Mir ist noch im Ohr, wie Elias, einer der Jungs von den Perhentian Islands, von Pai schwärmt und so kam es mit auf „meine Liste“. Leider ist es nicht direkt von Chiang Rai erreichbar und so fahre ich mit einem Bus dreieinhalb Stunden lang zunächst nach Chiang Mai, um schließlich in einen Minivan umzusteigen und die 762 Kurven (!) in drei weiteren Stunden auf mich zu nehmen, die mich nach Pai bringen. Der Weg ist landschaftlich mit das Schönste, das ich bisher gesehen habe und ich teile die oft gelesene Meinung: wer nicht im Norden war, hat Thailand nicht gesehen. Es bedarf einiger Konzentration, um meinen Magen in Schach zu halten und er schlägt sich wacker. Wir kommen am Minibusbahnhof an, der quasi inmitten des Nachtmarkts gelegen ist. Jetzt habe ich ja schon einige gesehen, erkenne aber schnell, dass das hier nochmal ein extra Besonderer ist. Also bringe ich schnell meine Sachen in die Unterkunft, werde freundlich von Aaron aus Kalifornien begrüßt, der das Zimmer mit mir teilt, und komme wieder zurück. Ich hole erst etwas zu essen: Gyozo – gebratene Teigtaschen mit Chicken-Füllung *yummie* und dann laufe ich wie in Zeitlupe durch diesen schönen Ort voller junger & jung gebliebener Menschen und geschmackvoller Angebote an den Ständen. Wie ich an einem stehen bleibe, um etwas genauer zu schauen, tippt mich jemand von hinten – Ingrid aus der Chiang Rai-Tour-Gruppe. Wie ich mich freue. Ich geselle mich zu ihr an eine der vielen Open Air-Bars, wir trinken ein Bierchen und reden da weiter, wo wir auf der Tour aufgehört hatten. Auch von ihr hatte ich einige Tipps zum Norden bekommen. Überhaupt hat sie einiges an Reiseerfahrungen auf Lager. So viel Reiselust, Coolness und witzige Geschichten hätte ich nicht vermutet. Ganz baff bin ich, als sie sagt, sie hätte sich meine Seite angeschaut, findet das mit der Weltreise super und plant das jetzt für 2020 – geht also auch noch mit 61 Jahren 😉 Auf dem Markt treffe ich dann auch noch den Israeli, der im gleichen Minivan saß und grinse vor Glückseligkeit mal wieder nur noch vor mich hin. Da bist Du so weit in fremden Ländern und fühlst Dich dennoch irgendwie heimisch. Und jetzt muss ich über die Frage schmunzeln, die mir im Vorfeld mehrfach gestellt wurde: „Was machst Du, wenn Du Dich alleine fühlst?“ 😄
Zum ersten Mal fröstelt es mich abends und auch in der Nacht, wobei es hier tagsüber 33 Grad hat! Man merkt jedoch die Höhe und die Berge. Jetzt bin ich ganz gespannt, das Städtchen bei Tag zu erkunden. Nach einer größeren Runde bin ich ganz entzückt von diesem zauberhaften Ort mit seinen modernen, schönen, skurrilen Cafés, Bars und Restaurants, mit den ansprechenden Läden, dem Fluss, an dem man einfach stundenlang nur sitzen und genießen kann. Das macht auch Ingrid und so sehen wir uns erneut zufällig. Und ich könnte keinen schöneren Platz finden, um zu schreiben.
Am Abend zieht es mich natürlich wieder auf den Markt, um von den unzähligen kulinarischen Genüssen zu probieren und ich kann kaum glauben, wie viele bekannte Gesichter ich treffe – aus dem letzten Ort, dem Bus, dem Hostel. Ich fühle mich wie daheim 😆 Und so bleibe ich immer wieder für einen kleinen Plausch stehen, bevor ich auf Aaron treffe. Und es dauert nicht lange, da sind wir eine Gruppe von sechs, die halb deutsch, halb amerikanisch ist. Ein junges deutsches Pärchen erzählt uns, dass sie mit jeweils einem Gramm Gras erwischt worden sind und es nicht gut aussieht. Sie mussten zunächst ihr gesamtes Guthaben beider Konten abheben, ein Verfahren steht aus. Sagt man in diesem Moment „Shit happens“? Okay, wohl eher nicht 😬 Auf jeden Fall haben wir einen äußerst lustigen Abend, an einem Pool bei Live-Musik. Kurz vor Mitternacht zieht die Gruppe weiter, ich will mich auf den Weg in die Unterkunft machen. Der Wille ist auch wirklich da. Unterwegs treffe ich jedoch Noam, den Israeli aus dem Minivan und… bleibe hänge. Und noch nie hat der Spruch so gut gepasst, wie hier: wir sprechen über Gott und die Welt. So spannend, ich hatte vorher noch nie die Gelegenheit, so viel über Israel oder das Judentum zu erfahren. Und so wird es spät. Ich kann aber ausschlafen, denn ich habe erst für den Mittag eine Halbtagestour geplant, um etwas von der grandiosen Landschaft drum herum zu genießen. So fahre ich zur für Pai bekannten „Bamboo Bridge“ und bin einfach nur überwältigt. Ein langer Bambussteg, der sich durch die Weite schlängelt, eingebettet in Felder, auf denen Einheimische ihrer Arbeit in brütender Hitze nachgehen, immer wieder Laternen, die im Hauch eines kaum spürbaren Windes wehen und im Hintergrund überall Berge. Ich kann es kaum aufnehmen, so hin und weg bin ich.
