Immer noch sitzt mir der Schreck der bebenden Erde ein wenig in den Knochen, hält mich aber nicht davon ab, mir einen schönen Tag zu machen. Ich gehe in den „Monkey Forest“. Ich habe zwar schon viele Affen gesehen, aber hier ist es nochmal anders, denn die balinesischen Langschwanzmakaken sind völlig unerschrocken und tun gerade so, als wären wir Menschen welche von ihnen 😆 Sie springen um einen herum, über einen drüber, auf einen drauf. So krallt sich direkt am Anfang einer meine Wasserflasche. Ich habe keine Chance. Immerhin gelingt es mir, die leere Flasche später zu entsorgen. Meine Tasche, die sie ebenfalls wollen, kriegen sie aber nicht 💪 Ein schönes Fleckchen Natur mit teils gigantischen Bäumen, alten Skulpturen und Tempeln, dazu die unterhaltsamen Tiere, mehr oder weniger mitten im Ort.

Was mich auf Bali begeistert, ist die Auswahl an organischem Essen, immer frisch zubereitet. Das gönne ich mir auch, wenngleich die Preise hier insgesamt deutlich höher sind. Doch ich tue es ja für mich und mein Wohlbefinden, habe schließlich dazu gelernt 😉 Die Wahl meines geplanten Retreats hingegen fällt sehr kostengünstig aus, denn die folgenden Tage verbringe ich mit einer fetten Erkältung krank im Bett. Und das ist ja so ähnlich wie meditieren, in sich gehen, bei sich sein 🙃 Prima, dass das meiste Volumen meines Gepäcks die Reiseapotheke ausmacht, aber fast nichts gegen Erkältung drin ist. Da ich auf Bali bin und das irgendwie passt, heile ich mich jetzt mal auf natürliche Weise selbst. Ich studiere meine „Reiseglobulipalette“, nutze das Salzwasserspray, das ich zum Fliegen mitgenommen hatte, schmiere mich mit Tigerbalm ein und trinke jeden Tag frisch gepressten Ananassaft als Vitaminbombe schlechthin. Statt Nivea schmiere ich mir Bepanthen um die Nase, nur an Ibuprofen komme ich nicht vorbei und habe zum Glück auch noch eine ausreichende Menge. An eine Lungenentzündung möchte ich gar nicht denken, wobei ich jede Nacht klatschnass wach werde. Aber zur Not hätte ich ein Breitbandantibiotikum dabei. Es war einfach nicht gut, noch stundenlang nass beim Brahmanen zu sitzen und im klimatisierten Auto zurück zu fahren. Dazu vermutlich einige angestoßene Prozesse, die der Körper zu verarbeiten hat. So verlängere ich von vier auf acht Nächte in Ubud, alles andere wäre gerade undenkbar. Außerdem bin ich hier gut aufgehoben und fühle mich wohl.

Drei Tage später, zwar noch nicht ganz fit, raffe ich mich auf, um ein bisschen hinaus zu gehen. Ich kann leider nicht sagen, um frische Luft zu schnappen, denn die gibt es hier wegen der Schwüle nicht, aber dennoch. Ich nehme zur Abwechslung einen anderen Weg und frage mich, warum ich das nicht schon vorher gemacht habe. Denn die Straße aufwärts erwartet mich deutlich mehr Ruhe, Reisfelder, kleine Dörfer und Tempel, eine prächtige Natur. Jetzt erst erkenne ich das wahre Bali und bin ganz glücklich. Ich komme an ein zauberhaftes Café und bestelle mir einen weiteren gesunden Drink, heute Ananas mit Koriander und Limette 😋 Außerdem komme ich an einem Spa vorbei und entscheide mich für eine traditionelle balinesiche Massage. Wie wohltuend das ist! So viel angenehmer als die Thai-Massage und dennoch gefühlt mit genialer Wirkung. Danach geht es gemütlich zurück, merke ich doch, noch nicht wieder ganz bei Kräften zu sein, und lege mich etwas hin. Später mache ich mich dann doch nochmal auf, denn es ist der letzte Tag des „Tourist Village Festivals“ und da möchte ich zumindest kurz vorbei schauen. Eine Bühne, auf der eine Asiatin mit einer E-Geige abgeht und ca. 70 Stände – mit Essen, Getränken, buchbaren Touren, Handgemachtem. Ich schlendere umher, probiere zwei kulinarische Köstlichkeiten und trinke einen, ganz genau: frischen Ananassaft 🤣
Als ich zurück komme, bietet mir Nang einen Kaffee an und seine Frau Putu gesellt sich zu mir. So eine liebenswerte und herzige Frau. Sie sagt, sie möchte sich so gerne mehr mit mir unterhalten und ist so interessiert, aber sie könne leider nicht so gut englisch. Das finde ich gar nicht und doch bittet sie irgendwann ihren Mann Nang dazu, der dann gelegentlich für sie übersetzt. Wir haben ein ganz berührendes Gespräch und ich erfahre viel über balinesische Traditionen, aber auch über ihr eigenes Leben. So erzählt Nang, dass er in der ärmsten Familie des Ortes aufgewachsen ist. Als sie sich verliebt hatten und Putu das erste Mal zu ihm kam, hat er ihr seinen Schlafplatz gezeigt. Eine Bambusmatte auf dem blanken Boden, Ziegelsteine als Kissen. Und er sagte ihr, es sei ihre Wahl. Und sie hat sie getroffen, zum Leid ihres wohlhabenden, im Ort anerkannten Vaters, der sehr enttäuscht war. Gemeinsam haben sie es geschafft und sich inzwischen richtig groß was zusammen aufgebaut. Und der Schwiegerpapa ist inzwischen auch ganz stolz. Wow, das nenne ich Selbstachtung & Liebe und das damit nichts Unmöglich ist 😍 Da sieht man mal wieder, die Dinge sind oft nicht so, wie sie zu sein scheinen. Eine Erfahrung, die ich auch schon hin und wieder gemacht habe. Menschen, die über Dich urteilen und genau gar nichts über Dich, Deine Geschichte, Deinen Schmerz, Deine Traurigkeit wissen, nur das sehen, was sie sehen wollen.

