Am Flughafen Beijing werde ich wegen der strengen Regularien (ja, ich habe Batterien im Gepäck, aber das ist jetzt nicht nur verpackt, sondern auch verschweißt) und der detaillierten Überprüfung aller (!) meiner Flüge nochmal etwas nervös. Aber auch das klappt und ich sitze irgendwann im Flieger, absolut übermüdet schlafe ich ein, noch bevor wir starten. Als ich aufwache und nach draußen schaue, bin ich mir nicht sicher, ob ich wach bin oder vielleicht noch in (m)einer Traumwelt, denn was ich da an Sternen sehe, fühlt sich an, als würde ich nicht nur über der Erde fliegen, sondern durch die Weiten unseres Universums und durch andere Galaxien. Und ich übertreibe kein bisschen. Es gibt allerdings Dinge, die kann man nur mit den Augen sehen und auf keinem Bild festhalten. Wieder habe ich zwei Sitze für mich und erinnere mich an die Worte eines lieben Freundes: „powered by Karma“ 😉 Ab Ankunft in Kuala Lumpur läuft alles wie geschmiert Brot. Ich finde schnell zu einem Ticketschalter für eine Bahn, die mir einen Flughafenwechsel ermöglicht, freue mich über einen guten Starbucks-Kaffee und schlendere über den Riesenflughafen. Da ich ja kein weiteres Gepäck anhäufen kann, mir aber so gerne mal wieder etwas kaufen möchte 😄, entscheide ich mich in weiser Voraussicht für ein Aloe Vera-Gel. Hier scheinen die Regeln nicht weniger streng, aber ich lasse meinen Backpacker-Rucksack weiter eingeschweißt, checke am Automaten ein, gebe mein Gepäck ab und beanspruche das erste gute WiFi der Reise. Der kurze Flug nach Kota Bharu geht zackig, dort angekommen werde ich gleich angesprochen, ob ich auf die Perhentian Islands möchte und habe das Glück, mir mit einer weiteren Britin und einem Holländer das Taxi zu teilen. Wie wir uns im Auto so unterhalten, stellt sich heraus, dass sie im April in Baden-Baden Urlaub gemacht hat – was für ein schönes Gefühl, sich über meine Heimatstadt, die ich schon auch ein bisschen vermisse, auszutauschen. An unserem Zielort angekommen, werden wir direkt wieder abgefangen, um uns ein Ticket für die Überfahrt zu organisieren und ich kann mir sogar schon gleich einen Bus für die Weiterreise nach der Inselzeit kaufen. Ist halt doch irgendwie schön (für mich), ein bisschen organisiert zu sein 😉 Schließlich steigen wir irgendwann in ein kleines Schnellboot, das eine halbe Stunde lang so derart über das Meer brettert, dass es sich unter dem Hintern anfühlt, als würde es irgendwann auseinander brechen, so hart immer wieder der Aufprall aufs Wasser. Wir, ca. 15 Passagiere, grinsen uns schon einen ab und irgendwie hat es auch einen Spaßfaktor. Auf der Insel angekommen, staune ich nicht schlecht. Sie besteht aus einem Strandstück von vielleicht einem Kilometer, umgeben von Dschungel. Ich schaue mich um, wo mein Hostel ist, nachdem die Rede von einem „short walk“ war, frage nach und muss leider feststellen, dass es genau am anderen Ende des Pier liegt. Und so stapfe ich mit meinen Turnschuhen und vollbepackt durch den Sand, es ist unfassbar heiß. Fast breche ich unter der Last meines Gepäcks zusammen, nehme gerade noch die Stufen zur Terrasse und schmeiße schließlich alles von mir. Da sitzen ein Haufen Leute an Holztischen und der erste Kommentar eines Typen, der in Taucher-Outfit vor mir sitzt, ist „zieh die Schuhe aus“. Er lacht dabei, trägt mir nach dem „Check-in“ mein Gepäck aufs Zimmer uns sagt, dass wir später ein Bierchen trinken. Was bin ich froh um diesen ersten Kontakt. Maxi ist ab sofort meine Bezugsperson Nr. 1 😊 Natürlich auch Nadja, Volunteer im Hostel. Ganz entspannt zeigt sie mir alles und erzählt, dass sie ursprünglich auch eine Weltreise geplant hatte, nun aber seit dreieinhalb Monaten hier hängen geblieben ist, wie scheinbar so Viele.

