Es ist schon ein Unterschied, ob man mit dem Auto in der Großstadt ankommt und direkt vor der Unterkunft halten kann oder mit dem Flugzeug 😏 Mit einem vorab online gekauften Ticket für den „SkyBus“ kriege ich es jedoch ganz gut hin und habe von der „Southern Cross“-Station keine zehn Minuten zum YHA. Dort bin ich in einem 4er-Zimmer untergebracht und es erinnert an ein Schwesternwohnheim. Altbau, hohe Decke, schweres Fenster, das man nur zweit öffnen kann, auch nur einen Spalt weit, dunkel. Egal, ich liege unten, direkt am Fenster und bin zufrieden. In diesem Moment freue ich mich sogar, dass es keine Klimaanlage, sondern nur einen Ventilator gibt, der sich auch nicht bewegt und zwischen die beiden Hochbetten bläst 😆 Außerdem haben wir ein neues, modernes Einzelbad direkt neben dem Zimmer. Wunderbar, passt. Meine ersten Erkundungen draußen fühlen sich an, als sei ich noch nie hier gewesen, da es eine gänzlich andere Ecke ist, als die, die ich mit Jens bewohnt und erkundet hatte. Dennoch bekomme ich eine Orientierungsidee und finde die Lage gar nicht so schlecht. Und ich bin sehr froh, dass ich schon so Vieles gesehen habe, denn diese Woche habe ich einiges zu „arbeiten“ und das wird seine Zeit brauchen.

Wie gut, dass die Läden sonntags in Australien geöffnet haben, so führt mein Weg mich am nächsten Tag straight ahead zu Aldi. Ganz genau, Aldi. Und zwar Aldi Süd. Ich bin begeistert. Sieht nicht nur besser aus als bei uns, sondern ist auch noch riesig, super sortiert und sehr viel günstiger als andere australische Supermärkte. Und das mitten in der Stadt, I love it! Ich habe mich gleich für die ganze Woche eingedeckt.

Und so vergehen die ersten Tage mit der Reiseplanung für mein zweites Halbjahr. Dazu kann ich jetzt auch schreiben, wie es mir die letzten Monate ging. Als ich in Australien ankam und mich ja ohnehin nach Asien unwohl gefühlt habe, vor allem wegen der deutlich höheren Preise, hatte ich überlegt, Neuseeland noch mitzunehmen und dann nach Hause zu fliegen. Meine Idee war, zum Geburtstag meiner liebsten Lieblingsnichte Mitte März einfach abends zu klingeln und alle zu überraschen. Das Bild mit den Gesichtern hat mir gefallen 😊 Ute meinte dazu, dass ich dann ja gleich etwas früher kommen könnte. Ich dachte erst wegen ihres Geburtstages Anfang März, aber nein, sie meinte wegen Karneval in Köln 😆 und hatte dann auch schon Karten besorgt! Ich habe mich richtig gefreut und überlegt, was ich dann in den verbleibenden Monaten noch machen könnte. Ich dachte an verschiedene kleine Projekte, an ein paar Kurztrips in Europa, Besuche bei weit verstreuten Freunden und neuen Bekanntschaften. Ich hatte mir schon Angebote für den Rückflug schicken lassen…
Als ich dann wenige Wochen später auf einer langen Busfahrt mit Musik auf den Ohren einfach nur in die Weite starrte und meinen Gedanken freien Lauf lies, habe ich gemerkt, dass ich noch gar nicht so weit bin, um nach Hause zurück zu kehren, wobei ich so gesehen ja nicht mal mehr ein Zuhause habe. Es wäre eine Unterbrechung oder sogar das Ende meines diesen Traumes, das ich definitiv bereuen würde, was ich regelrecht gespürt habe. Ich dachte weiter, dass ich dann eben nach Rückkehr kürzer treten muss oder noch ein wenig bei meiner Mutter wohnen, um wieder etwas ansparen zu können. Ich frage sie zwischendurch beiläufig, da ich das ja nicht einfach entscheiden kann 🤓 Und dann ist klar: ich reise weiter! 💪

