Am Flughafen in Rarotonga sorgt wieder der Alleinunterhalter fĂŒr Stimmung, schafft es, dass ich lache und ich bin nicht die einzige đ Solange, bis ich auf dem TV-Monitor die Breaking News erblicke und fassungslos auf die Bilder des Anschlags in Christchurch starre. Ich bin betroffen und traurig. Nicht nur, weil ich das StĂ€dtchen sehr mochte, sondern weil bis nĂ€chstes Jahr der Wiederaufbau nach den zwei verheeren Erdbeben abgeschlossen sein sollte. Da haben sie dieses Trauma vielleicht gerade einigermaĂen verarbeitet und nun das. Schrecklich. Und es fĂŒhlt sich komisch fĂŒr mich an, jetzt nach Auckland zu fliegen, wo ich zehn Stunden Aufenthalt habe, bevor ich nach Honolulu weiterfliege.
Ja, die NeuseelĂ€nder wirken betroffen und ich habe mit jenen MitgefĂŒhl, die nach Christchurch einchecken, sehe eine Frau, die bitterlich weint đ
TatsĂ€chlich vergehen meine 10 Stunden schneller als mir eigentlich lieb ist. Lahmes bis gar kein Internet verhindern erneut das Hochladen meiner Artikel und Bilder đ
Heute darf ich gleich zwei Mal zur Sprengstoffkontrolle â bei der Ein- und bei der Ausreise, wobei letztere, da es in die Staaten geht, nochmal wesentlich eingehender erfolgt.
Ich nehme es ganz und gar nicht als selbstverstĂ€ndlich und doch ist es schon gĂ€ngig, dass ich eine 3er-Sitzreihe im Flieger zu zweit habe, das heiĂt, der Platz neben mir frei ist đ Beim AusfĂŒllen der Einreisekarte habe ich zwei Fragen und wende mich damit an die junge Frau neben mir. Es dauert nicht lange und wir sind im tiefsten aller GesprĂ€che, gar so, als hĂ€tten wir den Flug zusammen gebucht. Marisa ist nur ein Jahr Ă€lter, Uruguayanerin, lebt auf Oahu, arbeitet immer ein halbes Jahr in der Antarktis (!) als RettungssanitĂ€terin und ist dabei, wenn Menschen aufgrund mangelnder Versorgungsmöglichkeiten ausgeflogen werden mĂŒssen. Das andere halbe Jahr macht sie einen Ă€hnlichen Job auf Hawaii. Sie kommt also gerade nach sechs Monaten wieder zurĂŒck, wobei sie die letzten zwei Wochen mit ihrem Mann in Neuseeland war, der sitzt jedoch in einem anderen Flieger und kommt zwei Stunden spĂ€ter an. Und es steht fĂŒr sie auĂer Frage, wie ich in mein Hostel komme, sie wird mich fahren. Doch wir warten noch auf ihren Mann und sie nutzt die Gelegenheit, mir in dieser Zeit âPearl Harborâ zu zeigen. Ich bekomme das alles gar nicht so schnell auf die Kette, wie ich schon wieder in unerwarteten Ereignissen stecke đ Auf das GelĂ€nde kommt man ĂŒblicherweise nicht, da es komplett in Besitz der U.S. Army ist und auch bewohnt. Mittels einer Tour kann man das auf dem Wasser errichtete USS Arizona Memorial per Boot anfahren und das Museum besuchen. Marisa jedoch hat einen U.S. Army-Ausweis, da ihr Mann bei der U.S. Navy war (jedoch mit 46 schon verrentet ist!). Und so passieren wir die Kontrollen und fast fĂŒhle ich mich besonders, wie wir da so vom Wachposten begrĂŒĂt werden, passieren und ĂŒber die BrĂŒcke fahren, die auf das GelĂ€nde und an das Ufer der schrecklichen Geschehnisse fĂŒhrt. Ich habe weltweit noch keinen anderen Ort erlebt, an dem Frieden und Traurigkeit so vereint miteinander in der Luft liegen.
Marisa weiĂ viel ĂŒber die Geschichte und kann mir alles zeigen und erklĂ€ren. So auch, dass es heute noch gelegentlich zu Seebestattungen kommt. Von Freunden derer, die nicht zu retten waren und deren Seelen noch auf Grund der beiden Schiffswracks sind. Teile der Wracks sind sichtbar, Anfang und Ende der Schiffe sind ĂŒber Wasser mittels einer Art Boje gekennzeichnet. Es ist alles kaum vorstellbar. Auch der Film âPearl Harborâ wurde hier gedreht und es ist einiges zu erkennen, da es original noch so steht. Wie gesagt, ein seltsamer Ort. Ruhe und Frieden einerseits, fast schon gespenstisch und dann dieses Wissen, die Energie dessen, was hier geschehen ist. Auch das ist ein Ort, an dem ich nicht wohnen könnte. Die gesamte Siedlung ist mit U.S. Army-Angehörigen und ihren Familien bewohnt.