Ich setze mich zunächst aufs Bett und muss erst einmal die Unterkunft auf mich wirken lassen. Mein erster Gedanke „oh mein Gott, wo bin ich hier gelandet“. Holzboden – und ich meine keine abgeschliffenen und lasierten Dielen – eine Matratze, die durch ist, ein 8-Bett-Zimmer, erneut Toiletten incl. Dusche, aber dieses mal ohne Waschbecken, kein Klopapier, kein warmes Wasser und Strom nur von sieben bis sieben. Ach so, und natürlich kein WiFi. In dem Moment macht es auch der Strand nicht wett, denn es ist bewölkt und sieht gerade noch nicht nach Traumstrand aus. Eine Blech- bzw. Strohhütte neben der nächsten, bunte Plastikstühle und ein Haufen Sonnenschirme, die einfach nur in den Sand gesteckt sind und somit nur eine halbe Höhe hergeben, unter den Palmen die Mülltüten. Ich frage mich, wie ich das eine Woche aushalten soll. Okay, hilft ja alles nix, da muss ich jetzt durch. Ich ziehe mir schnell die lange Hose aus, schlüpfe in ein Kleid, gehe runter auf die Terrasse und sitze da wie bestellt und nicht abgeholt. Es scheinen sich schon alle zu kennen und ich bin ja grundsätzlich sehr kontaktfreudig und offen, aber in so eine Gruppe reinplatzen liegt mir nicht unbedingt. Und so bleibt nur der Hoffnungsschimmer Maxi, der gerade auf Tauchgang ist. Ich gehe mir eine Flasche Wasser kaufen und bin froh, dass ich am Flughafen Geld abgehoben habe, denn auf der Insel gibt es keines. Irgendwann kommt also Maxi wieder, im Schlepptau eine Gruppe Jungs (und was für welche 😝), holt Bier und wir setzen uns an einen Tisch und bam – ich werde in der Gruppe und am „Tisch der Deutschen“, wie die anderen ihn nennen, aufgenommen. Jetzt fühle ich mich schon ein bisschen besser. Irgendwann bin ich, nachdem ich seit 24 Stunden unterwegs bin, so unglaublich müde, dass ich einfach nur noch schlafen will. Und das tue ich ganze 13 Stunden am Stück. Ich höre nicht einmal den Generator der die Nacht wie ein Presslufthammer durchbrummt. Am nächsten Morgen versuche ich das mal mit dem Duschen. Es gibt keine Ablage oder dergleichen und wird tendenziell ja ohnehin nass. Ich werde kreativ, statte mich entsprechend aus und so klappt auch das. Ich will es mal mit Frühstück probieren, außerdem mal bei dem Hotel vorne am Pier vorbei schauen, wie denn da die Übernachtungspreise sind. Ich finde ein tolles Strandcafé mit mega leckerem Müsli, frischen Früchten und Joghurt. Das hat mir nach Kroatien und China total gefehlt. Zu dem Hotel laufe ich zwar, muss aber schon unterwegs über meine Naivität grinsen. Was denke ich, dass ich eine Übernachtung im Hotel für 20 Euro bekomme? Ich lasse es also mit dem Fragen und denke mir, dass ich ja schon eine Nacht geschafft habe und die Leute ganz cool sind, außerdem die familiäre Atmosphäre im Hostel. Ich habe ohnehin vor, die Tage draußen zu verbringen und so lege ich mich an den Strand. Es ist immer noch ein wenig bewölkt und wie ich später merke, ich das quasi ein Segen, zumindest für die Haut. Ich schlafe wieder ein. Die auf meiner Haut brennende Sonne weckt mich und wieder bin ich beim Öffnen meiner Augen total geflasht. Unter mir weißer Sand, vor mir türkisfarbenes Wasser. Ich scheine doch im Paradies angekommen zu sein.

Später sitze ich mit Nadja zusammen als Elias dazu kommt (sieht auch noch aus wie Elias M’Bbarek). Wir reden über Dies und Das und da uns beiden nach WiFi ist, gehen wir ins gediegene Café nebenan, bestellen Wasser und einen Zugangscode. Und so sitzen wir eine ganze Zeit lang an einem Tisch, telefonieren beide, checken Nachrichten und Mails. Später gehen wir noch zusammen Essen, unterhalten uns richtig lange und richtig gut – „deep talk“, wie ihn Elias nannte. Man bin ich froh um all diese aufgeschlossenen Menschen.
