Ein weiteres Buch könnte ich auch über die Zeremonien und Rituale auf Bali schreiben. Es gibt hier einen balinesichen Kalender, in dem für jeden Tag aufgeführt ist, wofür gedankt wird und mehr oder weniger in welchem Ausmaß 😁 Nicht vergleichbar und doch sehe ich in gewisser Weise Ähnlichkeit mit dem Mondkalender. Denn es geht ebenso darum, wofür die Tage geeignet sind und wofür aber auch auf keinen Fall. Sollte ich irgendjemandem Geld schulden, solle ich es auf keinen Fall morgen zurück zahlen sagt Nang 😆 Am Mittwoch wird dem Reis gedankt. Dazu finden inselweit Rituale statt, Büros und Schulen bleiben geschlossen. Es werden am Tag vorher noch mehr Opferschälchen gebastelt und befüllt, bedeutet die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Ich selbst habe für diesen Tag bei Nang eine Tour zu Balis Hotspots gebucht. Als er sagt, er führt sie selber durch, frage ich erst einmal, ob das dann wegen des Feiertags überhaupt passt. Passt.
Dazwischen ist noch ein Tag, um noch etwas langsam zu machen. So schaue ich mir gediegen den Palast und die Tempel von Ubud an, außerdem den bekannten Markt. Zu den Standbetreibern sage ich weiter nichts 😏 Wieder und besonders hier bin ich dankbar, wegen des Gepäcks nichts kaufen zu können 😉
Beim Kaffee trinken, zurück unter der „Gästepagode“, lerne ich die quirlige Oi kennen. Sie ist Thailänderin und ganz aus dem Häuschen, als ich ihr sage, dass Thailand mein nächstes Ziel ist. Ihre Eltern bieten in Chang Mai sogar Zimmer an. Die Wahrheit, warum ich mich für vier Monate Asien entschieden habe, liegt genau dort begründet. Ich wollte unbedingt am 23.11. zum Lichterfest in Chiang Mai sein und darum herum habe ich den Rest „gebaut“. Zusätzlich wollte ich stets mit der Sonne reisen, das wiederum macht mein Zickzackreisen aus. Was mir erst kürzlich nochmal bewusst wurde, als ich gesehen habe, dass meine noch vor mir liegenden Flüge erneut über Kuala Lumpur und Singapur führen 🙃 Oi selbst wohnt zwischenzeitlich in Bangkok, super, können wir uns dort treffen, denn ihr wisst ja, wie es mir mit Großstädten geht 😉 Ganz lange unterhalten können wir uns leider nicht, da es ihrer, wie sie selbst sagt, Reisebegleitung nicht so gefällt beziehungsweise er nicht der Typ für Gespräche mit Fremden zu begeistern ist, was sie selbst nicht versteht. Dass es nicht ihr Partner ist, bekomme ich noch mit und dann ist sie auch schon weg. Aber wir haben Kontaktdaten ausgetauscht.
Als mich Putu am Ausflugsmorgen fragt, wie es mir geht und wann wir losfahren, frage ich, warum sie eigentlich nicht mitfährt, wenn doch Feiertag ist. Sie ist ganz verwundert über die Frage. Als ich ihr sage, dass sie doch immer so viel arbeitet (5 Uhr aufstehen, einkaufen auf dem Markt, dann einen halben Tag in der Klinik arbeiten, danach einen halben Tag in der eigenen Praxis, je nach Patienten Stand-by rund um die Uhr, abends kochen und Opfergaben bereiten!) und es ihr doch vielleicht auch mal gut täte, geht sie, um Nang zu fragen und – kommt mit. Ach wie ich mich freue. Sie ist für mich wirklich der Ausdruck von Herzensgüte, positiver Lebensfreude, natürlicher Schönheit und sonniger Ausstrahlung.
Wir fahren also los und haben heute ganze fünf Sehenswürdigkeiten auf dem Programm: den Tegenungan Wasserfall, die Elefantenhöhle Goa Gajah, Gunung Kawi als älteste Tempelanlage Balis aus dem 11. Jahrhundert, der Tirta Empul-Tempel mit seinem heiligen Quellwasser, in dem die balinesischen Hindus zur Reinigung gehen und der zur Recht bekannteste Höhepunkt: die Reisterrassen in Tegallalang.
Am Tirta Empul-Tempel erklärt mir Nang die Vorgehensweise, um auch selbst das Ritual im heiligen Wasser durchzuführen, als ich allerdings die Mengen an Menschen sehe, verzichte ich dankend. Ich bade sicher nicht mit hundert anderen in einem Becken. Jetzt bekomme ich auch ein Gefühl für den Ganges. Und das Wasser könnte noch so heilig sein, danke nein 🤣 Da heute ja ein besonderer Tag für die Balinasen ist, erlebe ich an allen Tempeln auch die Gebetszeremonien und bin weiter beeindruckt, mit wie viel Zeit, Liebe & Hingabe sie diese durchführen und wie wundervoll alles angelegt ist. Die Reisterrassen zum Abschluss sind wegen dieses unbeschreiblichen Grüns für mich wirklich mit das Schönste und einfach einmalig. Die Fläche ist so unglaublich groß, dass ich mich hier fast verlaufe.
