Etwas außerhalb von Riverton, an der „Riviera des Südens“ angekommen, erwartet uns ein Unterkunftshighlight: ein Pferdehof am Meer. Aus unserem Zimmer haben wir durch die zwei riesigen Fenster Blick auf die grasgrünen Koppeln und sogar auf die drittgrößte Insel Neuseelands, Stewart Island. Das Haus bietet vier Zimmer und einen großen Gemeinschaftsbereich – groß, neu, geschmackvoll eingerichtet. Wieder einmal ein Platz, an dem ich länger bleiben könnte. Das europäische, ausgewanderte Paar – er Portugiese, sie Britin – leben im zweiten Haus auf dem großen Grundstück und wie ich mich so umschaue, kommt mir der Gedanke, dass die beiden es vermutlich „geschafft“, ihr Lebensziel erreicht haben, angekommen sind: das tun, was sie erfüllt, dort leben, wo sie glücklich sind, den Dingen nachgehen, die ihnen Freude bereiten. So trainiert sie die Pferde, reitet aus und er geht nach Lust & Laune surfen, zusammen übernehmen sie die Hofarbeit, dazu die Vermietung der Zimmer. Das Glück ist spürbar und bringt auch bei mir einiges in Fahrt, einen Traum, der sich immer klarer zeigt. Nachdem ich mir mit der Weltreise den größten gerade erfülle, ein weiterer in Arbeit ist, braucht es auch wieder ein neues Ziel, neue Wünsche und Träume. Ohne sind wir, wie ich finde, arm, haben wir keine Richtung, können keinen Weg gehen. Und am Ende ist es nicht das Erreichen selbst, sondern der Weg, den wir auf diese Weise erfahren und erleben dürfen. Zugegeben, habe ich vor einigen Jahren überhaupt nicht verstanden, was Konfuzius uns mit dem Spruch „Der Weg ist das Ziel“ sagen wollte 😬

Ich frage, ob sie geführte Ausritte anbieten. Grundsätzlich nicht, Kathryn würde mich jedoch mitnehmen. Allerdings ist das entsprechende Pferd bei dem leicht stürmischen Wetter eher verschreckt und da ich keine erfahrene Reiterin bin, rät sie mir zu meiner eigenen Sicherheit ab. Das verstehe ich, schade, doch ich bin mir sicher, dass sich die Gelegenheit dazu noch irgendwo unterwegs ergibt. Nichts desto trotz genieße ich die kurze Zeit hier sehr und finde mit den zwei Australian Shepherds, die zum Gut gehören, neue Freunde ☺ Ich könnte sie glatt mitnehmen. Und auch wenn ich sonst nicht unbedingt einen Hund wollen würde, aber so einen würde ich auch nehmen 😊
Wir halten morgens direkt an einem der tollen Strände und für mich sieht es ganz nach Nordsee aus, Wind und Temperatur passen auch, obwohl ich noch nie da gewesen bin. Eigentlich auch etwas Unglaubliches, was nach Umsetzung ruft 🙃 Dann geht es wieder ins Landesinnere zu den Bergen, den Neuseeländischen Alpen. Und was wären diese ohne blaue Seen und Flüsse, an denen man sich schlicht nicht satt sehen kann. Außerdem nähern wir uns den Fjorden, die ebenfalls Einzigartigkeit versprechen. Es ist schon spannend, wie viele Länder sich hier landschaftlich „vereinen“, Europa ganz weit vorne. Eine Freundin schrieb mir zu Neuseeland: „Dieser Fleck auf der Erde, das jüngste Land… man sagt, Gott hat sich gedacht, alles Tolle auf der Welt zusammen zu packen und Neuseeland kam dabei heraus.“ Ja, so fühlt es sich tatsächlich an. Als hätte er von allem Schönsten noch etwas übrig gehabt… Ich kann es beschreiben, in Worte verpacken und viele schöne Bilder hochladen, doch niemals kann es das wiederspiegeln, was es wirklich ist – ein einziges Naturwunder 😍

Wir steuern „Pearl Habour“ in Manapouri an. Von hier aus starten die Touren ins Fjordland, Neuseelands unberührtestem und größtem Nationalpark. Die Wildnis des Weltnaturerbes ist nahezu unerschlossen und stand sogar als siebtes Weltwunder zur Wahl. Wir entscheiden uns grundsätzlich für den „Doubtful Sound“, einer von insgesamt 14 und touristisch eher noch ruhigeren Fjorden, fragen eine Tour für morgen an und freuen uns über freie Plätze. Jetzt müssen wir allerdings noch eine Unterkunft finden, da wir erneut keine im Vorfeld gebucht haben. Uns war auf der Fahrt, nicht unweit von hier, ein Schild zu Cottages aufgefallen und da wollen wir erst schauen, bevor wir die Tour buchen. Wir müssen ein Stück in den Wald hinein fahren und als wir schon denken, das kann nur ein Weg für den Förster sein, kommen wir zu einer Lichtung, auf der mehrere Häuser und Hütten stehen. Alles steht offen, Musik hallt geradezu durch den Wald, doch weit und