Erst Stunden später werden wir mit der Nordinsel versöhnlicher, nämlich als die Landschaft sich ändert, wir die ersten Vulkane sichten und unter dem weltuntergangsgrau des Himmels violette Erika für eine bunte, wunderschöne Farbe zwischen den gelben Getreidefeldern sorgt. Und so sind wir wieder etwas hoffnungsvoller gestimmt. Es dauert jedoch nicht lange, da sind wir schon wieder genervt, da wir in der gefühlt leblosen Feriensiedlung unsere Gastgeberin nicht finden. Nach wirklich langer Zeit, finden wir sie und das kleine Cottage und die herzliche Ellie machen alles wieder gut. Ich bekomme den Mund vor Staunen nicht zu: sie sitzt quasi in meinem kleinen Häuschen 😉 Ehrlich, so etwas Geschmackvolles und Schönes, ich würde es, ohne mit der Wimper zu zucken, genau so, 1:1, nehmen. Und an einen anderen Fleck stellen 😆 Es ist zwar außerordentlich ruhig hier und es sind nur fünf Cottages von bestimmt einhundert dauerhaft bewohnt, doch wollte ich so abseits wohnen, auf einer Insel? Nein, nicht wirklich bzw. nicht für immer.
Draußen schüttet es leider wieder und ich habe ein wenig Sorgen, dass wir das für morgen geplante „Tongariro Crossing“ nicht machen können. Es muss das Schönste auf der Nordinsel sein, das man machen kann, wenngleich die Wanderung mit ca. acht Stunden wohl auch nicht ganz ohne ist. Doch eine große Tour würde ich schon gerne machen wollen. Zudem ist der Tongariro National Park der viertälteste Nationalpark der Welt und gehört zum UNESCO-Weltnaturerbe.

Wir schlafen ganz himmlisch und werden zum Frühstück von Ellie verwöhnt: selbstgedünstete Pflaumen & Aprikosen mit Joghurt, ich könnte mich hinein legen und muss das daheim auch unbedingt machen 😋
Gut eingepackt und regengewappnet fahren wir zunächst zum Fremdenverkehrsamt, um zu erfahren, dass die „Tongariro Crossing“-Route gesperrt ist 😳 Nicht einmal wegen des Wetters, es regnet übrigens immer noch, sondern wegen einer Gondel, die gerade neu gebaut wird. Ich bin enttäuscht, wenngleich ich natürlich auch nicht wirklich Lust gehabt hätte, acht Stunden im Regen zu gehen. Wir erkundigen uns, welche Alternativen es im Nationalpark gibt und nehmen den zweistündigen Weg zu den „Taranaki Falls“. Als wir losgehen, nieselt es nur noch, immerhin. Doch der Nebel lässt uns die Schönheit der Vulkane, die uns umgeben nur erahnen, leider nicht sehen. Wir wandern an deren Füßen und erfreuen uns an dem Wald und schließlich den mit Heidekraut, Ginster und Erika bewachsenen sanften Hügeln. Hier und da entdecken wir mal weiße kleine Knospen und Blüten, doch insgesamt haben hier Violett, Flieder und Lila die Oberhand, neben dem ganzen Grün versteht sich. Wir gelangen an die Wasserfälle, die durch den Bewuchs außen herum sehr schön aussehen. Im weiteren Verlauf dürfen wir uns über Lavagestein fortbewegen, das ein Gefühl vermittelt, wie die glühende Masse sich einst ihren Weg gebahnt hat.
Es hätte noch einen weiteren Weg gegeben, doch es fängt wieder an zu schütten und wir lassen es, mehr soll dann eben scheinbar nicht sein 🙄
Auf dem Rückweg finden wir noch ein „New World“, was unser Lieblingssupermarkt geworden ist. Nicht nur, weil er so gut sortiert ist, sondern wir haben auch eine „Clubkarte“. Hier sammelt man nicht Punkte, sondern erhält direkt auf verschiedene Artikel, die in den Regalen ausgezeichnet sind, Rabatt. Zum Glück habe ich das irgendwo im Netz aufgeschnappt, denn hochgerechnet haben wir dadurch doch ein bisschen etwas gespart. Kosmetik- und Hygieneartikel kauft der Neuseeländer übrigens alle im Supermarkt, meist in 1 Liter-Größen! Drogeriemärkte gibt es nicht, einzig Apotheken die hier und da auch mal etwas in diese Richtung haben, doch wesentlich teurer.