Der anschließende Wasserfall kann in dem Fall nicht ganz mithalten, aber ein kurzer Moment der Kühle tut dennoch gut, zudem sind die Felsen um das Wasser in ihren Farben ebenfalls erstaunlich.
Mein nächster Stop ist der „Landsplit“. Hier haben zwei Erdbeben unglaublich sichtbare Spuren hinterlassen und die Erde massiv auseinander geschoben. So gewaltig können Naturkatastrophen sein… Ich folge der Empfehlung von Aaron und nehme einen anderen, als den vorgegeben Weg und als ich nach einiger Steigung ankomme, bleibe ich minutenlang einfach nur stehen und bin baff ob dieser unbeschreiblichen Natur und Ferne in die ich blicke. Täler, Wiesen, Felder, Weiden, Wälder und Berge, dass meine Augen kaum alles auf einmal erfassen können.
Nach einiger Zeit unten wieder angekommen, erwartet mich eine freundliche Einheimische und bietet mir frischen Hibiskussaft an. Ich hätte die Blüten, die hier überall wachsen, nicht als solche identifiziert, aber es schmeckt ausgesprochen lecker. Dazu etwas Süßkartoffel zum Probieren, Erdnüsse und eine Banane. Anschließend bin ich satt 😁
Zum Abschluss geht es zum Sonnenuntergang in den „Pai Canyon“. Erneut komme ich aus dem Staunen nicht heraus und fühle mich ein wenig, als wäre ich auf dem Mars gelandet: unebene Erde mit Löchern und Spalten, die im Abendrot eine faszinierende orange-rote Farbe hat. Die Sonne geht hier so schnell unter, wie ich es bisher kaum erlebt habe, doch auch im Anschluss lohnt sich der Blick auf die Felsen und die Berge.
Beseelt komme ich zur Unterkunft zurück, lasse alles ein wenig nachwirken, bevor es wieder ins Örtchen geht. Lose bin ich mit Ingrid verabredet, doch wir begegnen uns nicht. Während ich jedoch in der Bar des ersten Abends warte, kommt Noam um die Ecke. Wir bummeln dann irgendwann über den heimeligen Markt und Noam kauft das ein oder andere Mitbringsel. Definitiv hätte ich hier auch einen Koffer gefüllt, wäre ich im Urlaub hier 😄 Und wie es der Zufall will, treffen wir auf Aaron, der zusammen mit Petra aus Slowenien 😍 unterwegs ist. Nachdem wir uns einige Zeit auf der Straße unterhalten, kommt uns der Gedanke, dass wir uns ja auch irgendwo gemütlich hinsetzen können, machen wir. Unglaublich wie viel sich „Fremde“ zu erzählen haben und wie nah man sich dabei gleichzeitig ist. Für einen Moment sind es Freunde in der Ferne und das Schwierigste wird für mich wohl immer bleiben, sie wieder „loszulassen“. Auch wenn man sporadisch Kontakt hält, so ist mir klar, dass wir alle irgendwann in unseren Alltag zurückkehren. Und doch fühlt es sich hier außergewöhnlich an. Ein Ort, an dem man sich unbewusst verabredet zu haben scheint, um diese ich möchte „Magie“ sagen, gemeinsam erleben und spüren zu können.

Ich bin traurig, dass ich am nächsten Tag weiterziehe. An diesem unbeschreiblichen Ort könnte ich wochenlang bleiben. Doch kein Grund zur Traurigkeit, denn erstens pilgert jeder nach Chiang Mai weiter, um zum Lichterfest dort zu sein und zweitens habe ich noch so viel Freude mit Aaron im Zimmer. Er erzählt aus seinen Kindertagen in den Wäldern am Rande Kaliforniens und seinen dortigen Erfahrungen mit Bären. Wir scheinen zu laut zu sein oder die Wände zu dünn, als jemand herein kommt und uns bittet, leiser zu sein. So ist anschließend jedes zweite Wort „psst“ und wir kichern wie Kinder, einer im Hochbett oben, der andere gegenüber unten. Ach Gott ist das lustig und schön zugleich.

Selbst am nächsten Morgen noch gibt es noch schöne Begegnungen, als wäre das alles bestimmt. Und der krönende Abschluss ist „Mama“, wie sie alle nennen, die Besitzerin des Hostels. Erst will sie ein Selfie mit mir machen und dann drückt sich mich zum Abschied bestimmt drei Mal. Tage, die mich zutiefst berührt haben und die sicher mit zu den schönsten meiner Reise gehören werden.