Nach ca. zwei Stunden Fahrt kommen wir an den „letzten Zipfel“ der Nordinsel. Eine Landzunge, die 120 Kilometer am „Ninety Mile Beach“ entlang, an den nordwestlichsten Punkt Neuseelands führt. Und wir nehmen auch sogleich die erste Abfahrt zu besagtem Strand, der tatsächlich sehenswert und absolut leer ist.

Da uns von der Unterkunft, die sich am letzten bewohnbaren Teil hier oben befindet, mitgeteilt wurde, dass es im Umkreis von 30 Kilometern keine Restaurants oder Supermärkte gäbe, halten wir unterwegs noch. Marianne sieht das immer ganz entspannt, ich dagegen habe immer eine latente Angst zu verhungern 🤣
Wir beziehen das Zimmer, ruhen uns kurz aus, bevor wir uns zum „Cape Reinga“ aufmachen. Und als würde dieses Land spüren, dass wir es in nur wenigen Tagen verlassen, bietet es uns landschaftlich nochmal die Highlights schlechthin. Es gibt nichts, was wir hier nicht sehen und ich staune die 40 Minuten Fahrt mit offenem Mund. Farben als wäre vorher nochmals ein Filter darüber gelegt worden und von Feldern, über Wiesen, Wälder, Feuchtgebieten, Seen, das Meer und 100 Meter hohe Sanddünen ist alles dabei. Absolut beeindruckend. Und den Höhepunkt bietet dann tatsächlich das Kap, an dem die Tasmanische See auf den Pazifik trifft. Ein zehn Meter hoher weißer Leuchtturm macht den Mittelpunkt aus, von dem man zu beiden Seiten auf die traumhaften Buchten blicken kann. Und der 360 Grad-Blick ist so atemberaubend und gigantisch, dass ich absolut verstehen kann, dass es ein spirituell sehr bedeutsamer Ort der Maori ist, denn hier wird der „Spirit“ der verstorbenen Seelen gereinigt, bevor sie ihren Weg „nach Hause“ antreten. WOW.
Jetzt will ich es natürlich wissen und möchte unbedingt noch die Spirits Bay „Kapowairua“ sehen. Dabei habe ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen, da Marianne kilometerlang über eine Schotterpiste brettern muss. Doch als wir am vorgesehenen Parkplatz halten, weiß ich, dass nicht nur ich hellauf begeistert bin. Eine märchenhafte,  sanfte, grüne Hügellandschaft, dazu ein kleiner Wasserarm, die Sonne, die nicht mehr an ihrem höchsten Punkt steht. Über kleine Sandwege gehen wir zum Strand. Und der Anblick ist absolut überwältigend. Einzelne, doch kräftige Wolken, hinter denen die Sonne sich teilweise versteckt und am breiten Strand einzig ein Fischer – was für ein Anblick (und ich glaube das dazugehörige Foto hat Posterqualität 😉). Und wenngleich es kein absolut außergewöhnlicher Strand ist, so ist er mit seiner Energie doch etwas wahrlich Besonderes. Ich könnte stundenlang hier bleiben.

Die vorletzte Etappe soll uns noch die Kauri-Bäume in der „Waipoura Forest Area“ zeigen. Bevor wir die Landzunge wieder verlassen, fahren wir erneut an einen Abschnitt des „Ninety Miles Beach“. Leider wieder Schotterpiste, doch nachdem wir nach einigen Kilometern Wildpferde samt Fohlen entdecken, wissen wir, dass es sich auch dafür wieder gelohnt hat 😉 Der Strand ist auch und insofern verblüffend, als dass ich noch nie so einen breiten und langen jemals je gesehen habe. Es sieht gar nicht aus wie ein Strand und tatsächlich fahren sie hier vereinzelt auch mit dem Auto spazieren. Ohne Worte.