Ohne Marisa hĂ€tte ich diesen Ort so niemals gesehen und bin tief dankbar und sehr berĂŒhrt von dieser mehr als freundschaftlichen Geste. Wir holen Patrick ab und sie fahren mich in Honolulus Ortsteil Waikiki. Vielleicht sollte ich noch erwĂ€hnen, wie hĂ€sslich der Flughafen ist: ein Betonklotz, in und um den man sich ehrlich gesagt nicht sonderlich willkommen fĂŒhlt, schon gar nicht im Paradies. Und dieses HĂ€sslich fĂŒhrt sich glatt fort. Zig Betonpfeiler einer nicht beendeten BrĂŒckenbaustelle, HochhĂ€user, Plattenbauten. Ich wusste glĂŒcklicherweise von Jens, der schon hier war und mir Bilder gezeigt hatte, dass die Hauptinsel Oahu nicht die schönste ist, mit Waikiki und seinem Beach allerdings die angesagteste zu den Themen Lifestyle, schön & reich. Marisa erzĂ€hlt, dass Hawaii als 50. US-Bundesstaat vom PrĂ€sidenten persönlich wie dritte Klasse behandelt wird. Wenig UnterstĂŒtzung und ZugestĂ€ndnisse, was dazu fĂŒhrt, dass sie in allem hintendran sind. Und das, wo sie im Ăbrigen ohnehin die abgelegensten aller Inseln auf der Erde sind! Hier leben gar nicht so ĂŒberdurchschnittlich viele Ureinwohner, dagegen viele Japaner und Indonesier und allgemein Asiaten (wo nicht đ).
Wir kommen an, tauschen Kontakte aus und die beiden bieten mir an, dass ich mich jederzeit melden könne, falls ich etwas wissen will oder brĂ€uchte. So lieb đ Was ich von meinem Hostel und der Rezeption nicht sagen kann. Die sind fast schon unfreundlich und das Zimmer… na sagen wir so, ich glaube jede GefĂ€ngniszelle ist gemĂŒtlicher. Es sind zwei RĂ€ume mit je zwei etwas breiteren Feldbetten (!). Immerhin hat das Ganze ein eigenes Bad und ich habe alles die erste Nacht schon Mal fĂŒr mich alleine und das ist doch auch was. Ich telefoniere lĂ€nger mit meiner Mum und dann muss ich erst einmal schlafen, was ich die letzten zwei NĂ€chte kaum getan habe. Ich stelle mir den Wecker, denn sicher werde ich nicht den ganzen Tag im Bett liegen, wĂ€hrend ich in Honolulu bin đ Und so mache ich mich spĂ€ter auf, um an den Waikiki Beach zu gehen, der keine fĂŒnf Minuten FuĂweg entfernt ist. Oh mein Gott… ist das hĂ€sslich đ€ŁÂ Ich denke Lloret del Mar oder auch Lido di Jesolo mĂŒsste dem sehr Ă€hnlich kommen… Und ich frage mich, warum das angesagt ist. Es ist vermutlich Ă€hnlich wie mit Markenklamotten. Ob der Fummel schön ist, spielt gar keine Rolle, solange er von einem entsprechenden Label ist. Und die gibt es im Ort wahrlich auch. Da kann Baden-Baden nicht mithalten. Prada, HermĂ©s, Gucci & Co., die in vornehmen Bauten um die Wette konkurrieren. Dazwischen mal noch ein glĂ€sernes GebĂ€ude, in dem Tesla-Fahrzeuge ausgestellt sind oder auch ein Hotel der Extraklasse. Es gibt jedoch auch ganz schöne und schnuckelige LĂ€den, die ich daheim leer kaufen wĂŒrde. Die âEinkaufsstraĂeâ ist auf jeden Fall sehenswert und ich gehe gerne an ihr entlang, halte mal hier und da meine Nase rein und lande zum Essen auf der Terrasse im zweiten Stock des Hard Rock CafĂ© Honolulu. Das fĂŒhlt sich alles schon ziemlich cool an und ich grinse echt vor mich hin, weil ich selbst kaum glauben kann, welches Kapitel ich gerade schreibe đ Und die Zeit scheint stehen geblieben zu sein, denn ich habe durch die Zeitverschiebung dieses Mal zwei Samstage an zwei aufeinander folgenden Tagen đ Auf dem RĂŒckweg sehe ich einen wahrlich beeindruckenden Sonnenuntergang an einem ĂŒbel ĂŒberlaufenen Strand. Egal, es hat dennoch was, auch die vielen Animateure oder KĂŒnstler, die am Hafen entlang fĂŒr die Touris ihr Bestes geben.
