Es ist das erste Mal, dass ich komplett, von Ost nach West, über Australien fliege und ich kann nicht genug vom Anblick des roten Zentrums bekommen. Es ist, als flöge man über den Mars. Auch der Uluru, wie der Ayers Rock heute genannt wird, ist zu sehen. Faszination pur. Das Flugzeug stürzt also nicht ab und ich komme heil an 🙏 Mein Shuttlefahrer ruft mich gefühlt zehn Mal an, bis ich aus dem Flughafen draußen bin und ich weiß gar nicht, was genau er eigentlich möchte. Nun gut, ich bin ja dankbar, dass sie mich trotz eines Tages „Verspätung“ abholen, außerdem ist er nett und fährt mich nicht nur zu meiner Unterkunft, sondern erzählt ein bisschen etwas über Perth und zeigt mir schon das ein oder andere auf der Fahrt, wie beispielsweise die neue Arena. Für Weihnachten habe ich ein Hotel gewählt, das sowohl Schlafsäle als auch Einzelzimmer anbietet. Ich entscheide mich zum Fest für letzteres. Als ich jedoch ankomme, in dem dusteren Altbau in mein Zimmer gehe, es betrete, bin ich… mehr als enttäuscht. Ein liebloses Zimmer mit versifftem Teppich, das nicht annähernd den Bildern entspricht, dazu ein ganz seltsames Klientel. Da ich von mir weiß, dass ich immer ein wenig Umstellungszeit benötige, steigere ich mich nicht hinein, rufe meine liebste Lieblingsnichte an und gehe anschließend los, um Carolina und eine Australierin, die sie kennen gelernt hat, zum Abendessen zu treffen. Ich freue mich, auch über die Bekanntschaft mit Kate, die mir direkt anbietet, in Adelaide bei ihr zu wohnen. Leider ist das, auch mit dem Couchsurfing, immer nicht so einfach, da die meisten sehr weit außerhalb der Stadtzentren wohnen und man ohne Auto aufgeschmissen ist. Nach der letzten kurzen Nacht, bin ich erschöpft und freue mich, als ich im Bett liege. So müde wie ich bin, macht mir das Zimmer in dem Moment auch nichts aus. Am nächsten Morgen gehe ich als erstes frühstücken, finde ein nettes Café, in dem Weihnachtsmusik läuft. So komme ich zumindest ein wenig in die Stimmung. Anschließend ist Wäsche waschen und einkaufen angesagt, damit ich über die Feiertage versorgt bin. Wie ich später erfahre, ist einzig am 25.12. alles geschlossen.
Wie so oft, möchte ich später zu Fuß losziehen, um die Stadt zu erkunden. Nutze vorher noch das Bad, das ich mir mit anderen teile. Na prima, ich entdecke eine riesengroße Kakerlake. Erneut steigere ich mich nicht hinein, gehe an der Rezeption vorbei und bitte freundlich, sie zu eliminieren.
Eine schöne und recht grüne Stadt mit vielen alten Bauten, kleinen Fußgängerzonen, Kirchen, Parks, umgeben vom Swan River. Aus der Luft war zu sehen, wie karg und trocken es schon direkt um die Stadt herum ist, das hätte ich so gar nicht vermutet und denkt man auch nicht, wenn man sich in der Stadt selbst aufhält. Als es dämmrig wird, sieht man hier und da ein wenig Weihnachtsbeleuchtung, in einem Park sind es nicht wie bei uns Rentiere, sondern Kängurus, die da glitzern und leuchten 😆 Ich entdecke die Kathedrale und fotografiere mir die Gottesdienstzeiten für Hl. Abend, damit ich in der Ferne wenigstens einer Tradition folgen kann.
Da mir nicht danach ist, den ganzen Abend im Zimmer zu verbringen, mache ich mich auf die Suche nach einer Bar, um ein Glas Wein zu trinken. Gar nicht so einfach in dem Viertel, in dem ich gerade bin. Ich finde etwas, gehe hinein, frage nach einem Platz und merke erst, als ich an einem Tisch platziert werde, dass ich in einem piekfeinen Restaurant gelandet bin. Was soll’s. Sich mit dem Handy beschäftigen ist hier unangebracht, also sitze und beobachte ich das Geschehen, frage mich, was da für Konstellationen miteinander an den Tischen sitzen, ob die Paare glücklich sind und wie sie wohl Weihnachten feiern. Damit es nicht gar so doof aussieht, schaue ich auf die Dessertkarte und bestelle mir die Trüffel-Pralinen und schaue ziemlich doof, als genau eine einzige Praline in einer Schale (in der Größe eines Eierbechers!) vor mich gestellt wird. Das ist mir peinlicher als wenn ich nichts genommen hätte. Aber was habe ich für 4 Dollar auch anderes erwartet 😏 Das ältere Paar neben mir spricht mich an, vermutlich aus purem Mitleid. Wobei Lynn und Kim sehr herzlich sind und wir ein richtig schönes Gespräch führen. Sie besuchen Kims Bruder zu Weihnachten, wohnen selbst im Oman. Als ich zahlen möchte, fragen sie, ob ich nicht noch ein Glas mit ihnen trinken möchte, sie hätten eine ganze Flasche bestellt. Ich nehme das an, worin ich mich ja weiter übe, und bin ganz gerührt von dieser Geste. Als ihr Essen kommt, gehe ich schließlich, dankbar für diese Begegnung.