Wir kaufen uns ein paar Leckereien fürs Abendessen und freuen uns bei Ellie über Tee, Kaffee und eine heiße Dusche, da wir ziemlich durchgenässt sind. Hat ja auch was, so ein gemütlicher Mittag im Lauschigen. Irgendwie merken wir schon, dass wir nach den letzten drei intensiven Wochen ziemlich platt sind und so nehme ich das dankbar an statt wegen der großen Wanderung weiter enttäuscht zu sein.

Wir halten auf der Weiterfahrt in Taupo, das am gleichnamigen See liegt. Man spricht beim „Lake Taupo“ vom „Gardasee Neuseelands“. Er ist der größte Süßwassersee des Landes, zudem ein Kratersee. Fast möchte ich schreiben „eigentlich ein ganz normaler See“, doch das wäre nicht fair. Und doch merke ich, habe ich einfach schon so viel Unglaubliches und Außergewöhnliches gesehen, dass es zunehmend schwerer wird, Dinge zu wertschätzen, die man so oder noch schöner schon gesehen hat. Ein bisschen mag es auch an diesem Wetter liegen, das einfach nicht aus dem Grau heraus kommt. Der Ort ist nett und wir bummeln ein wenig herum, bevor wir uns, mehr zufällig, bei den „Craters of the moon“ wiederfinden. Wir wissen noch gar nicht so genau was uns hier erwartet und wundern uns, dass es überall aus der Erde dampft, aus den Kratern ganz besonders, obwohl wir noch gar nicht in der Nähe des Geothermalzentrums Rotorua sind. Tatsächlich kannte ich so etwas bis dato noch nicht. Erst finde ich die Warnschilder mit „Achtung heißer Dampf“ witzig, dann merke ich, dass meine Füße aufgrund der Wärme des Bodens schon angeschwollen sind 😳
Das, ich möchte fast sagen absolute Gegenteil, sind die „Huka Falls“, die wir als nächstes besuchen. An dieser Verengung des Waikato River liegt die Fließgeschwindigkeit des hellmint- bis türkisblauen klaren Wassers bei 220.000 Liter pro Sekunde (!!!), das schließlich elf Meter als Wasserfall schäumend hinunter schnellt. Nicht minder spektakulär sind die „Aratiatia Rapids“. Hier werden drei mal täglich die Schleusen des Staudamms geöffnet und wir durften selbst dabei zusehen, wie die unglaubliche Felslandschaft mit wieder schönsten Wasserfarben geflutet wird, was sich einzigartig in das Grün des Umlandes fügt und nach nur fünfzehn Minuten aussieht, als wären da urplötzlich phänomenale Wasserfälle und deren Seen.