breit keiner zu finden. Gerade als ich vom am höchst gelegenen Haus wieder weg gehen möchte, schaut ein freundliches Gesicht aus dem Fenster. Keith. Ein überaus geselliger Zeitgenosse, der direkt gute Laune versprüht. Er sei der Bruder des Besitzers und wäre hier nur der „Cleaner“ 😆 doch er schaut gerne mal im Reservierungsbuch nach. Tut er und führt uns schließlich zu einem einfachen, irgendwie dennoch netten Cottage. Nun, wo wir eine Unterkunft haben, können wir die Tour buchen gehen, passt also alles. Und wie ich gerade dabei bin, den Kreditkarten-Pin im Touren-Office einzugeben, wundere ich mich, mit wem Marianne spricht und warum die nette Frau am Schalter so irritiert schaut. Ich drehe mich um und entdecke Keith. Er entschuldigt sich tausendfach, aber er habe ja keine Nummer und nichts von uns, wusste aber, dass wir zum Tourenschalter gehen und kam jetzt, in der Hoffnung uns zu finden, weil er mit seinem Bruder gesprochen hat, der leider nicht alle Buchungen eingetragen hat und also leider… ist das Cottage belegt. Ein Mensch, dem man mal genau gar nichts krumm nehmen kann. Ganz im Gegenteil, dass er extra herum fährt, um uns zu finden, spricht ja direkt für ihn. Wir fahren also in den größeren Ort Te Anau (gesprochen: Tiana) und fragen da in verschiedenen Unterkünften nach, alles belegt, was auch die meisten Schilder an der Straße anzeigen. Fast bin ich schon ein wenig genervt, zumal ich den Ort auch noch so touristisch finde und mir ganz etwas anderes unter den Beschreibungen vorgestellt habe. Wir gehen zum Infocenter, um dort Übernachtungsmöglichkeiten abzufragen. Nicht einfach: kaum Verfügbarkeiten und das Meiste kaum bezahlbar, zumal das Chinesische Neujahr vor der Türe steht (ich verstehe den Zusammenhang bis heute auch noch nicht 🤣). Das Mädel ist ganz euphorisch, dass es noch freie Plätze im Manapouri Motel & Holiday Park gibt, das wäre so urig und günstig dazu. Ja, da freuen wir uns doch direkt mit und buchen für drei Nächte eine Cabin. Als wir ankommen, müssen wir mal wieder in uns hinein grinsen. Wir werden von einer ca. 90jährigen Dame empfangen, die anfängt uns von den Alpen zu erzählen und vom Bezug zu Deutschland, Österreich und der Schweiz, der sich an der Rezeption und am gesamten Haus visuell zeigt: Flaggen, Kuckucksuhren & Co., dazu das gesamte Haus im Stil einer alpinen Berghütte. Sie erzählt und erzählt, bis wir schließlich irgendwann die Schlüssel für unsere Cabin erhalten. Der gesamte Campinglatz sieht tatsächlich mehr als urig aus – unterschiedliche Hütten in verschiedenen Größen und Farben, die sehr einladend aussehen. Von außen. Als wir unsere Cabin öffnen, trifft uns schier der Schlag. So etwas Altes und herunter Gekommenes haben wir ja noch gar nie nie gesehen. Jede Gartenhütte dieses Planeten gibt mehr her, ehrlich. Dazu entdeckt Marianne, dass es keine Bettdecken gibt. Prima, ein Grund, nochmal zur Rezeption zu gehen. Als ich vorsichtig mein Anliegen anspreche, bekomme ich wieder minutenlangen Text mit dem Ergebnis, dass man diese leihen müsse, es sei denn, wir gehen in ein „Motel“, was ein größeres Zimmer mit eigenem Bad und Küchenzeile ist. Allerdings natürlich zu einem anderen Preis. Natürlich. Doch ganz ehrlich, in der Cabin willst Du keine Ratte schlafen lassen. Und ich hatte mich schon gefreut, dass wir endlich mal eine günstige Unterkunft für 21 EUR pro Person und Nacht (!!) gefunden haben. Wir beziehen also das Motel und ganz ehrlich, auch hier fehlen uns die Worte. Aber irgendwo müssen wir ja übernachten. Das erste Mal denken wir sogar ans Übernachten im Auto nach 😬 hätten wir nicht schon bezahlt 🤨 Okay, wir haben Blick auf den Manapouri See und die Südlichen Alpen, immerhin etwas. Außerdem eine Heizdecke im Bett, was allerdings auch gar nicht so unüblich in Neuseeland ist. Dass Mariannes Kabel durchgebrannt ist, sehen wir erst später und es verhilft immerhin zu einem mega Lachflash. Dafür sind in meiner Bettdecke Löcher, sodass bei jeder Bewegung Federn aus der Decke fliegen. Außerdem juckt es mich wie nur was. Ich überlege, ob es hier wohl Bettwanzen hat und weiß es bis heute (zum Glück) nicht, sammele aber erste Erfahrungen mit den neuseeländischen „Sandflies“. Die Sandmücken sind wie kleine Mosquitos, sehen eigentlich gar nicht so fies aus, doch bei zu viel Kratzen entzündet sich alles richtig ordentlich 🙄