Zurück im Hotel, muss ich leider feststellen, dass die Kakerlake immer noch das Bad bewohnt. Jetzt finde ich es nicht mehr lustig und die Rezeption ist nicht mehr besetzt. Ich verkrieche mich ins Zimmer und telefoniere mit Ute, als der Gipfel seinen Höhepunkt erreicht: ein Schatten, den ich aus dem Augenwinkel auf dem Teppich wahrnehme, entpuppt sich als eine ebenfalls riesengroße Kakerlake. Ute bekommt mein Gekreische mit und versucht, mir am Telefon zu helfen. Die Arme 😬 Ich bräuchte ein Gefäß, um es drüber zu stellen, da man so ein Vieh wegen des dicken Panzers sonst kaum „geknackt“ bekommt 😳 Habe ich nicht und wenn ich jetzt das Zimmer verlasse, weiß ich nicht wo sie sich versteckt hält. Außerdem ist sie so schnell. Ich muss mit ansehen, wie sie durch meine Schuhe krabbelt, auf meinen Rucksack. Panik macht sich langsam, aber sicher breit. Was, wenn sie reinkriecht. Okay, ich muss aufhören zu telefonieren und irgendwie Hilfe holen, sonst werde ich die Nacht hier nicht verbringen können. Die Rezeption ist ja nicht mehr besetzt, ist mir egal, ich rufe die Notfallnummer an. Beklage, dass die Kakerlake im Bad nicht entfernt wurde und vermutlich selbige nun in meinem Raum ist. Die junge Frau kommt mit einem Raumspray (?!), schiebt das Bett ein Stück vor, sagt sie sei nirgends und will schon wieder gehen. Hallo?!? Irgendwann entdecke ich sie, sie ist sehr wohl unter dem Bett und ich stelle fest, dass die Frau sich selbst ekelt. Nicht mein Problem, ihr Hotel. Nach einem kleinen Kampf besiegt sie das Vieh. Ich schaue mir vorsorglich nochmal das Bad an, nichts. Okay. Glücklich bin ich natürlich nicht. Ich merke schon den ganzen Tag, dass sich etwas angeschlagen bin und werde jetzt fast schon fiebrig. Ich schmeiße mir zwei Tabletten ein und bete, dass ich die Nacht ohne Tiere überstehe und schlafen kann. Als ich nochmals ins Bad gehe, sehe ich auch dort das Drecksvieh wieder. Ich könnte schreien. Ich meine, ich bin schließlich in einem Stadthotel und nicht im Outback…