Ich erfahre auch, warum sich tatsächlich auf jedem Grundstück mehrere tempelähnliche Gebäude befinden. Es sind immer mindestens vier. Einer, in dem die Großeltern leben, einer für die Kinder und Enkel, ein Küchen-/Wohnbereich und der Familientempel – für die täglichen Opfergaben und an dem gebetet wird. Auf meine Frage, ob ich mir den Familientempel ansehen darf, antwortet er „selbstverständlich“, allerdings nicht während der Periode. Das bedeutet nämlich, dass der Körper schmutzig ist und gilt für sämtliche Tempel auf der Insel. Na prima, als hätten wir Frauen uns den Käse ausgesucht 😏
Nang und Putu haben außerdem das Gebäude mit den Gästezimmern, in dem auch die Zahnarztpraxis von Putu untergebracht ist und eine Pagode, unter der ich frühstücken darf. An den Tagen, an denen es mir nicht gut ging, bekam ich mein Frühstück sogar auf meinem Balkon serviert 😊

Putu erzählt mir, dass sie mich am Wochenende mit auf ihren Ausflug nehmen wollten, aber wussten, dass ich krank bin. So viel Gastfreundschaft, ohne Worte.
Und so fährt mich Nang auch am nächsten Morgen um 5:30 Uhr mit dem Roller auf die andere Seite des Ortes, von der aus ich zu einer Anhöhe laufen kann, um den Sonnenaufgang zu sehen. Wir fahren am Markt vorbei, der von 5:00 bis 7:30 Uhr entlang der Hauptstraße stattfindet. Hier kaufen die Einheimischen täglich alles frisch ein – unter anderem Obst, Gemüse und Fleisch. Wir kommen an, er lässt mich absteigen und für das erste Stück, am Fluss entlang, brauche ich meine Handytaschenlampe, weil es gar noch finster ist. Ein genialer Weg und gänzlich ohne Verkehr, ein Segen. Die Bilder, die sich mir bieten, ein Traum. Ich kann sogar bis zum aktiven Vulkan Mount Batur sehen. Die Wolkenformationen stören nicht, denn die Sonne setzt sich irgendwann durch und ich sehe mit eigenen Augen, was ich sonst nur auf Bildern oder Kalenderblättern gesehen habe, faszinierend. Dankbar, dass ich meinen persönlichen Spruch „Der frühe Vogel kann mich mal“ nun, zumindest gelegentlich, hinter mir lassen kann 😆 und das Magische der Morgenstunden erleben darf. Jetzt verstehe ich auch meinen lieben Papa, der immer so früh unterwegs war. Vor lauter Begeisterung gehe ich immer höher und höher, komme durch Dörfer, in denen schon früh morgens gefegt und aufgeräumt wird, in denen die Menschen sich langsam auf den Trubel des Tages vorbereiten. Ich scheine in einer abgelegenen Gegend angekommen zu sein, was ich an den Blicken der Einheimischen merke, doch stets lächelnd und freundlich grüßend. Ich denke, dass es doch auch „obenrum“ einen Weg zurück geben müsste, werde nach einer Stunde dann aber skeptisch und frage einen Jugendlichen auf dem Roller, ob die Straße aus der er kommt, nach Ubud zurück führt. Er sagt, dass es hier oben keinen Weg zurückgebe, ich müsse umkehren. Dickköpfig wie ich sein kann, bedanke ich mich freundlich und folge der Straße, aus der er kommt, immer noch auf einen anderen Rückweg hoffend. Ich muss lachen, als ich den Weg gehe, denn schnell merke ich, dass auch dieser wieder abwärts führt. Schon fast peinlich wird es mir, als der junge Mann von hinten mit dem Moped gefahren kommt und mich wundernd anlächelt. Ein paar hundert Meter weiter kommt er erneut gefahren und sagt, ich könne gerne aufsteigen, er fährt mich zurück. Ich spüre, dass ich fast keine andere Wahl habe und setze mich hinter ihn auf den Roller. Wir fahren circa eine halbe Stunde und mir wird bewusst, dass ich das kräftemäßig gar nicht geschafft hätte. Habe ich doch eine ganz schön weite Strecke zurückgelegt. Wie einem doch manchmal Engel geschickt werden. Ich bedanke mich überschwänglich bei Wayan und gebe ihm etwas Geld. Er freut sich und ich bin glücklich, dass ich gleich frühstücken und mich dann nochmal hinlegen kann. Nang muss lachen, als ich ihm die Geschichte erzähle und auf die Frage, ob Wayan hier ein oft gebräuchlicher Name ist, erklärt er mir, dass die Erstgeborenen alle so genannt werden. Zum Thema Namensgebung könnte ich ein ganzes Buch schreiben. Aber vielleicht fange ich erst einmal mit einem an 😁