Gerne würde ich weiter mit Lukey zusammen planen und über ihn buchen. Aber es scheint mir sinnvoller, hier wieder auf ein deutsches Reisebüro zurück zu greifen, das mir auf unterschiedliche Weise Angebote unterbreiten und mich beraten kann. Lukey müsste ich ganz detailliert sagen was ich will, er könnte sagen, was es kostet, ich könnte es buchen, sein lassen oder selbst neu recherchieren. Für so viele internationale Strecken brauche ich jedoch mehr und intensivere Unterstützung & Tipps, bestenfalls von jemandem, der selbst entsprechende Erfahrung hat. Da ich durch ihn allerdings gesehen hatte, dass mein eigentliches Reisebüro doch recht hohe Preise – ich vermute der Provision wegen – aufgerufen hatte, nutze ich mein Netzwerk und erhalte den Kontakt von Steffi, einer kompetenten Reiseexpertin eines anderen Unternehmens, die selbst schon auf Weltreise war. Ich schicke ihr meine Wunschroute und sie tüftelt einen Flugplan aus. Südamerika klappt leider nicht, worauf ich echt noch richtig Lust bekommen habe, es passt jedoch vorne und hinten nicht in den Plan, war aber auch nicht auf meiner „Eingebungsliste“. Wird dann nach diesem Trip Favorit Nummer 1 auf meiner Urlaubsliste 😜 Dafür habe ich noch ein neues Ziel mit hinzu genommen, nachdem ich – entgegen aller Prognosen und Wetten – keinen Australier gefunden habe 😒 Vielleicht hatte ich mich innerlich irgendwann einfach auch dagegen entschieden, weil es viel zu weit weg ist… Da finde ich Schweden, Skandinavien, Europa doch irgendwie besser 😉
Es ist gar nicht einfach, sich Tag genau auf so viele Flüge und Flugziele festzulegen. Nachdem mir die Erfahrung jedoch gezeigt hat, wie teuer kurzfristiges buchen von Flügen ist und ich ja auch neben dem noch genug zu tun habe, möchte ich das wieder in einem Rutsch machen und werde die Reise also nun komplett durchziehen – ein ganzes Jahr! Wohooo! 🤩 Es bedarf einiger Schriftwechsel, Tage und Nächte, vor allem durch die Zeitverschiebung, bis ich verbindlich buchen kann.
Die anderen im Zimmer wundern sich bestimmt schon über mich, da ich jede Nacht bis zwei, drei Uhr an meinem Laptop sitze. Wobei Nicci aus Schottland genau so lange über ihrem Handy brütet, Chez – in England lebende Inderin – um diese Zeit erst vom Feiern zurückkehrt und Tiziana aus Peru wegen ihres Jetlags fast nur am Schlafen ist. Eigentlich ein Soap-reifes Zimmer, wenn man das ein paar Tage beobachtet 🤣 Ich kann manchmal auch kaum glauben, wie lange wir schlafen und das bei der Hitze. Das erste Mal übrigens, dass ich mich nach einer Klimaanlage sehne 😬 Das Wetter in Melbourne ist übrigens interessant. Da kann es mittags bis zu 40 Grad heiß werden und am frühen Abend brauchst Du ein Longsleeve, weil es mal eben 20 Grad abgekühlt hat und ein frischer Wind weht 🙃

