Heute bin ich bereit für die Stadt. Denn – tadam – ich habe mich vorbereitet: mit einem Stadtplan mit markierten Orten, die ich sehen will, einer U-Bahn (MRT)-Übersicht und gesammelten Informationen kann es losgehen. Ich nutze morgens den One-Way-Shuttle des Hotels und der Weg in die Stadt zeigt mir schon, wie sauber und aufgeräumt diese ist. Kein Wunder, denn man darf öffentlich weder Essen noch Trinken, nicht Rauchen und kein Kaugummi kauen, geschweige denn ausspucken. Beobachtest Du jemanden bei einem der Dinge, kannst Du ihn per WhatsApp melden, die Strafen sind horrend. Es ist im Übrigen auch nicht erlaubt, im Flughafen Fotos zu schießen. Die kleine Spanierin mit der ich in Melaka das Zimmer geteilt habe, saß drei Stunden bei der Polizei, ist jetzt vorgemerkt und sollte sie sich in Singapur nochmals etwas zu Schulden kommen lassen, droht ihr sogar Haftstrafe 😳
Ich lande gleich zu Beginn in der, meinem Empfinden nach, schönsten Ecke: dem arabischen Viertel. Von weitem leuchtet die goldene Kuppel der Sultan Moschee neben dem ehemaligen Sultan Palast, gefühlt wie in 1001 Nacht, in der geheimnisvollen Welt des Orients. Die kleinen Geschäfte bieten Entsprechendes an und es duftet nach einer anderen, fernen Welt (schreibt die, die selbst gerade so fern ist 😆). Hier gefällt es mir, hier könnte ich den ganzen Tag verweilen. Doch Singapur hat ja vermeintlich mehr zu bieten. Ich mache mich zunächst zu Fuß auf den Weg und werde, nachdem ich ein ganzes Stück gegangen bin, von Sicherheitsleuten angehalten, denn… ich bin an einem der Eingänge der Rennstrecke zur Formel 1 gelandet 😁 Jetzt ist auch klar, weshalb die Preise in der Stadt nochmal höher sind als sonst. Die Nachricht hatte mich auch schon über „den Cousin“, der in Singapur verheiratet ist und übrigens gerade Urlaub in Korea macht, erreicht. Dass ich aber zielgenau hier lande, ist mal wieder fast typisch für mich. Mir bleibt irgendwann nichts anderes übrig, als die Bahn zu nehmen. Zu viele Teile der Stadt sind wegen der Rennen gesperrt.
Selbst in den U-Bahn-Stationen könnte man übrigens vom Boden essen (dürfte man öffentlich essen). Ich lande direkt in „The Shoppes at Marina Bay Sands“, der Luxus-Shoppingmall des ebensolchen Hotels, was wiederum das Sinnbild und meistfotografierte Motiv der Stadt ist. Ich habe ja schon einige Großstädte und Einkaufszentren sehen dürfen, aber das ist nochmal eins drauf. Wasserspiele, Kronleuchter, unendlich viel Glas und noch mehr Luxuslabels. Um hier shoppen zu können, brauchst Du einen Ölscheich an der Seite, das Verlaufen dagegen bekommst Du auch alleine hin 🤣 Bezahlbar ist es erstaunlicherweise im Food-Court, der sämtliche asiatische Leckereien anbietet und mich bei der Auswahl ziemlich überfordert. Zumal mir hier keiner in Ruhe erklären kann, was die einzelnen Gerichte beinhalten. So entscheide ich nach Gefühl und liege glücklicherweise richtig (hab ich ja gelernt, dass nach Gefühl entscheiden richtig ist 😉). Neben einer klaren Suppe mit undefinierbaren Inhalten, ist es ähnlich mit den Reisnudeln im Singapur-Style mit Gemüse und nach Meeresfrüchten schmeckendem und aussehendem Etwas. Auf jeden Fall eine sehr gute Wahl und ich werde pappsatt.

