überhaupt befahrbar ist. Jeder hätte mein Vertrauen dafür ehrlich gesagt nicht. Und gleichzeitig ist es ziemlich cool und hat wahrlich was von Abenteuer 😎

Freitag Mittag machen Aaron, Doug und ich uns schließlich auf den Weg zu Christie. Ruby ist auch mit dabei und der arme Hund hyperventiliert während der ganzen Fahrt 😳 Falls übrigens jemand der Meinung ist, wir hätten auf deutschen Autobahnen viele und heftige Staus, der komme auf die Highways rund um LA – unfassbar! Gefühlte Stunden später kommen wir an und ich bin wieder mal positiv überrascht von Kalifornien. Egal ob Häuserreihen, Einkaufsmalls oder Wohngegenden, alles scheint so geordnet, sauber, die Farben mehr oder weniger Ton in Ton. Voll mein Ding 😁 Nicht wie bei uns, wo neongelbe Häuser neben Milka-lilafarbenen stehen und man eine Sonnenbrille für den Anblick braucht 🙄 Durch die Nähe zur mexikanischen Grenze ist außerdem ein Hauch spanischen Baustils wahrnehmbar, zudem viele spanische Straßen- und Ortsnamen. Dazu weiter viele grüne und gelb blühende Hügel und Berge, als wir die Abfahrt „San Bernadino“ passieren, auch schneebedeckte. Die Siedlung in Anaheim, in der Christie wohnt, erinnert mich stark an die „Alte Ziegelei“ im Baden-Badener Rebland. Alle kennen sich, stehen zusammen draußen, trinken ein Bier und feiern beste Nachbarschaft. Nachdem ich diese dann auch kennen gelernt habe, machen wir es uns drinnen gemütlich. Es läuft obligatorisch immer Hockey im Fernsehen, das ist hier der große Sport, der explizit von dieser Familie verfolgt wird, da Doug auch selbst Hockey spielt. Ich lerne am gleichen Abend auch noch Christies Bruder kennen und bin erneut erstaunt über die Offenheit und Herzlichkeit, der ich hier überall begegnen darf.
Morgens wollen wir zum Brunchen nach Newport Beach. Bis wir alle soweit sind ist bereits Mittagszeit, dafür haben Aaron und ich noch einen schönen Spaziergang rund um Christies „Hausberg“. Die Luft tut gut und die Sonne scheint uns freundlich entgegen.
Im „Mutts“ bin ich etwas überfordert. Eine übervolle Kneipe, in der 32 (!!) Bildschirme hängen, auf denen ca. acht verschiedene Sportereignisse übertragen werden, megalaute (aber gute) Musik, alles isst riesige Portionen amerikanisch-mexikanischer Gerichte und trinkt Bier, die unserem Maß gleich kommen. Gut, wir machen mit und sind bald schon ein ganzer Tisch voll, da noch weitere Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen hinzustoßen. Dazu kommen wir mit „Fremden“ ins Gespräch, ich habe am frühen Mittag einen sitzen (und das, obwohl ich die einzige bin, die nur ein Bier trinkt!) und fühle mich wie an Heilig Abend in Baden-Baden, wo sich die ganze Stadt trifft und schon mal Weihnachten einläutet. Hier scheint das allerdings weit üblicher als nur ein Mal im Jahr 🤣 Später gehen wir noch an den Strand, ich laufe auf der Seebrücke, Aaron ist mit seinem Skateboard schon vorausgefahren und am Ende des Steges treffen wir uns. Die Sonne tanzt mal wieder im Wasser und als wäre nicht alles schon schön genug, beobachten wir noch Robben und Delphine, die weit aus dem Wasser springen. Das sind die sogenannten perfekten Momente des Lebens, für die es nicht wirklich Worte gibt, einzig das Gefühl dazu.

Ich selbst schaue mir noch den Hafen an, weil ich die darin liegenden Boote immer so schön finde, bevor ich den anderen in die nächste Bar folge. Gut, dass irgendwann die Parkuhr abläuft, denn mehr trinken könnte ich dann jetzt auch nicht mehr. Wir enden alle auf der großen Couch von Christie und es wird später Abend, bis wir uns aufraffen, noch essen zu gehen. Sushi ist raus, da wird schon geschlossen und so gehen wir zum Mexikaner. So spät essen könnte ich ebenfalls nicht dauerhaft, schmeckt allerdings sehr lecker.
Wir verstehen uns echt richtig gut und haben so viel Freude, dass ich überlege, wie ich nochmals einen Stopp auf dieser Reise hier einlegen könnte. Nicht einfach, doch auch nicht ausgeschlossen 😍 Ein Festival, zu dem Christie mich Ende Mai gerne mitnehmen würde, wäre eine Option. We’ll see.
Ich fahre mit den Jungs Sonntag am Spätvormittag wieder zurück nach Santa Clarita, wasche noch meine Wäsche und merke schon, wie komisch ich mich fühle. Wenn ich eines immer noch nicht leiden kann, dann sind es Abschiede. Als ich nochmal länger mit Paula, Aarons Mutter, spreche, kommen ihr die Tränen, irgendwann auch mir. Ich weiß gar nicht, was hier geschieht, so ungewöhnlich ist das alles. Auch als ich mich von Grandma verabschiede, ist mir ganz schwer ums Herz – eine ganz wundervolle ältere Lady. Für Doug braucht es auch zwei Umarmungen und selbst von der Katze kann ich mich kaum trennen, wenngleich ich mit Katzen bislang nicht ganz so viel zu tun hatte. Wie gut, dass Aaron mich in die Stadt fährt, wo meine Rundreise durch die Nationalparks startet, von ihm könnte ich mich jetzt nicht auch noch verabschieden.
Heute nimmt er den extra großen Pick up. Und was bin ich froh, als sie im Hotel sagen, dass das Meeting für die Tour erst um 20 Uhr anstatt um 19 Uhr ist. Denn so bleiben Aaron und mir noch fast zwei Stunden. Und da wir ganz in der Nähe von Roscoe’s sind, bin ich die Glücklichste, nochmal Chicken mit Waffles essen zu können 😋 Dabei schmieden wir nochmal dicke Pläne über unser nächstes Wiedersehen bei deutsch-kroatischem Essen. Und es gibt so viel, das wir zusammen machen möchten und ich Aaron zeigen. Ein tröstliches Gefühl. Und doch ist es irgendwann soweit… In dem Fall haben es Männer, die eben Mal ihre Emotionen unterdrücken können, weit leichter. Meine Emotionen könnt ihr euch ja vorstellen. Und doch braucht es auch für Aaron drei Umarmungen, so viele hätte ich mich gar nicht getraut zu nehmen 😜 und bin gleichzeitig so dankbar und habe wieder ordentlich zu grinsen. Und ich weiß: alle guten Dinge sind drei und wir werden uns wiedersehen – definitiv! Daaanke Aaron und Du weißt: in meinem Herzen reist Du mit mir mit!