Nach der letzten Erfahrung habe ich lieber mal wieder Unterkünfte im Voraus gebucht, Marianne sieht es immer noch gelassen. Mal von meiner immer noch vorhandenen, doch weit nicht mehr so ausgeprägten und inzwischen als positiv betrachteten, planerischen Seite abgesehen 😁 ist Hochsaison und soll ja einigermaßen angenehm sein und bezahlbar bleiben. So fahren wir über das schöne, hügelige Landesinnere und steuern Queenstown an, das zwischen staunenswerten Bergmassiven am Lake Wakatipu liegt, dem längsten See Neuseelands, dazu noch ein sehr ansehnlicher. Bei Sonnenschein präsentiert er sich uns von seiner allerschönsten Seite – in einem kräftigen Meeresblau, das zum Ufer hin heller wird und in dem die Sonne funkelt wie Sterne, die im Wasser tanzen. Und genau diesen Ausblick haben wir auch aus der Gemeinschaftsküche und unserem Zimmer des gebuchten Gästehauses, das etwas außerhalb liegt. Ich kann nur sagen: so will man wohnen…
Als wir durch Queenstown fahren, erleben wir zum ersten Mal in Neuseeland richtig viel und stockenden Verkehr wenngleich die Stadt eher einem überschaubaren Alpenörtchen gleicht. Sportgeschäfte gibt es hier auch, doch statt des Ski- und Snowboardfachhandels sind hier aneinandergereiht unzählige Tourenschalter, die jede Menge Adrenalin versprechen. Ob beim Bungeejumping von der „Kawarau Bridge“, der weltweit höchsten und ersten Bungeeanlage oder beim Wildwasser-Rafting, Tandem-Sprung oder anderen Extremsportarten. Der Ort selbst hat Flair, Charme und Stil, lädt am Ufer zum Flanieren oder Kaffee trinken ein. Betuchte Läden und vornehme Restaurants versus Abenteuerlust und Sportextreme, irgendwie skurril. Am geschäftigsten ist das Treiben am „Fergburger“. Um die 75 Menschen stehen hier an, um den angeblich besten Gourmet-Burger überhaupt zu essen. Kann ich leider nicht probieren, denn in so einer langen Schlange würde ich schlicht verhungern, bis ich an die Reihe käme 🤣 Dafür probiere ich mein erstes „Hokey Pokey“-Eis. Sehr lecker und ich habe noch eine Stunde später etwas davon, da an jedem zweiten Zahn mindestens eines der Honigtoffeeklumpen klebt 😆 Ich mag Queenstowns Lifestyle und seine, ich möchte fast schon Eleganz sagen, doch es ist uns definitiv zu viel los. Daher entscheiden wir uns am nächsten Tag wieder für Natur pur und fahren bis hinter das nördlichste Ende des Lake Wakatipu, über Glenorchy nach Paradise. Nicht einfach zu erreichen, denn die letzten 15 Kilometer führen über Schotterpisten und eine schmale Waldstraße, aber wer bitte nimmt nicht jeden Weg auf sich, um ein Mal im Paradies gewesen zu sein? 😉 Und es kommt dem schon sehr nahe und es ist mehr als verständlich, dass hier, in dieser absolut abgeschiedenen ursprünglichen Natur, einiges für die „Herr der Ringe“-Trilogie gedreht wurde. Ich habe sie nicht gesehen, werde das, alleine wegen der Drehorte, aber ganz bestimmt nachholen. 2-3 Farmen, Pferde, Kühe und ansonsten einzig die Natur – Seen und Flüsse, grüne Wiesen und Berge, goldgelbe Felder und im Hintergrund die schneebedeckten Alpen 😍
