Manchmal würde es „reichen“, einfach zu vertrauen, dass alles läuft, auch ohne es im Detail zu planen… Kurz vor knapp meldet sich noch jemand auf meine Anzeige bei „Couchsurfing“, in dem Fall nur leider zu spät. Aber immerhin: es hätte eine Lösung gegeben. Und im Flieger bekomme ich einen Einreisezettel zum Ausfüllen, mir ist etwas unklar und ich frage meinen Sitznachbarn. Wir kommen nach und nach ins Gespräch. Keeran ist Malaye und lebt in Australien. Den freien Sitz beziehungsweise den Tisch zwischen uns, funktionieren wir irgendwann zu einer kleinen Bar um. Er braucht die Getränke wegen seiner Flugangst, ich freue mich, dass ich nach der fast Wein-freien Zeit in Asien nun ein Gläschen davon trinken kann. Eigentlich wollte ich ja schlafen, weil mir durch den späten Flug ohnehin die halbe Nacht fehlen wird, aber man muss die Feste schließlich feiern, wie sie fallen 😆 Ich hätte auch keinen Shuttle gebraucht, denn Keeran fährt mit dem Taxi heim und lässt mich auf dem Weg dorthin am Hotel aussteigen. Ich freue mich über mein Zimmer, muss aber direkt ins Bett, da ich nicht nur hundemüde bin, sondern auch einen im Tee habe 🤪
Mit der Aussicht aus meinem Zimmer am nächsten Morgen hätte ich nicht gerechnet und freue mich über den Blick auf die Skyline von Darwin und das Meer. Ich bin heute sehr langsam und das ist auch gut so, denn draußen sind es 36 Grad, durch die hohe Luftfeuchtigkeit gefühlt jedoch 40. Später gehe ich durch das überschaubare Städtchen und schaue mich um. Es ist nett und doch fühle ich mich nicht wohl. Gerade habe ich mich an Länder gewöhnt, in denen es wenige Regeln und eine gefühlte Form von großer Freiheit gibt, nun stehe ich in einer Stadt, einem Land, dem unseren so ähnlich: sauber, geordnet, geregelt, überteuert. Überall die schicken Läden mit Markenklamotten, Essen und Getränke kaum bezahlbar. Und in dem Moment bereue ich, meinem Impuls nicht gefolgt zu sein, Asien zu verlängern. Ich war endlich raus aus diesem „engen Rahmen“, wie wir ihn daheim haben und bin nun wieder drin, wenn auch am anderen Ende der Welt. Ich überlege hin und her, wo ich denn ersatzweise hin könnte, doch Fehlanzeige, denn um Australien herum gibt es nicht viel. Das nächstgelegene ist Indonesien, aber da war ich ja schon und jetzt wieder zurück, fühlt sich auch nicht kraftvoll an. Also suche ich eine Touristinformation auf, um mich wegen einer Tour durch den Kakadu National Park zu erkundigen, das ist schließlich der Grund, warum ich in Darwin bin. Hier wird mir gesagt, dass es nur eine verfügbare Tour mit einer Übernachtung gibt, für sage und schreibe mehr als 800 Australische Dollar, was in etwa 515 Euro sind! Nein, das kann, will und werde ich nicht bezahlen, ich bin geschockt. Ich könne auch eine Tagestour von 14 Stunden machen, die liegt bei der Hälfte. Ich verlasse das Büro und bin deprimiert. Da ich mit Keeran auf ein Getränk verabredet bin, laufe ich in die entsprechende Richtung und kurz vor knapp entdecke ich nochmal ein kleines Tourenbüro für Backpacker. Dort bietet die herzliche Frau mir eine Tour mit zwei Übernachtungen für 600 Dollar an. Auch nicht günstig, aber anders komme ich nicht in den beziehungsweise die Parks, hier ist noch der Litchfield National Park mit dabei. Es ist kurz vor Ladenschluss und ich buche bereits für den nächsten Morgen, an dem es schon um 6:20 Uhr losgeht. Spontaneität wird also immer mehr meins 😁 Ich treffe Keeran, der mit mir eine australische SIM-Karte kaufen geht und mir danach einen der Strände und die Hafengegend zeigt, an der man schon erkennen kann, dass hier die Schönen und Reichen und ganz schön Reichen leben und bin dankbar, dass er mich auf ein Bier einlädt, das ganze 9 Dollar kostet. Ich bin ganz unruhig, was er merkt. Ich muss schließlich umpacken, da für die Tour nur eine kleine Tasche erlaubt ist, früh schlafen, ein paar Sachen erledigen und mich ja eigentlich wegen meiner Weiterreise organisieren. Dennoch verbringen wir einige Zeit zusammen und ich bin dankbar für die Tipps, die ich von ihm bekomme. Als Sicherheitsingenieur kann er mir vor allem zum Umgang mit den giftigen Tieren etwas sagen 😬 Ob ich das nun wirklich hören wollte, weiß ich nicht. Denn je mehr Du hörst, desto mehr denkst Du ununterbrochen an giftige Tiere. Mit dem frühen Schlafen klappt insofern, dass es 1 Uhr wird, ich somit noch vier Stunden Schlaf habe und das nach der letzten Nacht.