Wir fahren wieder mehrere Stunden, halten fast schon traditionell irgendwo an, wobei wir immer einen fabelhaften Riecher für Cafés haben, selbst wenn die Orte nicht den Anschein erwecken, solche Schätze zu führen. Kurze Zeit später erhasche ich einen Blick scheinbar wieder auf eine Sanddüne, leider ist keine Gelegenheit, um zu halten. Die arme Marianne muss ja wegen meiner Fotos immer überall, gelegentlich auch mal mehr als spontan anhalten, was in etwa so aussieht, dass sie wegen meiner Ausrufe vor Schreck ohnehin das Lenkrad zur Seite reißt 😅 Wir fahren den Hügel ab, gelangen in einen Ort und dürfen wieder staunen: diese riesen Sanddüne, zu Hügeln geformt, im Hintergrund des Meeres. Als wir wieder hügelaufwärts fahren und ein Schild einen „Lookout“ ankündigt, bitte ich Marianne (nur halbspontan 🤣), die Abfahrt zu nehmen. Oh wie ich mein Bauchgefühl liebe. Denn auch heute hier in Opamere am „Arai te Uru“ bekommen wir einen 360 Grad-Blick, der mich vor Euphorie schier ausflippen lässt: das türkisfarbene Meer, die goldgelbe Sanddüne, das satte Grün der Hügel, all die Pflanzen und Bäume, deren Baumkronen vom Wind wieder witzigerweise alle in eine Richtung zeigen, die Strände und Buchten – ABGEFAHREN 😍 So viel Schönheit macht mich so langsam fertig und ich komme mit meinen bildhaften Beschreibungen nun wirklich an meine Grenzen. Dafür ist es schon okay, dass die Zeit in Neuseeland so langsam zu Ende geht. Denn wer das nicht gesehen hat, wird es vermutlich schon nicht mehr für voll nehmen und gar so viel Freude daran haben können, was ich da immer (be-)schreibe 😬

Tatsächlich kommen wir dann auch irgendwann einmal im gewünschten Wald an und freuen uns, dass der „Waipoua Forest“ sogar auf unserem Weg liegt. Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, was „Kauri-Bäume“ sind und bin verwundert, warum wir uns am Eingang in den Wald die Schuhe putzen und durch irgendwelche Laken gehen müssen. Ja, der Bewuchs des Waldes ist schon toll, ich mache auch ein paar Bilder, vermutlich sind die Bäume einfach sehr alt und deswegen sollen sie erhalten bleiben und werden geschützt. Und wie ich mich so umdrehe und denke, wo glotzen all die Leute hin, entdecke auch ich ihn: den Urwaldriesen „Tane Mahuta“, der größte Kauri-Baum der Welt: 51,5 Meter hoch, 13,8 Meter Umfang, 244,5 Quadratmeter Volumen!! Das kann man sich gar nicht vorstellen, nicht mal ich, die davor steht, geschweige denn auf ein Foto bringen.
Der zweite Kauri-Gigant, der in einem anderen Waldstück steht, kommt uns noch massiver vor, doch tatsächlich ist er nur breiter, dafür kürzer gewachsen. Der gesamte Regenwald ist beeindruckend und auch wenn es recht frisch ist, tut die Luft gut und wir drehen eine ordentliche Runde.
Was für Kontraste, wie viele Gegensätze. Und ich hätte wirklich mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass die letzten Tage mit die schönsten und sehenswertesten waren. Ich nehme also alles zurück, was ich vorher zur Nordinsel gesagt habe 😬
Wir übernachten heute auch im Wald, zum letzten Mal in einer Cabin, dazu die sauberste und größte bisher. Auch das haben wir uns zum Abschluss verdient 😊 Nun bleiben uns noch zwei Nächte in Auckland und ein geplanter Ausflug nach „Waiheke Island“. Zwei Empfehlungen habe ich dafür und eine liebe Kollegin schrieb sogar, dass ich hin MÜSSE, da es der schönste Fleck der Erde sei. Zugegeben fällt es mir fast schwer, das zu glauben, da ich ja in einem halben Jahr schon so viele schönste Flecken der Erde gesehen habe 😆 Tatsächlich habe ich Widerstand, aber nicht deswegen, sondern kurzum: ich bin durch. Der Gedanke, übermorgen noch mit dem Bus zum Hafen zu fahren, mit der Fähre auf die Insel, dort mit dem „Hop on, hop off-Bus“ rumzugurken und dann das Ganze wieder rückwärts, anschließend noch packen, nichts von Auckland gesehen zu haben, ich weiß nicht. Mal sehen, was Marianne meint, ich muss jetzt auch erst mal schlafen und dann ist morgen ein neuer Tag.