Hui, innerhalb weniger Stunden so viele Attraktionen. Der Norden fängt an, uns also auch zu gefallen 😉 Und es geht noch weiter. Wir fahren zum „Lady Knox Geysir“, doch hören, dass der Geysir heute nicht mehr in seiner „Sprießkraft“ zu sehen sein wird. Nicht schlimm, dann fahren wir direkt zum größten Geysir der südlichen Hemisphäre, schauen uns hier jedoch vorher noch „Waiotapu“ an: Erdbecken mit blubberndem Heilschlamm, der zwischen 60 und 80 Grad heiß ist, an manchen Stellen bei 100 Grad sogar kocht. Unglaublich. Im Shop dazu gibt es direkt die entsprechenden Tiegel mit Cremes und Masken, die daraus gewonnen werden 😁
In Whakarewarewa kommen wir perfekt an, denn der größte Geysir der Region, der „Pohutu“-Geysir, schießt seine  bis zu 30 Meter hohe Wassersäule gerade in die Luft. Die Zeitabstände und Häufigkeiten sind wetterabhängig. Auch wenn es hier heftig nach Schwefel riecht, sind wir beim Rundgang durch das parkähnliche Areal von den Thermalquellen, Geysiren und den farbintensiven Sinter-Terrassen höchst beeindruckt. Auch hier finden wir blubbernde Erde und einen warmen Boden wieder. Es gibt auch kleine Seen und sogar ein Kiwi-Haus, in dem wir beim zweiten Versuch tatsächlich den ersten und vermutlich letzten Kiwi dieser Reise sehen, leider nur in einem dunklen Rotlicht hinter der Scheibe. In der Natur sind sie kaum anzutreffen und so freuen wir uns, überhaupt einen gesehen zu haben. Ich hatte ihn mir, ehrlich gestanden kleiner und flauschiger vorgestellt, was vermutlich die vielen Kuscheltiere, die es überall zu kaufen gibt, ausgelöst haben (ich muss sie immer alle anfassen und fühlen 😆). Er hat die Größe eines Huhnes und sogar etwas Ähnlichkeit, außer, dass er einen riesenlangen Schnabel hat mit Löchern an dessen Ende, mit denen er seine Nahrung im Boden aufspürt. Seine Rufe müssen ohrenbetäubend sein, ich kann mich nicht erinnern, sie irgendwann vernommen zu haben.
Puh, das war ein Marathon an Sehenswürdigkeiten und ein voller, doch überaus beeindruckender Tag. Unser nächstes Domizil weniger, wir schlafen in einer Art „Wintergarten“, der umfunktioniert wurde und abends wird es a….kalt, immerhin ist es von unten durch die Heizdecke warm 🤣
Am nächsten Tag steht uns die bisher längste Autofahrt bevor. In sechs Stunden quer durch die obere Hälfte der Nordinsel, vorbei an Auckland, der noch größeren Großstadt als Wellington, dann wieder an kleineren Orten, wo wir auch mal zum Kaffee trinken halten. Auch kurz vor Paihia in Kawakawa machen wir einen Stop, um die Hundertwassertoilette, zumindest von außen, zu sehen, vor allem aber, um etwas Essbares mitzunehmen. Der Ort ist komisch, der Supermarkt noch mehr, so gehen wir zum Inder und bestellen ein „Take away“-Gericht. Es ist wirklich eine ganz seltsame Atmosphäre an diesem eher herab gekommenen Ort, der, wie es scheint, einzig aus einer Hauptstraße besteht. Dustere Gesichter mit grimmigen Minen, wir fühlen uns ganz und gar nicht wohl. Zum Glück verändert sich das Gefühl, als wir in Paihia ankommen und uns für zwei Nächte in unserem Zimmer ausbreiten 😊
Der Ort selbst ist der bisher schönste auf der Nordinsel, wie wir finden. Und während sich im Waschsalon zwei Ladungen unserer Wäsche in der Trommel drehen, kreisen wir durch die Läden, Passagen und Straßen von Paihia. Auch einen kleinen Kunsthandwerkermarkt gibt es und eine Uferpromenade mit richtig toller Aussicht auf das Meer, die Boote, ein Kreuzfahrtschiff in einiger Entfernung, die Berge. Und die Sonne scheint endlich wieder, als wäre sie nie weg gewesen 😉
Nachdem die „Hausarbeit“ erledigt ist, der Ort inspiziert, machen wir noch, auf Empfehlung eines lieben Kollegen, den „Haruru Falls Track“, der nur einige Autominuten entfernt ist. Dieser Weg führt erst durch Wald, dann über einen langen Holzsteg durch Mangroven hindurch, schließlich wieder durch Wald, der jedoch sehr viel lichter ist und schöne Ausblicke auf einen prächtigen Fluss, außergewöhnliche Vögel & ihre Nester, Pflanzen & Blüten, wie wir sie noch nicht gesehen haben und schließlich auf den Wasserfall bietet. Wir können ihn am Ende des Weges direkt besteigen, die dortigen Wasserlöcher bestaunen, für eine kleine Pause auf den dortigen Steinen verweilen und dem Fall des Wassers zuschauen. Erfrischend, selbst ohne im Wasser zu baden. Wir halten später nochmal in dem schönen Ort und lassen den ebensolchen Tag gemütlich ausklingen.