Wochenende ist und bleibt fĂŒr mich Wochenende und so steht fĂŒr sonntags ein Ausflug auf dem Programm. Und es ist nicht nur Sonntag, sondern auch âSt. Patricks Dayâ, was ich an vielen grĂŒnen Verkleidungen unschwer erkennen kann. Die Parade, die es dazu scheinbar gab, habe ich allerdings verpasst đŹÂ Ich möchte auf den Krater des âDiamond Headâ, korrekt gesagt ist das ganze wohl eine Tuffsteinformation (= vulkanisches Eruptivgestein) đ Ich bin schon ziemlich lange unterwegs, finde jedoch den Weg fĂŒr den Aufstieg nicht, frage einen Ă€lteren Herrn, der darauf besteht, mich ein StĂŒck zu begleiten und die Gelegenheit nutzt, mir seine Lebensgeschichte zu erzĂ€hlen. Unter anderem wie er mit 19 Jahren, 50 Dollar und einem One Way-Ticket nach Hawaii kam und lĂ€ngere Zeit blieb, ein Zimmer, einen Job und eine Liebe fand. Ja, Geschichten die das Leben schreiben… Irgendwann trennen sich unsere Wege wieder und Jerry marschiert Richtung Waikiki, wĂ€hrend ich mich an den Aufstieg mache. Er ist ein bisschen steil, doch es dauert gar nicht lange, bis ich die erste unglaubliche Aussicht habe â auf das GrĂŒn, die HĂŒgel, das Meer von Oahu. Warum auch immer, so Ă€hnlich stelle ich es mir in SĂŒdamerika vor. Am höchsten Punkt angelangt, bin ich wahrlich beeindruckt, Honolulu aus dieser Perspektive zu sehen. Immer noch finde ich es seltsam, ein solch schönes Meer mit Strand zu sehen, das so unnatĂŒrlich umgestaltet wurde. Hier aus der Ferne wirken die HochhĂ€user jedoch nicht so hĂ€sslich, der Strand nicht ĂŒberlaufen und ich mag was ich sehe. Ich bleibe ein wenig, beobachte teils bunte Segelboote auf dem Wasser, den Blick auf einen Leuchtturm. Ich mag LeuchttĂŒrme, wie sie aussehen, aber auch, was sie mir symbolisch vermitteln: das GefĂŒhl von StabilitĂ€t, Klarheit, Weitsicht.
Ich ĂŒberlege kurz, ob ich den Bus zurĂŒck in den Ort nehme, da mir bewusst wird, wie weit ich heute schon gegangen bin und dass es ein ordentliches StĂŒck auch wieder zurĂŒck ist. Ich entscheide mich dagegen, mache in der netten Monsarrat Avenue jedoch Halt und gönne mir âHealth Foodâ, bevor ich weiter durch grĂŒne Parks, vorbei an bunten Blumen, schlieĂlich am Strand entlang, nach Waikiki zurĂŒck kehre. Stattliche 16 Kilometer waren das heute und die spĂŒre ich jetzt auch.
Am nĂ€chsten Morgen spricht mich Conner beim FrĂŒhstĂŒck im Hostel an. Er stellt die Nr. 1-Frage unter Reisenden: âWoher bist Du?â. So kommen wir ins GesprĂ€ch und reden noch immer, wĂ€hrend das spĂ€rliche FrĂŒhstĂŒck schon lĂ€ngst wieder abgerĂ€umt ist. Wir verabreden uns fĂŒr 14 Uhr, um ein wenig herum zu schlendern und auf seinen Geburtstag anzustoĂen, der gestern war. Meine Idee, da ich vermute, dass es komisch ist, alleine da drauĂen in der Welt Geburtstag zu haben đ
Conner ist HollĂ€nder, hat inzwischen jedoch ein Haus in Portugal, was er jedoch nur wenige Wochen bewohnt hat, weil er schon ewig und drei Tage herumreist. Es fasziniert mich einfach immer wieder, die Geschichte eines anderen Menschen zu hören, wobei die heftigsten und traurigsten diejenigen sind, die am meisten in mir nachschwingen. Und manchmal ploppt so eine Art âstolz seinâ in mir auf, wenn ich sehe, was jemand aus seinem Leben trotz aller Widrigkeiten und Herausforderungen gemacht hat. Und so danke ich Conner fĂŒr seine Geschichte und den schönen Tag, der bis in den sehr spĂ€ten Abend hinein geht. Wie Jugendliche versuchen wir durch ein Nobelhotel an den Strand zu gelangen, was uns leider nicht gelingt. Lustig ist es dennoch. Wir nehmen schlieĂlich den 08/15-Strand, der uns vermutlich auch mehr entspricht. Auf dem Weg ins Hostel kauft Conner noch eine Flasche Wein, weil es ja mein letzter Abend ist. Es gibt eben immer einen Grund zum Feiern und sei es das Leben selbst đ Wir lernen Jacqueline kennen und haben wirklich Freude im Zusammensein. Ich mag solche Tage, an denen ich zumindest âfremde Freundeâ um mich herum habe, gerade dann, wenn mir meine am meisten fehlen.
Hallo Honolulu-Tanja, fĂŒhl dich gedrĂŒckt – einfach mal so zwischendurch đ btw: eine Freundin aus der französischen Schweiz sagt immer âOnolĂŒlĂŒâ đ