Irgendwann habe ich genug von all den Erledigungen, Orga, Telefonieren, Schreiben, Bilder sortieren und beschließe, ins Kino zu gehen. Nicci kommt mit und wir schauen uns „Instant Family“ an, ich glaube in Deutschland heißt er „Plötzlich Familie“. Genau das Richtige für mich, denn ich lache und weine gleichermaßen im Wechsel. Letzteres habe ich heute ohnehin schon reichlich. Erst dachte ich, es sei wegen dem ganzen Reise-, Organisations- und Entscheidungsdrucks, doch im Telefonat mit Ute merke ich schnell, dass es um ganz andere Dinge geht. Sie lassen mich kaum atmen. Es hat mit dem Loslassen zu tun und mit Abschied. Von meinem Vater, von Australien, alten Mustern und Gewohnheiten. Und da wird mir bewusst, welch tiefgreifende Prozesse ich in Australien durchlaufen habe, auch wenn sie nicht immer spürbar oder mir gar bewusst waren. Fast so, als hätte ich eine Art Reifeprozess durchwandert, als wäre ich irgendwie erwachsener geworden, das Innere Kind etwas geheilter. Ich merke an der Art, wie ich inzwischen mit Manchem umgehe, dass ich mich verändert habe. Das war mir bisher nicht aufgefallen, da ich ja täglich mit mir zusammen bin 😉 Nun jedoch wird mir das klar, sehe ich einiges mit anderen Augen. Ich durfte los- und hinter mir lassen und nun ist da auch eine Leere, die erst einmal ungewohnt ist und sukzessive – mit was auch immer – wieder neu befüllt werden will.
Und genau wegen alledem ist dieser zweite Teil der Reise unerlässlich. Denn ich reise mit einem neuen „Ich“ und bin gespannt, aufgeregt, neugierig und in großer Vorfreude. Es werden Orte und Länder sein, mit denen ich mich bisher kaum beschäftigt habe und nun heißt es Schritt für Schritt gut für mich zu sorgen und mir einen guten Weg zu bereiten 😊

Ich verbringe die folgenden Tage nun vorwiegend im Freien – beim „Street Eatz“ bei Käsespätzle 😋 und Public Viewing der Australian Open, an der „Southbank“- und der „Yarra“-Promenade, den genialsten Flaniermeilen überhaupt, direkt am Fluss, und auch in einigen der vielen grünen Parks der Stadt. Ich fahre mit der historischen „Tram 35“ den „City Circle“, das heißt komplett um den Stadtkern und fahre auch nach „St. Kilda“, an einen von Melbournes angesagten Stränden und Gegenden. Und natürlich schaue ich mir auch die beiden bekanntesten Street Art-Gassen „AC/DC Lane“ und „Hosier Lane“ an, schlendere über den Federation Square und bin einfach nur hin und weg von dieser Stadt 😍 Während Sydney mit der Oper und der Harbour Bridge toll zum Anschauen und für einige Tage Urlaub ist, ist Melbourne eine Stadt zum Leben – so vielfältig und bunt und einfach genial.

Am letzten Tag werde ich wehmütig und nachdem sich unser Zimmer zu einer wahren WG entwickelt hat, trinken wir abends zum Abschied noch ein Bier zusammen. Da lernen wir die Brasilianer Bruno und Ian kennen, die beide in Sydney leben und Seelen von Menschen sind. Was für ein lustiger Abend. Wir gehen auch am nächsten Tag noch zusammen frühstücken, bevor ich dann leider die Mädels endgültig verabschieden muss, da eine zur Arbeit geht und die andere zur Wohnungsbesichtigung, die dritte war vorher schon weg.
So gehe ich mit Bruno und Ian nochmal den Fluss entlang und zum Botanischen Garten, wo wegen des „Australia Day“ ganz schön was geboten wird. Von der Terrasse des „Shrine of Remembrance“ sehen wir neben dem fantastischen Blick auf die Skyline Melbournes sogar eine Flugshow. Schöner hätte mein Abschluss in dieser tollen Stadt, aber auch in Australien nicht sein können, die Gesellschaft nicht besser 😊 Und nun fühle ich einfach Zufriedenheit, Dankbarkeit, (Vor-)Freude. Und ich werde definitiv auch ein fünftes Mal wieder kommen. Ich war zwar inzwischen in allen Bundesstaaten, doch ich muss unbedingt noch die gesamte Westküste sehen, außerdem natürlich nun dringend wieder nach Sydney, wo ich inzwischen mehr Leute kenne, als in jeder anderen Großstadt dieser Welt 😉