Duschen kann ich ja schon, an alles andere gewöhne ich mich zunehmend besser. Und so schlummere ich auch gut durch die zweite Nacht. Das Frühstückscafé ist ab sofort meins. Jeden „Morgen“ ein kleiner Spaziergang und dann das leckere Müsli. Heute schreibe ich in dem Café und fühle mich, wie ein Autor sich fühlen muss. Ich schaue aufs Meer, fange meine Gedanken ein und schreibe sie nieder. Und es macht mir richtig Freude. Aber nicht nur das, ich bin auch froh, eine „Aufgabe“ zu haben. Denn gestern schon fiel es mir unheimlich schwer, einfach nur am Strand zu liegen und nichts zu tun. Als dürfte ich das nicht. Vielleicht ist es aber auch noch der „Reststrom“ aus meinem vorherigen Alltag, der mich nicht richtig runterfahren lässt. Auch das chillige auf der Terrasse abhängen und in den Tag reinleben ist noch sehr ungewohnt. Ich lasse mich erinnern, dass ich mich ja bewusst für eine Woche Strand und Erholung entschieden habe.

Wieder erlebe ich ein unglaublich gutes Gespräch, heute mit Tobias. Und so wird mir noch mehr bewusst, wie sehr mich Menschen faszinieren – mit ihren Geschichten, Gedanken, Gefühlen, Haltungen und einfach ihrem ganzen Sein. Da ich am Abend vorher nicht mit feiern war, sagt Maxi, müsse ich das unbedingt heute tun, schließlich ist es sein letzter Abend auf der Insel. Ich werde schon wieder traurig und merke wie schwer mir doch immer wieder Abschied nehmen fällt. Und so gehe ich mit der Jungstruppe (Maxi, Elias, Max, Tobias und auch Benni ist mit dabei) was essen und schließlich an den Strand. Ich habe ja schon viele Partys in unterschiedlichen locations und und an verschiedenen Orten erlebt, aber das hier ist nochmal ganz etwas anderes. Die gesamte Insel – ob Einheimische oder Touristen – ist hier versammelt, Mainstream-Musik dröhnt aus den Boxen und entweder sitzt man um kleine Tische im Sand, raucht Shisha, trinkt und quatscht oder macht das Ganze stehend, zur Musik tanzend. Dazu gibt es Feuershows. Beim Limbodance machen die Jungs direkt mit und ich habe Respekt. Vor allem auch vor den gelenkigen Gazellen von Frauen, die sich einfach einmal komplett nach hinten biegen können. Max meint, ich soll das auch mal probieren, ich lache mich schlapp über den Vorschlag. Auch wir sitzen irgendwann im Sand, rauchen Shisha, trinken und quatschen. Max und Maxi geben mir wertvolle Tipps für die Weiterreise und erzählen von ihren eigenen Erfahrungen. Über uns der Himmel voller Sterne und es ist einfach alles nur gut. Außer für Maxi, der traurig ist, dass er uns morgen früh verlässt. Bin ich auch, schließlich ist er ja immer noch meine Bezugsperson Nr. 1 😉

Am nächsten Morgen möchte ich wieder los zu meinem Café und freue mich riesig, als die verbliebenen Jungs mitkommen. Bei unserem Gespräch merke ich, mit was für einer tollen Generation (sie sind zwischen 22 und 29 Jahre alt) ich es zu tun habe und schöpfe Hoffnung, dass genau sie es sind, die die Welt wieder zu einer besseren machen. Es geht nicht mehr um Karriere im klassischen Sinne und um das Erreichen großer und materieller Ziele. Nein, es geht um Lebensqualität und –genuss, um die eigene persönliche Weiterentwicklung, aber auch um die Gemeinschaft sowie das Miteinander. Ich lerne viel über deren Haltung, Wertevorstellung, das eigene Sein, wofür ich sehr dankbar bin, auch über Bayern und die Schweiz 😉. Ich gönne mir einen Strandtag, bei dem ich mir das Gesicht regelrecht verkohle, kann aber jetzt unmöglich abbrechen, da ich an einem Buch lese, das mich so in seinen Bann zieht. Irgendwie ist es eine Art Zusammenfassung der Gespräche, die ich hier geführt habe und wieder lerne ich mehr über mich selbst und wie weit ich mich schon entwickeln durfte. „Ent-wickeln“ aus alten Strukturen, Denk- und Verhaltensweisen. Ein Tag unterschiedlichster Emotionen, die mich durchgängig begleiten.