Bewegung ist nun genau das Richtige und so mache ich mich auf zu den „Gardens by the Bay“, ein 100 Hektar großes Parkgelände quasi mitten in Singapur – mit grandiosem Blick auf die Skyline der Stadt, vor allem vom Skywalk aus. Und so schlendere ich durch die exotische Welt der angelegten Flora und Fauna und gönne mir einen Kaffee, bevor es zurück ins Großstadtgetümmel geht. Hier lande ich dieses Mal im Bankenviertel, denke (und grüße hiermit) meine Freunde aus der (Ex-)Bankenbranche und fühle mich ein wenig wie in Frankfurt am Main. Die „Zeil“ finde ich hier allerdings nicht, meinen Geldbeutel und auch meinen Rucksack freut das natürlich. Ich spaziere an den Uferpromenaden entlang, genieße die Aussicht auf all die Sehenswürdigkeiten der Stadt und „lausche“ den Motoren der F1-Flitzer. Nach sieben Stunden reicht es mir bzw. meinen Füßen dann und da ich ja noch ein wenig Rückweg habe, mache ich mich auf und kaufe mir unterwegs noch frisches, geschnittenes Obst. Wieder zurück im Hotel bin ich platt, aber glücklich und werde am Telefon spontan auf ein Glas Wein von meiner lieben Freundin eingeladen 😊 da wir das gemeinsame Schorle-Trinken vermissen. So gehe ich also in die Bar und genieße das teuerste Glas Wein ever (das ich ja nicht bezahlen muss). Und so scheint heute der „1. Weihnachtfeiertag“ zu sein 🤣 DANKE liebe Beate! ❤

Am „2. Weihnachtsfeiertag“ ist es so ganz wie daheim: voll, faul, nichts tun, rumlümmeln, schlafen, lesen, schreiben, surfen, schlafen. Ach so, essen vergessen. Und ich habe das erste Mal ausgeschlafen und keinen Wecker gestellt. Und das alles wäre im Trubel der Stadt, im Gewusel der Hostels und in der Abhängigkeit des Couchsurfens nicht möglich gewesen. Eine solche Reise besteht an sich ja aus einem ganz eigenen Alltag, der tatsächlich nicht mit Urlaub vergleichbar ist. Immer wieder den Ort wechseln, von A nach B gelangen, Fahrt- und Flugzeiten, einchecken, auschecken, in der Unterkunft, am Flughafen, sich organisieren und recherchieren, Notizen, Beiträge schreiben, Bilder sortieren, ggf. bearbeiten und bei zumeist schlechtem Wifi hochladen, Kontakte pflegen, Austausch mit Menschen, einkaufen, Wäsche, wieder Essen nicht vergessen. Und dann will man ja noch die Highlights der einzelnen Orte mitnehmen und ist dann noch völlig überrascht, dass man nicht alles schafft und eigentlich viel mehr Zeit bräuchte 😆 Und auf einmal verstehe ich, dass manche Reisende längere Zeit an einem Ort bleiben und nicht einfach nur versuchen, möglichst viele Länder abzuhaken. Ich finde mich derzeit irgendwo dazwischen wieder, was manches mal auch hin- und hergerissen sein bedeutet. Und es ist gar nicht leicht, sich von allem frei zu machen und einfach nach Lust und Laune zu entscheiden…

Es bleibt noch ein ganzer Tag in Singapur und ich entscheide mich heute für die Insel Ubin, dem Kontrastprogramm zur Großstadt. Die Ablegestelle für die Boote liegt quasi vor der Haustüre und ich muss keine fünf Minuten warten, bevor es los geht. Die etwas über 10 Quadratkilometer große Insel liegt im Nordosten Singapurs und wird auf Achtung! 200 Millionen Jahre alt geschätzt!! Die Überfahrt dauert keine Viertelstunde und ich steuere direkt einen Fahrradverleih an, miete mir ein Mountainbike und radle drauf los. Teils über geteerte Straßen, dann über Stock und Steine. Irgendwann halte ich, da Langschwanzmakaken mehr oder weniger den Weg versperren. Es handelt sich hierbei übrigens um Affen 😁 Ich mache ein paar Fotos und als ich merke, dass ihr Interesse an meinem Rucksack immer größer wird, pese ich dann doch lieber davon. Die Natur auf der Insel ist überwältigend, die Artenvielfalt faszinierend. Ich sehe Orienthornvögel, ein Wildschwein und viele bunte Schmetterlinge. Kokosplantagen und Mangrovenbäume. Fischerhütten und glasklare grüne Seen an verlassenen Granitminen. Teile der Insel sind mit dem Fahrrad nicht befahrbar und so wandere ich diese ab und kann dadurch noch mehr sehen und entdecken. Heute ist es besonders schwül, geradezu drückend und nach dreieinhalb Stunden spüre ich die erneute sportliche Betätigung dann doch ziemlich. Da ich die gesamte Insel abgefahren bin, gönne ich mir zum Abschluss frische Calamari, die besten, die ich je gegessen habe. Dazu ein Bier. Danach bin ich bedient 🤪 Ich fahre zurück und habe mir, wie ich finde, einen Mittagsschlaf mehr als verdient.

Ein wenig wehmütig bin ich beim Packen abends schon, aber nun warten auf Borneo neue Abenteuer auf mich. Und nicht nur das, ich bekomme ja schließlich „Besuch“ – meine jüngere Schwester kommt und ich freue mich sooo und kann es noch gar nicht glauben… 😍