Wir fahren ein Stück zurück, um den „Diamond Creek Walk“ zu gehen, dessen Flüsschen tatsächlich an einen (smaragdgrünen) Diamanten erinnert und von dem wir einen sehr ähnlichen Ausblick wie zuvor haben, dazu die unterschiedlichsten Vegetationen direkt unter unseren Füßen. Mal Gräser und Heu, mal dichteres Gestrüpp, auch mal stachelig, meistens jedoch weich, manchmal auch aufgeweicht. Wir müssen über einen kleinen Wassergraben, der für einen Sprung zu breit ist… ich stelle mich beim Überqueren von Wasser zu Mariannes Belustigung ohnehin etwas ungewandt an. Immerhin kommen wir irgendwann und mit Hilfe irgendwelcher Äste irgendwie drüber. Auf dem Hinweg. Auf dem Rückweg denke ich, bin ich besonders schlau, und hangele mich an einem Drahtzaun über das Wasser. Der Zaun hält auch soweit, was nicht ganz klar war. Doch mein letzter Schritt ist dann wohl einer zu früh und ich stehe mit meinem kompletten Turnschuh im matschigen Wasser 😬 Das nenne ich dann mal Fehltritt 😅 Als wäre der nasse Schuh nicht genug, stolpere ich auch permanent über das flach gewachsene Schilfgras. Aber ich bin nicht die einzige. Und während ich so darüber nachdenke, wann es mich nun wohl endgültig hinhaut, tut es hinter mir einen Schlag. Ich drehe mich um und sehe Marianne Mutter Erde „küssen“. Sie reagiert nicht, ich erschrecke, bis ich merke, dass sie zittert – vor Lachen! Es ist fast schon ein Beben 😂 Wie die Kinder sage ich da nur… Nichts von alledem hält uns davon ab, diese Ruhe und Natur zu genießen, die in ihrer Schönheit wirklich zu bewundern ist – die Farben, die Vielfalt, die Ursprünglich- und Einzigartigkeit. Es ist so erfüllend und ich frage mich, warum ich das daheim nicht viel öfter mache. Mir kam schon mehrfach der Gedanke, eine „Wandergruppe“ ins Leben zu rufen. Gut, in meinem Alter könnte man über einen anderen Namen nachdenken… „Hiking-Group“, „Tracks & Trails Squad “ oder so 😂 Jeden ersten Sonntag im Monat zum Beispiel, Schwarzwald, Pfalz & Co. Hast Du Dich gerade irgendwie angesprochen gefühlt oder mindestens einer Deiner Fußzehen hat gezuckt, dann melde Dich doch bitte bei mir 😊 Für die Umsetzung von Vorhaben braucht es nach dem Entschluss schließlich auch Taten, sonst wird aus dem besten Vorhaben nichts 💪
Zum Abschluss und vor unserer Weiterfahrt gibt es noch eine kleine Stärkung in Glenorchy, wo es einen ganz zauberhaften Laden mit frischen Produkten, selbst Gemachtem und geschmackvoller Deko gibt. Ich liebe solche Läden!
Wir haben nur 100 Kilometer Fahrt vor uns, doch es ist schlicht unfassbar, wie die Landschaft sich verändert. Es ist wie im Theater – als schiebe jemand alle 30 Kilometer eine neue Kulissenwand vor, unglaublich. Wir fahren durch die „Kawarau Gorge“, eine Schlucht, die an Faszination kaum zu überbieten ist. Und ich verstehe, warum ein Bungee-Sprung hier ein Erlebnis der Extraklasse sein muss. Ein aquamarinfarbener Fluss, der am Fuße der gewaltigen, rot-braun-orangenen Felswänden fließt. Und obwohl alles so unglaublich ausgetrocknet ist, gibt es zähes Gewächs, das sich wacker grün hält. Ein Anhalten ist hier leider unmöglich und so werde ich dieses Foto schlicht in Erinnerung bewahren können.

Cromwell haut uns zunächst nicht vom Hocker, was uns übrigens mit den meisten Städtchen hier so geht. Das meine ich gar nicht abwertend, doch sie sind kurios, so gänzlich anders als bei uns und passen irgendwie nicht zum Rest hier. Im Kern gibt es zumeist ein paar kleinere Geschäfte und Boutiquen, die einer offenen Passage gleichen. Dazwischen das ein oder andere Restaurant und um diesen Kern die Anmutung eines Industriegebietes mit Supermärkten, Bau- und Gartencentern etc. Das Ganze jedoch viel viel kleiner als bei uns und gemütlich ist auch anders. Das gilt hier und in Australien übrigens auch beim Essen gehen. Man bestellt an der Theke, bezahlt, bekommt eine Nummer, setzt sich, wartet auf das Essen, das Trinken bekommt man oftmals direkt. Und man geht, wenn man fertig ist und bleibt nicht noch gemütlich sitzen wie bei uns.
