Obwohl  es ein Nachtflug ist und ich üblicherweise keine Schwierigkeiten habe, ist heute nicht an Schlaf zu denken. Meine Gedanken sind bei meiner Kollegin, immer wieder Tränen, Erinnerungen an so viele gemeinsame Momente, Gespräche und Erlebnisse, die es in über zwanzig Jahren gegeben hat. Es wird dauern, bis ich das begreifen, realisieren kann. Vielleicht auch erst, wenn ich wieder zurück bin.

Es ist die dritte Todesnachricht in nur einem Monat, fast beängstigend. Die anderen beiden waren nochmal neun Jahre jünger, gerade einmal 47 Jahre alt. Alle drei, plötzlich, von jetzt auf nachher, ohne Vorankündigung. Wie doch auf einmal alles vorbei sein kann. Sind wir daher nicht geradezu verpflichtet, unser Leben zu genießen? All das zu tun, was uns erfüllt, tagtäglich? Mir wird bewusst, wie dankbar ich sein kann, mir mit dieser Reise einen Herzenswunsch zu erfüllen. Wir bereuen nicht, was wir tun, sondern das, was wir nicht tun. Und genau das war meine Frage, die schließlich zu dieser Reise geführt hat „Was werde ich am Ende meiner Tage bereuen, was ich gerne getan hätte und nicht getan habe?“ Nur eine Frage und doch eine gute Unterstützung zur Entscheidungsfindung für die nächsten Schritte auf dem eigenen Weg, immer und immer wieder.

Ich lande in Brisbane, nehme den Airtrain in die Stadt, gehe ein Stück und komme in einem riesigen Hostel an, das aus zwei Gebäudekomplexen besteht, die durch einen Pool-/Barbereich miteinander verbunden sind. Da es gerade mal 7 Uhr ist, kann ich noch nicht einchecken, bleibe im angenehmen, wenn auch großen, Aufenthaltsbereich und telefoniere mit einer lieben Freundin von der Arbeit. Das Telefonat berührt mich sehr, denn sie sagt, sie wollte mich nach der schrecklichen Nachricht gleich anrufen, sie hätten daheim und in der Redaktion ja einander, aber ich sei da draußen, alleine und muss mit der Nachricht klar kommen… Wie lieb ist das denn bitte!!

Als ich Stunden später ins Zimmer kann – ich habe mich für ein 4 Bett-Frauenzimmer entschieden, 20 Betten wären mir dann doch 14-16 zu viel 😆 – muss ich mich erst einmal hinlegen. Die letzten 12 Stunden waren dann doch etwas zu viel…

Ich freue mich, dass ich direkt neben Chinatown wohne, bringt es mir doch ein Stück Asien wieder zurück und damit das gesündere Essen, als es hier in Australien ist. Gar nicht so einfach, sich hier unterwegs einigermaßen gut zu ernähren. Burger, Toast, Wrap & Co. lassen grüßen 😬

Am nächsten Tag schaue ich mir am Tourenschalter ein paar Prospekte an, denn ich habe ja immer noch keine Ahnung, was ich hier in Australien so alles machen will. Ich werde von Lukey angesprochen. Ob ich Hilfe bräuchte. Ich sage, ich schaue mich nur mal um. Er wiederholt, dass er mir gerne helfen kann. Darauf sage ich, dass ich ehrlich gesagt, gar nichts weiß und es so viel ist, was ich an Informationen bräuchte. Okay, ich nehme schließlich Platz und erzähle ihm, wie viel Zeit ich in Australien habe, welche Ideen und dass ich ehrlich gestanden überfordert bin. Zwei Stunden nimmt er sich Zeit und plant die kommenden 20 Tage akribisch genau mit mir durch und bucht alles Erforderliche. Was bin ich erleichtert und glücklich. Und in diesem Moment, weiß ich, dass ich genau aus diesem Grund nach Brisbane fliegen musste. Es gibt dann eben doch keine Zufälle. Und oft weiß man erst viel später, für was etwas gut und sinnvoll war. Er bietet mir an, dass ich mich jederzeit, egal zu welchem Ziel und mit welcher Frage melden kann, auch bezüglich Neuseeland. Ich habe wahrlich noch nie so einen kompetenten und wissenden Reiseexperten getroffen. Er hat ganz schnell ein Gefühl für mich und meine Bedürfnisse und recherchiert die entsprechenden Preis-/Leistungsverhältnisse. Genial.