Und so gehe ich auf Tour. Wir sind mit unserem Guide Brent zu zehnt. Ein Teilnehmer erscheint nicht, hat wohl verschlafen und ist anschließend nicht mehr auffindbar, obwohl wir gewartet hatten, kurios. Der Park ist fast 300 Kilometer entfernt und obwohl ich gerne die Landschaft sehen möchte, schlafe ich immer wieder ein.

An unserem ersten Ziel angekommen, erklärt Brent uns die vielen Malereien der Aborigines. Die Felsformationen sind unbeschreiblich, der Blick auf das Land atemberaubend. Wenn ich in Pai von Weite geschrieben habe, weiß ich nicht, was hierzu die Steigerung ist. Es ist, als könnte man weit, weit über den Horizont hinaus blicken. Und da fällt mir wieder ein, warum ich Australien eigentlich liebe. Ich könnte hier einfach stundenlang sitzen und auf dieses unglaubliche Land schauen, das durch die bereits begonnene Regenzeit sehr grün ist und doch ist der rote Boden des Northern Territory, des Outback, zu sehen. Einfach unbeschreiblich faszinierend. Der Nationalpark ist so groß wie die halbe Schweiz – ein einziger Park in diesem Land!!

Ich wusste, dass die Tour eher abenteuerlich wird, aber so, das hätte ich nicht erwartet. Und ich meine nicht den einfachen Lunch, den wir im Park in Form eines Picknicks zu uns nehmen, Geschirr in Plastikwannen spülen, unser Wasser aus einer Riesentonne abfüllen. Nein, ich meine das Zelt, in dem ich unfreiwillig alleine übernachte, das weitestgehend offen ist. Das heißt, es gibt eine Überdachung und einen Boden, ansonsten ein Netz drum herum, das jedoch auch nicht mehr ganz intakt ist. Das vorhandene Bett mit dem Kissen ist wenig einladend, das Betttuch und der Schlafsack, den wir bekommen, fast schon eklig. Da reihe ich mich ein und lasse später zum Schlafen meine kompletten Klamotten an. Der Weg zur Toilette ist weit und das einzige, worum ich bete, ist, dass ich nachts nicht muss. Ich gehe noch mit Christine aus München und Julia aus Leipzig an die Bar und komme mit Aborigines ins Gespräch, was mich ausgesprochen freut. Überall wird man vor ihnen gewarnt, denn in den Städten scheinen sie nicht ungefährlich. Ich urteile ja nicht gerne, aber tatsächlich sehen sie duster und teils sehr heruntergekommen aus. So wird man dann wohl, wenn man seine Wurzeln nicht leben kann, aus seinen eigenen Gebieten vertrieben wird, keine Arbeit, keinen Anschluss findet, letztlich nicht integriert wird. Das Geschwisterpaar, mit dem wir sprechen, hatte Glück. Ihnen gehören im gesamten Umkreis alle Unterkünfte. Als die Regierung in ihr Gebiet vordringen wollten, haben sie Bedingungen gestellt, diverse Schreiben aufgesetzt, damit ihr Land geschützt bleibt und die Menschen hier ihre gewohnten Traditionen fortführen und ihrem Ursprung treu bleiben können. Das scheint ihnen ganz gut gelungen zu sein. Eine sehr bereichernde Begegnung. Das hatte ich mir immer gewünscht, mich mit Aborigines austauschen zu können.