Morgens wache ich bedröppelt auf. Es ist Heilig Abend und hier soll ich nun also Weihnachten verbringen? Nein. Ich gehe an den Empfang und sage mit tränenerstickter Stimme, dass ich hier nicht bleiben kann und will. Es wären noch zwei Nächte und sie sagen, ich bekäme eine erstattet. Jetzt komme ich in Fahrt und antworte, dass das kein Problem sei. Dann schreibe ich eine entsprechende Bewertung, dann haben sie bald gar keine Gäste mehr. Siehe da, ich bekomme beide Nächte erstattet. Ich lerne mich neu kennen. Wie schön, ich wusste gar nicht, dass ich so für mich einstehen kann, I like 😉 Digitalem Zeitalter sei Dank, buche ich das Hotel, das ich mir für Silvester gegönnt habe (Stadtblick für eventuelles Feuerwerk aus dem Bett, falls mir nicht nach rausgehen ist 😉), das an Weihnachten glücklicherweise günstiger ist. Alles egal, ich bin mir das wert und habe ein Recht auf schöne Weihnachten an einem Ort, an dem ich mich wohlfühle. Und Weihnachten ehrlich gesagt hin oder her, ich habe immer ein Recht darauf, mich wohl zu fühlen. So! Ich habe noch nie so schnell gepackt und schwupps weg bin ich. Mitteilungsbedürftig wie ich in dem Moment bin, erzähle ich alles der nächsten Rezeptionistin, die nun natürlich extra alles dafür tut, damit es mir gut geht 🤩 Ein sauberes Zimmer mit großem gemütlichem Bett und eigenem Bad. Ich fühle mich wie eine Prinzessin und mit einem Mal sind alle Erkältungssymptome verflogen und ich bin XXL-glücklich. Ich würde am liebsten nie wieder aus diesem Bett aufstehen, allerdings ist Heilig Abend und den werde ich sicher nicht im Bett verbringen. Ich wohne hier nun etwas außerhalb des Stadtzentrums, dafür am weltweit größten Stadtpark, dem „Kings Park“, den ich mir nun vornehme. Ist doch auch mal schön, mittags an Heilig Abend nicht noch hetzen zu müssen (oder meinen Rausch ausschlafen, weil ich morgens schon feiern war), sondern spazieren zu gehen. Aus dem Spaziergang werden zehn Kilometer, in denen ich den „Bush Walk“ gehe, die Skyline von Perth bewundere, mir die Wasserspiele anschaue und schließlich von einer Parkbank aus auf den Swan River blicke und reflektiere, mir Gedanken zum Neuen Jahr mache – welche Wünsche habe ich, welche Ziele. Im Park ist kaum etwas los und ich genieße das sehr. Es ist interessant, wie viele Menschen mir gewünscht haben, an Weihnachten nicht alleine zu sein. Dabei habe ich mich ganz bewusst dafür entschieden. Ich denke zwar darüber nach, was an diesem Tag in der Heimat los ist, wer wohl was macht, merke aber auch, dass es für mich auch mal ein Jahr ohne geht. Und da ich so gesehen keine Vorweihnachtszeit mit Kälte & Weihnachtsmärkten, Geschenken & Karten, Fondue & Raclette hatte, ist für mich auch nicht wirklich richtig Weihnachten. Zurück im Hotel esse ich eine Kleinigkeit, stoße mit mir selber an und fühle mich in diesem Moment wohl und glücklich, auch ohne die lieb gewonnen Traditionen der Weihnachtszeit. Ich lerne später sogar erneut ein älteres einheimisches Paar kennen und habe Freude, mich auch mit ihnen auszutauschen. Margret und Mark sind genau so herzlich, wie es die Australier nun mal grundsätzlich sind.

Und nach Mitternacht bin ich sogar zur kompletten Bescherung mit meiner Familie dazu geschaltet, selbst ein Gruppenfoto bekommen wir hin ☺

Den nächsten Tag verbringe ich am Strand. Ist zwar ein Stück Weg mit dem Bus, aber mit Zeljko, dem gebürtigen Kroaten, eine wahre Wonne, wenn nicht gar ein Stück Heimatgefühl ☺ Ich treffe im Verlauf des Tages weitere Kroaten und weiß, mein Papa hätte Pipi in den Augen, wenn er das hören würde…

Und so verbringe ich den 1. Weihnachtstag an einem schönen Strand, dem für hier bekannten „Cottesloe Beach“, der nicht einmal so überfüllt ist, wie ich das erwartet hätte. Und statt Weihnachtsplätzchen gibt’s leckeres italienisches Eis, man muss schließlich ein bisschen flexibel sein 😉 Ich fahre mit Zeljko Stunden später auch wieder zurück, genieße mein Zimmer am Abend, beantworte sämtliche Weihnachtsnachrichten, packe und gehe wieder viel zu spät schlafen 😴