Wir Drei haben einen unglaublich schönen Tag miteinander, an dem wir viel lachen, uns austauschen, zusammen Kokosnusssaft trinken, Putu und ich Hosen kaufen, die sie ordentlich herunter handelt. Ich bin da als Kroatin ja auch nicht schlecht, aber von ihr kann ich noch lernen 😉 Am Ende des Tages sagt sie, sie würde gerne an einem Abend für mich kochen, bevor ich abfahre. Ich bin mal wieder ganz gerührt. Nach neun Stunden und auch vielen zurückgelegten Kilometern bin ich platt wie ein Schnitzel und gehe so früh ins Bett wie selten. Da habe ich mir die Massage am nächsten Tag mehr als verdient, ahne jedoch nicht, dass ich sie am Tag darauf noch viel nötiger hätte, denn: ich habe die Sunrise Trekking Tour zum aktiven Vulkan Mount Batur gebucht. Konkret bedeutet das, dass ich nachts um zwei Uhr (!!) abgeholt werde. Vielleicht wird mir genau heute zum ersten Mal richtig bewusst, wie es meinen Kollegen im Nacht- oder frühmorgendlichen Dienst geht. Verständnis hatte ich schon immer, das aber selbst zu erleben und den Rhythmus so umzustellen, Hilfe. Ich habe also den Abend zur Nacht gemacht und stehe dann pünktlichst an der Straße, wo ich als Erste aufgepickt werde. Acht weitere kommen hinzu und auf dem Weg gibt es dann erst noch einen Kaffeestop. Am Ziel angekommen, werden uns zwei junge Mädchen als Guide zugewiesen. Die Aufgedrehte läuft voraus, die ruhige Sri macht den Abschluss. Und dann geht es los – das Abenteuer. Der Schritt ist stramm, erinnert fast an einen Marsch, auf der geteerten Straße noch gut machbar. Dann kommen wir auf schmale Wege mit Vulkangeröll, das Tempo bleibt, das Wandern ist längst in Trekking übergangen und wird irgendwann von regelrechtem Klettern abgelöst. Im Dunkeln! Und by the way, wir sind wahrlich nicht die einzige Gruppe, ich vermute, dass an diesem Morgen in etwa 250 bis 300 weitere Menschen diesen Vulkan besteigen. Ein bisschen fühle ich mich wie getriebenes Vieh und frage mich, ob ich eigentlich die Einzige bin, die an ihre Grenzen kommt. Na ja, vielleicht die Einzige, die es sich anmerken lässt. Sri nimmt mich immer wieder an die Hand und zieht mich quasi hinter sich her 😬 Nach zwei Stunden kommen wir oben an und es ist bewölkt. Wir sind nicht sicher, ob wir den Sonnenaufgang sehen werden. Wir werden gefragt, ob wir bis zum Gipfel wollen und da alle JA schreien, bleibt mir nichts anderes übrig, als dem Rest zu folgen. Andererseits, wenn ich es schon bis hier geschafft habe… Dass es allerdings weitere 25 Minuten und jetzt über sandig-rutschige Flächen geht, hat niemand gesagt. Aber: wir schaffen es, ich schaffe es. Und als der Nebel sich lichtet geht ein Raunen und Staunen durch die Menge, denn der Ausblick entschädigt für alles. Wow! Einzigartig, unbeschreiblich.
Inzwischen hatten wir auch Gelegenheit, uns in der Gruppe kennen zu lernen und ich freue mich besonders über die Bekanntschaft mit Kim und ihrer Tochter Lindsey aus New York und dem außergewöhnlich humorvollen Paar Naima & Abdel, die mich nach Frankreich einladen, wenn ich meine Französischkenntnisse aufpolieren möchte oder auch einfach nur so. Das ist alles so abgefahren. Auch der Weg abwärts, weil wir jetzt erst sehen, wo wir da im Dunkeln eigentlich gelaufen sind, fast macht es uns sprachlos. Uns wird auch ein Blick in den Krater gewährt und wir bekommen die Möglichkeit, die Wärme und den Rauch zwischen dem Vulkangestein zu spüren und zu sehen. Auch abwärts nimmt Sri mich immer wieder an die Hand. Inzwischen frage ich mich, ob sie das wegen mir oder wegen sich selbst tut 😊 Voll süß. Mein Gott, diese Mädels machen das jede Nacht. JEDE Nacht.
Als ich wieder zurück bin, muss ich mich als erstes hinlegen. Wieder einmal bebt das Bett, dieses Mal nicht so extrem, Stärke 5,4…
Abends tischt Putu dann auf – Hühnchen das 24 Stunden geköchelt hat, damit all die Kräuter und Gewürze vom Fleisch aufgenommen werden, eine Stunde gekochter Reis in getrockneten Bananenblättern und ein Spinatgemüse. Auch Oi, die ich ja schon kennen gelernt habe und ihre Begleitung Jakob, aus Tschechien, sind mit dabei. Was für ein ausgesprochen schöner, geselliger, lustiger, aber auch gesprächiger und tiefgründiger Abend. Und Jakob ist zu meiner Verwunderung übrigens total aufgeschlossen 😉 Wir sitzen lange, auch noch als es kurz vor Mitternacht anfängt zu regnen. Zum Abschied schenkt Putu mir noch eine von drei Hosen, die ihr eine Patientin mitgebracht hat. Was soll man da noch sagen. Ich mache mir zwar erneut ein wenig Gedanken um mein Gepäck, aber ich kann es ja unmöglich ablehnen. Ich gebe ihr noch mein kleines Geschenk und umarme sie, bevor sie schlafen geht, Nang ihr irgendwann folgt und ich merke, was für eine ausgesprochen gute Zeit ich hier hatte. Heute ist ohnehin ein ganz besonders schöner Tag 😊
Unser gemeinsames Abendessen am letzten Abend (von links): Putu, Ich, Oi, Jakob, Nang
Deine Bali-Fotos waren überwältigend und mit deiner Erzählung haben die Bilder ihren Hinterhrund und tieferen Sinn entfaltet – sind noch schöner geworden! Ich wünschte, der Bali-Virus der Herzlichkeit und Lebensfreude könnte hierher überschwappen und eine Epidemie auslösen. Am besten weltweit ❤️ Wir haben vllt alle ein bisschen Bali nötig…