Auf dem Weg zum Zelt kreisen meine Gedanken um Spinnen und Schlangen, meine Nacht im Zelt. Dann denke ich mir, dass die Spinnen sich ja wohl kaum sammeln und darauf warten, mich zu attackieren, es sind ja keine Krokodile. Und giftige Schlangen… nun, es gibt auch giftige Menschen. Anders weiß ich mir nicht zu helfen, aber das tut schon mal ganz gut. Außerdem werde ich durch ein anderes Problem abgelenkt: es fängt an zu gewittern, stürmen, regnen und mein Zelt liegt unter einem Baum. Ein Einschlag, der recht nah sein muss, führt zu einer halben Herzattacke, nicht nur bei mir. Wie gut, dass ich so unglaublich müde bin, denn so finde ich trotzdem zügig in den Schlaf und kann sogar durchschlafen. Die Nacht ist wieder nicht lang, denn um 5 Uhr heißt es erneut aufstehen zur Rivercruise. Außerdem muss ich noch duschen, was ich mich am Vorabend aufgrund der Dämmerung nicht getraut habe 🤣 Die Bootsfahrt führt uns in den frühen Morgenstunden durch ein unbeschreiblich friedvolles Gebiet mit unzähligen, uns unbekannten Vögeln und einer Menge Krokodile, die direkt neben unserem Boot schwimmen. Tatsächlich wirken auch sie friedlich. Gruselig wird es jedoch, als wir hören, dass seit der letzten fünf Jahre neunzehn (!) Menschen vermisst werden, die vermutlich diesen aggressiven Tieren zum Opfer gefallen sind. In manchen Fällen wurde es sogar beobachtet, so zum Beispiel bei zwei deutschen Backpacker-Mädchen, die wohl nicht achtsam genug waren. Als eines der Mädchen angegriffen wurde, wollte die andere ihr helfen und so hat es beide das Leben gekostet 😳 Grausam. Im weiteren Tagesverlauf fahren wir viel, sehen weitere Naturwunder, für die Worte nicht ausreichen und die man mit keiner Kamera der Welt wirklich so festhalten kann, wie sie sind. Wir machen auch eine Wanderung, die uns zur Mittagszeit aufgrund der Hitze jedoch an unsere Grenzen bringt. Der Wasserfall an den wir gelangen, entschädigt leider nur rein vom Anblick, denn aufgrund möglicher Krokodile können wir nicht ins Wasser.

Heute schlafen wir auf einer Riesenfarm, auf der unterschiedlichste Tiere auf einer großen Fläche und wunderschöner Natur im Einklang miteinander leben: Büffel, Kühe, Esel, Pferde, Känguruhs, Wallabies, Gänse, Pfauen und erneut ein Dutzend unterschiedlicher Vögel. Was für eine schöne Gegend. Heute ist das Zelt, das ich erneut alleine habe, nicht mehr so schlimm, eine Nacht habe ich ja schon überlebt 💪 Duschen gehe ich dieses Mal direkt, denn die Hitze ist unfassbar. Ich bin komplett nass geschwitzt und die Sachen trocknen nicht einmal wegen der hohen Luftfeuchtigkeit. Im Gegenteil, über Nacht werden sie noch nässer. Heute grillt Brent für uns und bereitet ganz wunderbare Salate dazu und inzwischen ist auch die Gruppe etwas aufgetaut. Es ist eher eine von der ruhigen Sorte, was jedoch zu meiner derzeitigen Stimmung passt. Am späten Abend sitze ich mit Julia noch lange am Pool und als sämtliche Lichter ausgehen, bewundern wir den Sternenhimmel über uns. Auf dem Weg zum Zelt müssen wir aufpassen, dass wir auf keine Kröte treten, denn es gibt sie massenweise, riesengroß. Und sie machen keine Anstalten, aus dem Weg zu gehen und gerne springen sie auch mal in die Toiletten. So kam es mehrfach vor, dass drei von vier Toiletten von Kröten besetzt waren 😅 Heute genieße ich das Zelt schon fast, da mich die Geräusche der Tierwelt in der Nacht auf eine seltsame Weise berühren. Und nun bin ich mir sicher: wer respektvoll mit der Natur und all ihren Lebewesen umgeht, muss sich auch nicht fürchten. Daran möchte ich zumindest glauben 😁