Abends schreibe ich weiter als Magda, Kalifornierin mit polnischen Wurzeln, ins Zimmer kommt. Und wie ich sie so frage, seit wann sie reist und was sie noch vorhat, erzählt auch sie mir ihre, sehr bewegende, Geschichte. Und ich merke, dass mir das vermutlich nicht zufällig immer und immer wieder widerfährt. Die Menschen scheinen zu spüren, dass ich mich für sie interessiere und dabei nicht urteile. Denn ich weiß, aus eigener Erfahrung, dass jeder einen Grund hat, sich so zu verhalten, wie er es tut. Ob man das nun gut findet oder für gut heißen muss, sei mal dahin gestellt. Aber all die Prägungen, die uns vor allem in jungen Jahren zuteil werden, haben später eine Wirkung. Vielleicht sollte ich doch irgendwann als Coach arbeiten. Auf jeden Fall ist es das, was mich am meisten erfüllt. Der Austausch mit Menschen, teilen, geben, ohne umgekehrt etwas dafür zu erwarten. Ich setze mich auf die Terrasse, um mein Buch fertig zu lesen und wundere mich, dass alle weg sind, vor allem die Jungs. Sie wollten durch den Dschungel in das Fischerdorf. Es fängt an zu gewittern und ich frage mich irgendwann, wo sie bleiben. Nadja sagt, dass man um die Zeit keine Chance mehr hat, zu Fuß zurück zu gelangen. Wir machen uns Sorgen. Da sie mich in ihre Chatgruppe mit aufgenommen haben 😊 gibt Nadja mir einen Hotspot, damit ich ihnen eine Nachricht schicken kann. Eine Antwort kommt allerdings nicht. Scheinbar gibt es dort auch Unterkünfte und so bleibt zu hoffen, dass sie einfach vernünftigerweise dort bleiben. Schließlich sind sie zu dritt und werden sich zu helfen wissen. Ein komisches Gefühl bleibt dennoch. Ich gehe irgendwann schlafen. Ein seltsamer Traum lässt mich wach werden, als es im gleichen Moment einen Schlag tut und der Holländer über mir mit voller Wucht aus dem Bett fällt. Er fällt gegen die Tür und bleibt regungslos liegen. Im ersten Moment denke ich, er hat sich das Genick gebrochen. Da springt sein Freund aus dem anderen Hochbett und versucht, ihm aufzuhelfen, doch er ist total benommen. Ich biete meine Hilfe an und er sagt nur, es ginge ihm nicht gut, ihm sei schlecht. Adrenalin schießt durch meine Adern und ich frage mich, ob es vielleicht ein epileptischer Anfall war. Ich biete einfach mal das Bett von Elias an, damit der Arme unten schlafen kann, noch so einen Sturz würde ich nicht verkraften. Die Jungs, so denke ich, bleiben ja vermutlich, wenn auch ungewollt, im Fischerdorf. Ich kann nicht mehr schlafen und habe ein Auge immer auf dem Holländer, nicht wissend, was als nächstes folgen könnte. Außerdem habe ich immer wieder den Gedanken, was passiert, wenn Elias doch kommt und den Holländer anpöbelt, der ja gar nix dafür kann. So bleibe ich wach und fange in Gedanken an, um Unterstützung zu bitten. Da setzt der Holländer sich auf, sein Freund bemerkt es nicht und ich stehe Gewehr bei Fuß. Er muss brechen. Ich reiche ihm Taschentücher und eine Tüte. Er bedankt sich, gefühlt mit seiner letzten Kraft. Irgendwann beruhigt sich alles und wir schlaffen alle ein. Um halb fünf werde ich, wie „gewünscht“ wach und stehe erneut stramm, denn Elias kommt zur Türe rein. Aus dem Tiefschlaf heraus, weiß ich nicht, ob ich ihm zuerst erklären soll, warum sein Bett belegt ist oder fragen soll, was passiert ist und wie es ihnen geht. Er ist am Knöchel verletzt und sagt die ganze Zeit nur „Alter, was für eine Story“. Sie wollen mir später alles erzählen und ich bin erst einmal froh, dass sie wieder zurück sind.

Am nächsten Tag kann ich die Story kaum glauben. Über die Wanderung in FlipFlops durch bewucherten Dschungel, den Sprung über einen Zaun, den Besuch in einer Moschee, zu deren Ritualen sie vollumfassend eingeladen werden, ebenso zu deren am Morgen geschlachteten Lamm und schließlich über den Druck, der aufgebaut wird, nachdem sie nach längeren, fast angsteinflößenden, Diskussionen nicht bereit waren, sich ebenfalls an Allah zu wenden.
Der 18.08.2018 war somit ein skurriler Tag. Tagsüber galt es noch, jemanden zu finden, der einen ausgekugelten Arm einrenkt und offene Wunden, um nicht von Löchern im Fuß zu sprechen, zu versorgen. Wie gut, dass ich an diesem Tag so achtsam mit mir war und nach dem Strandtag einfach nur im Hostel geblieben bin. Wie sich später herausstellt, wurden zwei deutsche Mädels noch beklaut. Gut, sie waren unvernünftig, dennoch unschön, so etwas mitzubekommen. Wieder einmal bin ich dankbar, selbst beschützt gewesen zu sein.