Die Einrichtungsgegenstände sind hier so alt, dass ich mich frage, ob ich manches davon überhaupt schon jemals je gesehen habe. Ich glaube, nicht einmal in irgendeinem Heimatmuseum 😂 Nun, wie immer: wir machen das Beste daraus, auch wenn es uns nicht einfach gemacht wird. Wir gehen am See spazieren und immerhin sind wir morgen schon mal den ganzen Tag unterwegs. Und egal was ist, die Natur ist einfach immer Balsam für die Seele. Was so ein kleiner Spaziergang am Wasser bei dieser Landschaft alles bewirken kann, hach 😍

Wir stehen früh auf, Frühstück gibt es keines, denn das bekommen wir im dazu gebuchten Lunch-Paket bei der Fjord-Tour. Das erste Stück fährt man mit dem Boot, dann 45 Minuten mit dem Bus und schließlich geht es für mehrere Stunden mit einem kleinen Schiff in das Fjordgebiet. Die Passagiere sind bunt gemischt und wir müssen auch hier mal wieder lachen, denn kann sagen, wer was will, aber deutsche Reisende, sind genauso nervig wie andere Konsorten. Sie drängeln sich nach vorne was das Zeug hält, wollen die besten Plätze und schieben beim Fotografieren um die Wette. Wir sprechen oft leise, damit wir nicht womöglich noch angesprochen werden 😅
Es ist sehr frisch, immerhin waren es heute früh gerade einmal fünf Grad als wir aufgestanden sind, dafür ist die Morgendämmerung einfach traumhaft. Etwas durchgefroren steigen wir in den Bus und entschließen uns, auf dem Schiff  dann innen zu sitzen, was wir tatsächlich und vernünftigerweise auch machen. Draußen bläst der Wind, es nieselt, nebelt und das erste Mal auf meiner Reise habe ich das Gefühl von Herbst, was ich an sich ja auch ganz gerne mag, vor allem den Nebel. Ich liebe Nebel. Er hat so etwas Mystisches. Und ja, so ist es hier auch. Ein Hauch von Mystik zwischen all diesen dunkel bewachsenen Bergen, die ein wenig an den Schwarzwald erinnern. Vielleicht ist auch das der Grund, warum unsere Faszination nicht ganz so überschwänglich ist. Möglicherweise auch, weil wir beide schon in Norwegen waren. Grund für Freude pur bekommen jedoch auch wir, als die ersten Delfine gesichtet werden, wir nach draußen stürzen, um sie selbst aus nächster Nähe zu sehen. Wow. So nah, habe ich noch nie welche gesehen – welche Lebensfreude diese Tiere ausstrahlen!
Einen Moment später stellt der Kapitän den Motor ab und bittet um absolute Ruhe, damit wir der Natur lauschen können. Eine Stille, wie wir sie kaum noch kennen.
Doch dann ist es genug mit draußen sein, denn ich bin kurz vor dem Erfrieren. Ich bin diese Temperaturen schließlich nicht mehr gewohnt 🤣 Gegen Ende hin und nach vielen Stunden sind wir so müde, dass uns schon fast  die Augen zufallen. Das Gespräch mit einem jungen Kanadier macht mich wieder etwas wacher und heute Abend bin ich definitiv froh, dass meine Wärmedecke im Bett funktioniert. Und außerdem wieder einmal dankbar, dass ich mich bei der Reiseroute grundsätzlich für den Sonnenschein entschieden habe 😊 Und doch freue ich mich irgendwie, als wir am nächsten Tag wieder herbstliche Stimmung mit Nebel einfangen können, während wir uns auf den Weg zum „Milford Sound“ machen. Eine weitere Tour haben wir nicht geplant, es soll jedoch einen schönen Track auf dem Weg dorthin geben mit einem gigantischen Ausblick. Wir werden nicht erfahren, ob es stimmt, denn der leichte Regen hält uns von dem Track ab. Eigentlich nicht der Regen selbst, sondern der Dunst, bei dem es quasi keine Aussicht gibt. Dafür entdecken wir Einiges  auf der „Road to Milford“. Beim „Lake Gunn Nature Walk“ in unglaublich bemoostem Wald, machen wir Bekanntschaft mit zwei sehr zutraulichen Vöglein, von dem uns eines nicht nur um, sondern auch auf die Füße hüpft und ich genieße erneut den Nebel über den Bergen am Wasser. Später klart es auf und wir haben das Glück, die „Mirror Lakes“ bei schönstem Wetter zu sehen, denn wie der Name schon sagt, spiegelt sich alles in diesen besonders klaren Blau- und Grüntönen im Wasser.
Trotz schräger, um nicht schon fast von ekliger Unterkunft zu sprechen, hatten wir hier eine gute Zeit, in der wir erneut Schönheiten und Besonderheiten des Landes sehen durften. Und zum Abschied gibt es wieder einen Regenbogen für uns 😊