Auf dem Weg zum Litchfield National Park machen wir Halt in einem Café eines weiteren Hofes. Musik und Gegend erinnern an Texas, obwohl ich noch nie da war. Dann passiert, was ich nie für möglich gehalten hätte. Der Australier, der das hier beherbergt, hängt mir eine Schlange um den Hals. Erst will ich nicht, dann denke ich, es kann mir ja nur helfen, meine Ängste abzubauen. Als ihr Kopf jedoch an mein Gesicht kommt und ich ihre Zunge schon spüre, wird mir anders. Doch der coole Typ meint nur „Wow, ungewöhnlich, sie küsst Dich, sie mag Dich“. Aha. Freude blitzt nur kurz auf, dann bin ich froh, dass er sie mir wieder abnimmt 😅 Abgefahren.

Wir picken weitere Leute auf, die einen Tagesausflug gebucht haben und steuern den ersten Wasserfall an. Es werden heute insgesamt vier und wir könnten überall schwimmen. In zweien davon gäbe es Süßwasserkrokodile, die nicht so schlimm seien. Gut, ich verzichte dann mal aufs Schwimmen und gehe den Weg, der ringsum führt. Gut, dass ich mir auch hier vorher keine Gedanken gemacht habe, denn der Weg führt durch viel Bewuchs, aufwärts, abwärts, rein theoretisch könnte hier alles herumkriechen und ich bin alleine unterwegs. Ich fasziniere mich für die Pflanzen und Blüten, für den Ausblick, das Wasser, das von hier oben nach unten stürzt. Und schaffe auch das. Es fängt an, mir richtig Spaß zu machen 🙃 Beim vierten Wasserfall packt es mich dann doch und ich verschaffe mir eine Abkühlung. Hier sind angeblich auch definitiv keine Krokodile. Wir haben Spaß im Wasser und ich freue mich, dass ich das dann doch auch noch mitnehme. Ich würde sagen, eine schöne Tour, die mich hat wieder ein ganz großes Stück wachsen lassen, ich staune über mich selbst.

3 Tage und 1.300 Kilometer später, zurück im Hotel, wasche ich Wäsche und versuche Ordnung in mein Gepäck zu bekommen, vielleicht hilft es auch für die äußere Ordnung, denn ich habe immer noch keine Ahnung, was ich wann eigentlich in Australien machen soll, nachdem so viele Pläne hinfällig wurden. Ich buche einen Inlandsflug nach Brisbane, aber auch nur deswegen, weil es der günstigste ist 🤓 Abends gehe ich mit Christine noch griechisch Essen. Etwa 30% der Bevölkerung in Darwin sind Griechen, irgendwie lustig.

Der nächste Tag steht gänzlich unter dem Motto „Erholung“, denn ich bin nach so vielen kurzen Nächten und heißen Tagen richtig platt. Und lasse schließlich auch all meine Emotionen zu, die aufkommen, weil ich mich immer noch seltsam fühle in Australien…
Meine Emotionen erreichen dann am Flughafen in Darwin ihren Höhepunkt, als mich die Nachricht vom plötzlichen Tod einer sehr lieben und wertvollen Kollegin erreicht. Ich ringe um Fassung, ich bin geschockt, fassungslos, sprachlos, unendlich traurig.