Als wir in Auckland ankommen, sind wir zu früh, unsere Gastgeberin ist nicht zu Hause. Also lassen wir das Auto stehen und stiefeln los. Wir scheinen etwas außerhalb zu wohnen, die nahe liegende Hauptstraße scheint in asiatischer Hand und wir gehen und gehen, in der Hoffnung, irgendwann die Skyline der Stadt zu sehen. Ich meine einen Hügel gesehen zu haben, auch wenn er weiter weg wirkte, wir fragen eine Passantin. Die schickt uns weiter aufwärts und meint, von dort sähe man die ganze Stadt. Prima. Inzwischen sind wir durch ein ganzes Wohngebiet hindurch, in dem mir übrigens fast jedes einzelne Haus, oder nennen wir sie lieber Cottages, gefällt um nicht zu sagen, ich bin ganz entzückt, Marianne schon leicht genervt, weil ich sie ja eh nicht „mitnehmen“ kann 😝 Schließlich gelangen wir an eine ganz bezaubernde Einkaufsstraße. Die kleinen Häuser erinnern an alte Zeiten, die Geschäfte sind geschmackvoll, die Cafés laden ein, doch wir gehen weiter und „besteigen“ den Vulkan Mount Eden, was wir jedoch erst erfahren, als wir oben sind. Es ist die größte natürliche Erhebung in Auckland und von hier sehen wir tatsächlich die gesamte Stadt, die anderen Vulkane, die umliegenden Inseln. Auckland ist flächenmäßig so groß wie Berlin. Dadurch, dass es hier jedoch kaum Hochbauten gibt, dazu die Landschaft, wirkt es weit nicht so, wenngleich auch sehr beachtlich.

Als wir Sandra antreffen, zeigt sie uns unser heutiges Domizil. In gewisser Weise auch ein Unterkunftshighlight zum Abschluss: wir schlafen in der Garage 🤣 dafür jedoch sehr schön eingerichtet und natürlich sieht es nicht nach Garage aus. Doch wenn wir ins Bad oder die Küche möchten, müssen wir durch den Garten. Nun, auch nicht anders als auf dem Campingplatz, wobei es auf dem sauberer ist 😬 Auf jeden Fall sprechen wir Sandra wegen des morgigen Tages an und ich erkläre ihr unser Gefühl bezüglich „Waiheke Island“. Sie sagt, es sei nicht der schönste Fleck der Erde und wenn wir keine Wein- und Delikatessen-Tour vorhaben, müssten wir auch nicht hin. Wenn es ihr letzter Tag in Neuseeland wäre, würde sie zur beeindruckenden „Muriwai Gannet Colony“ fahren und zum Abschluss in die „Ponsonby Road“ gehen. So müssten wir nicht in das geschäftige Zentrum Aucklands und hätten eine tolle Straße mit schönen Geschäften, netten Cafés, also scheinbar ganz so wie gestern. Das finden wir beide toll und ich bin so unglaublich erleichtert, denn für die Insel würde mir wirklich jegliche Muße fehlen. Zugegeben muss ich zunächst recherchieren was Gannets sind. Sie sprach von Vögeln und dass sie eben in Muriwai, ca. 40 Minuten von Auckland entfernt, brüten, die Jungen inzwischen jedoch geschlüpft seien und man sehr nah an sie heran könnte. Auf jeden Fall sind das Tölpel. Zugegeben wusste ich nicht einmal, dass es das als Tier gibt 😆
Wir werden Sandra für immer dankbar sein, denn diese Tipps waren das Beste überhaupt. Hunderte Tölpel mit ihren Jungvögeln, die, als wir ankommen, üben, mit den Flügeln zu schlagen. Und wir kommen wirklich sehr nah heran. So viele Wildtiere auf einem Fleck in natürlicher Umgebung ist schon etwas sehr besonderes, dazu die Kulisse am Meer, die sie schöner nicht hätten wählen können, um jährlich hierher zurück zu kehren. Ich bin neuerlich und zum letzten Mal in Neuseeland überwältigt, unendlich dankbar, glücklich ☺
Und auch die „Ponsonby Road“ entspricht voll und ganz meinem Geschmack. Schade, dass ich nicht groß shoppen kann, doch ein dünner Pulli aus dem Sale mit der Aufschrift „C’est la vie“ muss passenderweise noch mit 😁 Den kulinarisch genussvollen Teil erleben wir in einer ganz besonderen Markthalle, in der es alles zu essen gibt, was das Herz begehrt. Wie schade, dass man, räusper ich, immer nur ein Gericht essen kann 🤣 Ich werde die Pies und deftigen Scones mehr als vermissen…