Meistens haben Orte sogar nur eine Hauptstraße, an der alles gelegen ist und man fährt automatisch hindurch, da es nicht viele Bundesstraßen gibt. Die großen Schilder mit den Namen der Geschäfte oder Werbung machen alles etwas „unschöner“. Und passt, wie gesagt, irgendwie einfach nicht zu der gepflegten Natur, die dem Neuseeländer übrigens auch heilig ist. Es ist überall tiptop sauber, kein Müll an Straßenrändern oder im Wald, saubere öffentliche Sanitäranlagen, selbst in Nationalparks. Und ich kenne kein zweites Land, in dem alles so akkurat ausgeschildert ist – der kleinste Wanderweg wird mit Namen, Länge und Dauer angezeigt, jede denkbare Sehenswürdigkeit, jeglicher Lookout, an dem man mal eben halten kann. Dazu gibt es in jedem Ort ein offizielles Besucherinformationszentrum mit Abreißkarten der Gegend oder auch umfassenden Wanderkarten.
Was uns dann allerdings sehr begeistert, ist „Cromwell’s Heritage Precinct“, der kleine Altstadtbereich von Cromwell. Historische Steingebäude, in denen museumsmäßig noch ein Stall, eine Bäckerei, ein Goldschmied zu sehen sind. Weiter gibt es Cafés, Restaurants, Galerien, Dekoläden, ein Blumengeschäft und sogar ein solches, in dem eine Frau noch Wolle selber spinnt und anschließend verstrickt. Und das alles, wie immer, mit herrlichem Ausblick auf einen See und die Berge 😁
Heute entscheiden wir uns für den „Bannockburn Loop Track“, in der vom Goldabbau geprägten Landschaft. Schon nach kurzer Zeit weht mir wieder dieser Duft um die Nase, wie ich ihn schon mehrfach wahrgenommen habe, doch nicht zuordnen kann, obwohl er mir irgendwie vertraut ist. Bis ich vor einem ganzen Hang mit kleinen Büschen stehe, die kleinen vertrockneten Blätter zwischen meinen Fingern reibe und auf einmal alles glasklar ist: es ist Thymian! Ich habe ihn in der Natur so und in dieser überdimensional großen Menge noch nicht wachsen sehen. Oh wie ich diesen Duft mag. Er erinnert mich an die Zubereitung meiner Spiegeleier, wofür ich ihn gerne verwende. Er gibt ihnen einen mediterranen Geschmack und zaubert mir somit einen Hauch von Urlaub auf den Frühstücksteller 😋
Wir fühlen uns wie in der Steppe, sind die einzigen Wanderer weit und breit und kommen aus dem Staunen wieder einmal nicht heraus. Um uns herum einerseits diese karge, dürre Landschaft mit unfassbaren Felsen und dann wieder grüne Reben mit schon sichtbaren Trauben. Blickt man aus der Höhe in die Ferne sieht man neben der umliegenden Wein- auch die Obstregion. Denn hier ist das Eldorado des Obstes: Aprikosen, Nektarinen, Pfirsiche, Kirschen und Äpfel. Eine Birne hole ich uns als Wegzehrung sogar direkt vom Baum, oben am höchsten Punkt, der von einem Dorf erzählt, das 1860 von den Minenarbeitern erbaut wurde. Die Überreste noch sichtbar, ist hier eine unglaubliche Ruhe und es ist einfach nur traumhaft, gelbgrüne Vögel zu beobachten, die um die Wildblumen und Myrtengewächse fliegen. Steingeröll und kleine Höhlen lassen vermuten, wie hier nach Gold gegraben wurde. Wir finden leider keines, fühlen uns von dennoch reich beschenkt, mal wieder so etwas Außergewöhnliches gesehen haben zu dürfen 😊