Im Zimmer gibt es immer wieder Wechsel und ich lerne viele nette Mädels und ihre Reiserouten kennen. Friederike aus Schwäbisch Hall zeige ich meinen neuen Lieblingsimbiss, der hammergeniale riesen Sushirollen mit allen möglichen Füllungen anbietet. Auch sie ist begeistert. Wir gehen anschließend zusammen in die City, bummeln zusammen herum, trinken einen Kaffee im Park, unterhalten uns über den Sinn eines Sabbaticals und kommen zu dem Schluss, dass dies in ein paar Jahresabständen zu wiederholen sei und jedem gut tun würde, letztlich auch den Arbeitgebern 😉

Bei den vielen schönen Läden wünschte ich, ich könnte auch Weihnachtsgeschenke shoppen, gibt es hier doch ganz andere Sachen und fehlt mir dieses Jahr ein wenig. In der Stadt ist zwar weihnachtlich dekoriert, bei der sommerlichen Stimmung ist Weihnachten für mich jedoch ganz weit weg. Nächstes Jahr dann wieder… Friederike und ich haben einen schönen Mittag zusammen und genießen zum Abschluss die Skyline von Brisbane während wir die Flusspromenade entlang spazieren und die beleuchtete Storybridge bewundern. Auch wenn viele finden, die Stadt müsse man nicht unbedingt besuchen, ich mag sie 😊

Die Flusspromenade nehme ich auch am nächsten Tag wieder, um den Cityhopper zu erreichen. Ein Boot, das kostenfrei verschiedene Stationen der Stadt anschippert. Auch eine schöne Form, eine Stadt zu erkunden. Ich komme an einen Markt und kaufe mir neben einem überdrüber gesunden Müsli ein paar Snacks für ein Picknick im Botanischen Garten. Dazwischen besorge ich noch das abgefahrene Weihnachtsgeschenk für meine Nichte, das ich ihr versprochen habe und für das ich 35 Euro nur bei der Post lasse (ich kann leider nicht schreiben, was es ist, ihre Mutter liest mit 🤣)! Die Preise sind hier ohnehin nicht ganz normal. Erinnert ein wenig an die Schweiz. Der Australier kann es sich leisten, die anderen sind egal. Sie holen es auch echt von den Armen, den jungen Backpackern. Im Hostel zahlt man selbst fürs Wifi, Wäsche waschen, Wäsche trocknen. Und ich frage mich, wie diese jungen Menschen sich das leisten können. Viele sind zwar zum Work & Travel hier, erzählen jedoch, dass es gerade nicht so einfach ist, einen entsprechenden Job zu finden. Und wenn, sind sie hart: 12 Stunden täglich auf der Farm arbeiten zum Beispiel. Ich denke, die meisten erhalten die größte Unterstützung durch ihre Eltern. Eltern, fangt also schon mal an zu sparen 🤓 Denn ich würde sagen, es ist gerade in dem Alter, eine ganz große Bereicherung für die jungen Menschen. Sie lernen, alleine zu recht zu kommen, sich zu organisieren und wachsen dadurch meines Erachtens ein immens großes Stück, was sie für ihre Zukunft, gerade im Arbeitsleben bestens vorbereitet. Auch wenn es nicht leicht ist, seine Kinder loszulassen – es lohnt sich ganz bestimmt 😊

Abends sitze ich draußen, als erst eine Kanadierin, dann eine Chinesin und schließlich ein Franzose hinzu und wir ins Gespräch kommen. Es wird immer voller, die ersten sind schon angetrunken und wir haben den größten Spaß zusammen, das lustige Treiben zu beobachten. Und es gibt nichts, was wir nicht sehen 🙃 Wegen eventuell besorgter Eltern lasse ich Details jedoch lieber mal aus. Das Feiern gehört schließlich ein Stück weit mit dazu 😉 Ich frage mich, ob ich gerne nochmal so jung wäre. Nein, alles gut so, wie es ist 😁 Außerdem habe ich ja auch meinen Spaß.

Ich freue mich auf morgen, da mache ich einen Ausflug in das „Lone Pine Koala Sanctuary“. Ein sehr schön angelegter Park, in dem die Känguruhs und Wallabies in einem Gehege frei herum hüpfen. Man kann sie füttern und streicheln, das gleiche mit Koalas. Ein echtes Erlebnis, auch wenn ich all diese Tiere schon gesehen habe. Sie sind besonders. Ich sehe außerdem Wombats, Platypusse, Dingos, Warane & andere Echsen, Papageien, Kakadus & andere Vögel, den tasmanischen Teufel. Insekten und Schlangen lasse ich mal lieber aus, es reicht das Wissen, dass es sie hier gibt 😏 Auf dem Rückweg treffe ich mich mit Julia aus der Darwin-Gruppe auf einen Wein und der Austausch tut richtig gut. Vielleicht ist es der ganz langsame Einstieg ins Ankommen in Australien. Einfach mal bei einem Getränk draußen sitzen, sich unterhalten, sein, wie daheim. Sie zeigt mir außerdem das große Einkaufszentrum und ich frage mich, ob es hier auch irgendetwas in „klein“ gibt 😄 Faszinierend und erneut gut, dass ich nichts einkaufen kann.

Auch wenn die Handbremse immer noch ein wenig angezogen ist, ein klitzekleines Stückchen hat sie sich gelöst. Ich denke viel über die möglichen Gründe meines Befindens nach und werde nun einfach sehen, was die Ostküste aufwärts mit sich bringt…