Und so gehen 36 Tage Neuseeland zu Ende, in denen wir, also Marianne (!!), über 6.500 Kilometer (!!) gefahren ist und wir immerhin 250 Kilometer gegangen sind. Und mir fehlen die Worte, um zusammenfassend zu sagen, was wir gesehen haben, vielleicht: viele große und kleine Naturwunder und mit Sicherheit eines der schönsten Länder der Welt 😍
Und nun wird alles wieder ganz anders, zumal es nach fünf Wochen auch Abschied nehmen heißt. Eine sehr lustige, schöne, unkomplizierte gemeinsame Zeit mit Marianne, die ebenfalls zu Ende geht. Und für die ich außerordentlich dankbar bin, in jeglicher Hinsicht!

Ich lege noch eine Nachtschicht ein, denn: ich fliege für zwei Wochen auf die Cook Islands und werde mich bewusst gegen Wifi entscheiden. Zum Einen habe ich es in der Unterkunft nicht, zum Anderen mache ich jetzt mal „Urlaub“. Hört sich vielleicht komisch an, ist tatsächlich jedoch notwendig. Ich hatte die letzten Wochen einige Nachtschichten: 24 Unterkünfte in Neuseeland buchen, Rückfragen dieser beantworten, Bewertungen schreiben. Sehenswürdigkeiten aussuchen, Routen prüfen. Unterkünfte auch für die nächsten Wochen buchen, da ich ja keinen Empfang haben werde, dazu Mietwägen, Inlandsflüge. Das geht mit Entscheidungen einher, die einige Recherchen erfordern, dazu Länderinfos plus Visa checken, ggf. beantragen (und dabei halb verrückt werden 😖). Berichte schreiben und skurrilerweise selbst Korrektur lesen, Fotos sortieren, Collagen erstellen, hochladen, untertiteln. Ein paar Bilder auch auf Instagram posten. „Buchhaltung“, Überweisungen. Mails checken und beantworten oder auch löschen. Kontakte pflegen, auch mal telefonieren. Meiner liebsten Lieblingsnichte das Gefühl geben, dass ich ganz nah bin, weil sie mich genauso vermisst wie ich sie. Mit Gedanken und Sorgen umgehen, wenn liebe Menschen krank sind oder schlimme Diagnosen erhalten oder Nahestehende im Krankenhaus sind und nicht alles ganz rund läuft 😞 Und das alles nicht immer mit Empfang. Und dann will zu guter Letzt ja auch das Erlebte verarbeitet werden und der „Hier und Jetzt“-Moment voll ausgekostet. Dazu, um das nicht unter den Teppich zu kehren, die Regungen auf Seelenebene, die ja ganz und gar auch und völlig zu Recht ihre Aufmerksamkeit fordern. Ja, da braucht es dann auch mal auf einer Weltreise ein paar Tage Urlaub und das offline 😉